Politik

Ortsbesuch beim Caucus in Iowa "Das Wichtigste ist, Trump loszuwerden"

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Die Vorwahl der Demokraten im Bundesstaat Iowa gerät zum organisatorischen Desaster. Ein Besuch bei einer Abstimmung in einer Schule zeigt: Der althergebrachte Wahlmodus ist nicht nur kompliziert, er legt auch die tiefen Gräben zwischen den Unterstützern der Partei offen.

Wen die Wartenden in der langen Schlange vor der Franklin High School in Des Moines, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Iowa, unterstützen, daraus machen viele keinen Hehl. T-Shirts mit Aufdrücken wie "Give Pete a Chance" (Pete Buttigieg) oder "I’m ready for President Elizabeth Warren" werden stolz zur Schau getragen. Unterstützer von Bernie Sanders haben "Feel the Bern"-Buttons auf ihre Jacken gesteckt. Trotz der eisigen Temperaturen ist die Stimmung gut. Nach vielen Monaten intensiven Wahlkampfs ist endlich der Tag gekommen, an dem die als Caucus bezeichneten Vorwahlen für die im November anstehende US-Präsidentschaftswahl beginnen. Die Wartenden begrüßen Neuankömmlinge mit "Happy Caucus day".

Alle vier Jahre findet der Auftakt traditionellerweise hier in Iowa statt, was den kleinen Bundesstaat im Mittleren Westen mit gerade einmal drei Millionen Einwohnern in den Monaten davor zum politischen Epizentrum des Landes macht. Auf der Seite der Republikaner geht es dieses Jahr nur um eine formelle Bestätigung der Kandidatur von Präsident Donald Trump, bei den Demokraten hingegen sind es ganze elf Kandidaten, die um die Nominierung ihrer Partei kämpfen - und das, nachdem mehr als ein Dutzend anderer bereits wieder aus dem Rennen ausgestiegen sind. So hart wie dieses Jahr war der Wettbewerb unter den Demokraten noch nie, und auch der Ausgang war selten so offen.

Caucus: kompliziert aber lebhaft

Das liegt auch am sehr speziellen Wahlsystem in Iowa. Denn das Format hat mit normalen Wahlen wenig zu tun. Beim Caucus, wofür es im Deutschen gar keinen eigenen Begriff gibt, treffen sich die Parteimitglieder in Sporthallen oder Schulen wie der Franklin High School und stimmen öffentlich für ihre Kandidaten, indem sie sich mit Gleichgesinnten in einer Ecke des Raumes versammeln. Nach diesem ersten Wahlgang können sich Wähler, deren Favoriten die vorgeschriebene 15-Prozent-Hürde unterschreiten, umentscheiden und zu anderen Lagern wechseln. Dafür werden sie von Wählern der anderen Kandidaten umworben. Das mag kompliziert klingen, und ist es in der Realität auch.

Sanders-Anhänger in Des Moines

Sanders-Anhänger in Des Moines

(Foto: AP)

"Das System ist sicher nicht sehr einfach, aber gleichzeitig belebt es den politischen Prozess", sagt Vanessa Phelan, Vorsitzende der Demokraten im Nordwesten von Des Moines und eine der Organisatoren des Caucus im Bezirk 39, der im Auditorium der Franklin High School durchgeführt wird. "Gerade in der heutigen Zeit, in der so viel online über Politik gesprochen wird, ist es wirklich großartig, sich mit seinen Nachbarn zu treffen und eine anständige Diskussion zu führen. Die Leute hier in Iowa nehmen diesen ganzen Prozess unglaublich ernst."

Eine gespaltene Partei

Um Punkt 19 Uhr geht der Caucus los. Das Auditorium ist zum Bersten gefüllt, 607 Parteimitglieder sind gekommen - mehr als erwartet. 15 Minuten haben die Anwesenden nun Zeit, sich für einen der Kandidaten zu entscheiden, und andere von ihrem Favoriten zu überzeugen. Und schon auf den ersten Blick zeigen sich die Differenzen, die derzeit in der Partei herrschen. In den jeweiligen Ecken von Bernie Sanders und Elizabeth Warren finden sich vor allem jüngere Wähler, bei Joe Biden sind es vor allem ältere Parteimitglieder. Und auch ideologisch tun sich Gräben zwischen den Lagern auf.

