Politik

Die CDU gerät in die Krise Das System Merkel kollabiert

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Die einstige Instinktpolitikerin Merkel hinterlässt ihre Partei als Scherbenhaufen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Christdemokraten schießen sich auf Kramp-Karrenbauer ein. Dabei hat Friedrich Merz recht: Es ist Merkel, die die CDU zum konturlosen Kanzlerinnenwahlverein gemacht hat. Das rächt sich bitter. Der Partei steht das Schicksal der SPD bevor.

Nun soll es also Annegret Kramp-Karrenbauer allein gewesen sein, die es verbockt hat. Also: Absägen! Diese Schlussfolgerung kennen wir von der SPD, die jedes Mal ihre/n Vorsitzende/n vom Sockel gestoßen hat, sobald mal wieder eine Wahl verloren ging. Obwohl sich das Modell als nutzlos erwiesen hat, wird es die CDU demnächst kopieren – ein weiteres Indiz dafür, dass sie den Weg der Sozialdemokratie gehen und damit ebenfalls in den Niederungen der Wählergunst landen wird.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Kramp-Karrenbauer hat nicht das Charisma, Geschick und machtpolitische Gespür, ebenso wenig die strategischen Fähigkeiten, wie sie einst Angela Merkel hatte. Wobei die Betonung auf "einst" liegt. Denn der Kanzlerin ist ihr früheres Markenzeichen, Lagen exakt zu beurteilen, richtige Schlüsse zu ziehen und entsprechend zu handeln, abhandengekommen, wie in allererster Linie die Inthronisierung Kramp-Karrenbauers zeigt. Dass Merkel ihrer Parteifreundin aus der saarländischen Provinz nicht nur das Amt der CDU-Chefin zutraute, sondern auch die Kanzlerschaft, ist eine Fehleinschätzung ohnegleichen.

AKK kann es nicht

Die miserablen Umfragewerte Kramp-Karrenbauers dürften auch den letzten Mitgliedern und Anhängern der CDU zeigen, dass mit dieser Vorsitzenden keine Blumentöpfe und schon gar keine Wahlen zu gewinnen sind. Vier sind seit ihrem Amtsantritt schon mit jeweils herben Einbußen verloren gegangen: die zum Europaparlament sowie die in Sachsen, Brandenburg und am Sonntag in Thüringen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann Kramp-Karrenbauer den Vorsitz abgeben wird - auf die Kanzlerkandidatur hat sie ohnehin keine Chance mehr, dazu fehlt es ihr an allem, was man braucht. Oder sie zeigt es nicht genug, was dann aber ebenfalls ihr ureigenes Defizit und das ihres Stabes wäre. 

Dass Merkel einen Plan B in der Hinterhand hat - urplötzlich zurücktreten zum Beispiel, um ihren Zögling AKK (doch noch) ins Kanzleramt zu hieven - ist nicht (mehr) vorstellbar. Das würde zu einem Aufstand in der Unionsfraktion führen. Sollte die SPD nun also die Koalition vorzeitig aufkündigen, stünde die Union ohne logischen Kanzlerkandidaten da. Sie müsste erst darüber entscheiden, wer als Spitzenmann oder -frau antritt.

Verantwortlich für diese vertrackte Situation ist Angela Merkel. Punkt und aus. Sie hat die CDU über Jahre hinweg zum Kanzlerinnenwahlverein gemacht, bei dem unklar ist, welche Positionen er vertritt. Sie richtete ihre Politik nach Umfragen aus, was in einem bestimmten Umfang akzeptabel ist. Aber wenn dies wie beim Atomausstieg leicht durchschaubar ist oder wie bei der Flüchtlingskrise von weiten Teilen der Bevölkerung als selbstherrliche Entscheidung verstanden wird, führt es zu einem erheblichen Verlust an Vertrauen und Konturen. Für was steht diese Partei eigentlich (noch)? Hechelt sie nun der AfD hinterher oder nicht? Oder bandelt sie jetzt mit der Linken an? Diesen Spagat kann keine Volkspartei aushalten und überstehen.

Merkel abgehoben wie Kohl

Nur zur Erinnerung: Es war Merkel, die innenpolitisch den Machterhalt um jeden Preis zur obersten Devise erhoben hat. Warum also nicht mit Bodo Ramelow paktieren? Nicht zu vergessen: Es war Merkel, die all ihre internen Rivalen in spe um die Führung der Partei und das Kanzleramt kaltgestellt oder in die Flucht getrieben hat. Sie ließ die Christdemokraten zur Ein-Satz-Organisation schrumpfen, der da lautete: "Sie kennen mich."

Mit diesem simplen Spruch ließ die Regierungschefin im Wahlkampf 2013 ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück keine Chance. Damals lag Merkel goldrichtig. Ihr politischer Instinkt war völlig intakt. Sie hatte erkannt, dass Bindungen an bestimmte Milieus, Weltanschauungen und Konfessionen nicht mehr alleiniger Maßstab von Wählerentscheidungen sind, sondern Zuspruch – auch emotionaler – und Vertrauen in Politiker eine zunehmende Rolle spielen.

Merkels Fehler aber war anzunehmen, dass diese Welle der Zustimmung zu ihrer Person und Partei ewig hält, was immer sie tut – und vor allem auch, wenn sie nichts tut und wartet, bis es andere für sie tun. Ungeachtet ihrer noch immer hohen Beliebtheitswerte tauchte sie in den jüngeren Wahlkämpfen weitgehend oder völlig ab. Das passt zu dem, was inzwischen selbst in der eigenen Partei gemutmaßt wird, dass die Kanzlerin mehr und mehr wie Helmut Kohl agiere, abgehoben und ohne echten Kontakt zu den Normalos im Lande. Während sie noch immer eine glasklare, nachvollziehbare und richtige Linie in der Außenpolitik fährt, mischt sich Merkel kein Stück in die Innenpolitik ein. Da tut sie maximal das, was sie seit Jahren tut: moderieren und abwarten.

Das giftige Erbe der Eiernden Lady

Dass sich die Union auf Kramp-Karrenbauer eingeschossen hat, mag damit zusammenhängen, dass ihr zunehmend schwant, dass sie eine schlechte Wahl getroffen hat. Merkel aber bleibt sakrosankt. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die Union nicht so offen gegen Merkel revoltiert, wie dies nun ihr Partei-Feind Friedrich Merz tut. Zumal die Umfragewerte der Kanzlerin nach wie vor bestens sind. Allerdings wird die CDU als Ganzes nicht umhinkommen, irgendwann laut zu sagen, dass es Merkel war, die ihr den Schlamassel eingebrockt hat.

Dazu wird dann auch gehören, dass die Basis ewig stillgehalten hat. Viel zu viele Funktionäre und Abgeordnete der CDU haben das System Merkel viel zu lange gestützt. Sie sind ihr willig oder sogar blind gefolgt, haben die visionsfreie Politik der Eiernden Lady nie in Frage gestellt. Das rächt sich jetzt, wo das System Merkel kollabiert, bitter und folgenschwer: Der CDU droht das Schicksal der SPD.

Quelle: ntv.de

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