Moskauer Angehörige in Angst "Das Handy meiner Frau ist ausgeschaltet"
23.03.2024, 04:01 Uhr Artikel anhören
Erst am Morgen kann der Großbrand in dem Konzertgebäude eingedämmt werden.
(Foto: picture alliance/dpa/XinHua)
Die Familien der Moskauer Konzertbesucher durchleiden eine bange Nacht: Sind ihre Lieben noch am Leben? Oder im Krankenhaus? Nach der Terrorattacke müssen die Familien mit allem rechnen. Augenzeugen berichten von dem schrecklichen Schrei einer Frau.
"Angst" und "totale Verzweiflung": Der Schock nach dem tödlichen Angriff auf einen Konzertsaal am Rande Moskaus wich am Abend dem ängstlichen Warten der Familien. Viele mussten ohne Nachrichten ihnen nahestehender Menschen ausharren. "Ich bin völlig in Panik, mein ganzer Körper tut weh", sagt Semjon Chrapzow, dessen Frau bei dem Konzert war und ihn zum Zeitpunkt des Angriffs anrief. Er konnte sie jedoch nicht genau verstehen.
Mehrere hundert Menschen waren am Abend zu dem Saal gekommen, um ein Konzert der russischen Rockgruppe Piknik zu sehen. Doch wenige Minuten, bevor die Show beginnt, dringen mehrere Bewaffnete ein. Die Angreifer eröffnen das Feuer, Dutzende Menschen werden nach Angaben der russischen Behörden getötet. "Sobald ich wusste, was los ist, bin ich hierher gekommen", sagt Chrapzow. "Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es herrscht ein Gefühl der totalen Verzweiflung."
Krankenhäuser abtelefoniert
Zuvor veröffentlichten Kanäle im Onlinedienst Telegram, die als den Sicherheitsbehörden nahestehend gelten, Videos, auf denen mindestens zwei bewaffnete Männer zu sehen sind, die in die Halle vorrücken. In weiteren sind Leichen und zum Ausgang eilende Menschen zu sehen. Weitere Aufnahmen zeigen Konzertbesucher, die sich hinter Sitzen verstecken.
Auch der 30-jährige Igor Bogodajew wartet auf ein Lebenszeichen seiner Frau, deren Telefon ausgeschaltet ist. "Ich habe Angst", sagt er. "Ich weiß nicht, was ich tun soll." Seine Freunde hätten versucht, von Krankenhäusern Informationen einzuholen, um herauszufinden, ob seine Frau dort eingeliefert wurde - jedoch ohne Erfolg.
Massenpanik bricht aus
Kurz vor Konzertbeginn hätten die Menschen "plötzlich mehrere Maschinengewehrsalven und den schrecklichen Schrei einer Frau" gehört, "dann viele Schreie", sagt der Konzertbesucher Alexej, ein Musikproduzent, am Telefon. Er befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs in einer Loge. Anschließend sei eine Massenpanik ausgebrochen. Gemeinsam mit anderen Menschen, die vor Ort gewesen seien, habe er sich zunächst verbarrikadiert und dann versucht, so schnell wie möglich nach draußen zu gelangen. Unterwegs, sagt Alexej, habe er "Rauch und Asche" in einem der Räume gesehen, ehe er den Ausgang erreichte.
Der Großbrand in dem Gebäude, in dem sich der Konzertsaal befindet, konnte nach Angaben der Behörden am Morgen eingedämmt werden. Russischen Medien zufolge trat jedoch immer noch Rauch aus dem teilweise eingestürzten Dach, Hubschrauber warfen Wasser auf das Gebäude ab.
Das russische Katastrophenschutzministerium teilte mit, Maßnahmen zur Rettung von Menschen auf dem Dach auszuführen. Rund 100 Menschen konnten sich den Angaben zufolge im Keller des Konzertsaals in Sicherheit bringen. Zu dem Angriff bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Sie hat Russland bereits mehrfach ins Visier genommen.
Quelle: ntv.de, mau/AFP