Anhänger von Sanders sprechen allesamt davon, dass es einen radikalen Wandel braucht. "Ich habe nach einem Kandidaten gesucht, der die Wurzeln der Probleme angeht, vor denen wir stehen, von der Gesundheitsversorgung bis zur Klimakrise", sagt Cat Rocketship, eine Künstlerin, die den Senator aus Vermont unterstützt. Joe Bidens Anhänger hingegen vertreten in vielen Fragen moderatere Ansichten und verweisen vor allem auf dessen lange Erfahrung. "Er kann am ersten Tag loslegen und alles richten, was Donald Trump in den letzten Jahren zerstört hat", sagt Mary Maloney, die örtliche Schatzmeisterin ist eine Biden-Unterstützerin. Über allem aber steht bei den meisten der Anwesenden die Frage, wer am ehesten dazu in der Lage ist, Präsident Trump bei den Wahlen im November zu schlagen. Doch wer das ist, darüber scheiden sich hier in den verschiedenen Lagern die Geister.

Tiefschlag für Biden

Nach 15 Minuten wird gezählt, wie viele Unterstützer jeder Kandidat im Raum auf sich vereinen kann. 91 müssen es mindestens sein, um die Mindesthürde zu überschreiten, und gleich bei der ersten Gruppe geht ein Raunen durchs Auditorium: In der Ecke von Joe Biden haben sich nur 50 Wähler versammelt. Ganze 179 sind es hingegen bei Bernie Sanders, 164 bei Elizabeth Warren, 103 bei Pete Buttigieg, und auch Amy Klobuchar, die in Umfragen zurückliegende Senatorin aus Minnesota, hat mit 62 Parteimitgliedern mehr als der favorisierte frühere Vizepräsident in ihrer Ecke stehen. Zeitgleich trudeln Nachrichten ein, dass Biden auch in anderen nahegelegenen Bezirken die Mindesthürde nicht geschafft hat - ein erstes Anzeichen für ein mögliches schlechtes Abschneiden.

In der Sporthalle der Drake University versammeln sich Wähler in den jeweiligen Lagern der von ihnen favorisierten Kandidaten.

In der Sporthalle der Drake University versammeln sich Wähler in den jeweiligen Lagern der von ihnen favorisierten Kandidaten.

(Foto: AP)

Gleich im Anschluss an die erste Zählung geht das große Feilschen los. Anhänger der Kandidaten, die die erste Hürde überschritten haben, versuchen die anderen davon zu überzeugen, in ihr Lager zu wechseln, was ihnen nur zum Teil gelingt. Den größten Coup im Raum schaffen die Klobuchar-Unterstützer, die fast alle Biden-Wähler dazu bringen, sich zu ihnen zu gesellen und damit doch noch die 15-Prozent-Hürde überspringen.

Von den 15 Delegierten, die der Bezirk zum Parteitag schickt, bekommt am Ende Sanders 5, Warren 4, Buttegieg und Klobuchar jeweils 3. Diese Delegierten werden zusammen mit weiteren 2092 Delegierten aus Iowa insgesamt 41 Delegierte für ihren Bundesstaat bestimmen, die beim nationalen Parteitag den Kandidaten der Demokraten mitwählen. Die 41 Iowa-Delegierten werden nur einen Bruchteil der 4750 Delegierten aus dem ganzen Land stellen.

*Datenschutz

Iowas Gesamtergebnis aber steht nach langem Warten auch noch aus, als die Kandidaten ihre Reden vor ihren Anhängern halten. Grund dafür: eine fehlerhafte App, die extra für die Erfassung der Ergebnisse programmiert wurde. Wer am Ende gewinnen wird, ist aber vielleicht ohnehin zweitrangig, denn auf eines können sich unter den Demokraten beim Caucus fast alle einigen, was Warren-Unterstützerin Elizabeth Thurston so auf den Punkt bringt: "Im November werde ich den Kandidaten der Demokraten wählen, egal, wer das sein wird, denn das Wichtigste ist, Donald Trump loszuwerden."

Quelle: ntv.de

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