Politik

Antisemitische Kuds-Demo "Das hat in Berlin nichts zu suchen"

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1000 bis 1200 Personen nahmen an dem Kuds-Marsch teil.

(Foto: imago images / Metodi Popow)

Wieder einmal muss die Hauptstadt die vom Iran organisierte Hetze gegen Israel während der Kuds-Demo ertragen. Immerhin: der Protest ist kleiner geworden. Provoziert wird dennoch.

Der Mann ist völlig in Rage und brüllt es über die ganze Kreuzung: "Israel ist staatlich organisierter Rassismus". Mit ausladenden Gesten läuft er umher, spricht von "Mord", Unterdrückung und Rache. Abwechselnd beschimpft er Gegendemonstranten und Polizisten als "Handlanger". Er schreit: "In meinen Adern fließt palästinensisches Blut" und schlägt sich auf den Arm. "Ja, palästinensisches Blut!" Von einem der pittoresken Balkone am Kurfürstendamm im schicken Berliner Stadtteil Charlottenburg lässt eine ältere Dame den aufgebrachten Mann wissen, was sie von seinem Auftritt hält: "Halt die Schnauze" tönt es herab von der Kaffeetafel im dritten Stock. Den Al-Kuds-Tag haben sich die Mullahs in Teheran ausgedacht, um zur Vernichtung Israels aufzurufen. Gestern wurde im Iran protestiert, heute erreichen die Ausläufer der antisemitischen Stimmungsmache Berlin.

Wer sich den Demonstranten anschloss, steht in einer fragwürdigen Tradition. In der Vergangenheit wurden die Forderungen ganz unverhohlen formuliert: Parolen wie "Zionisten ins Gas" wurde 2013 ebenso gerufen wie "Sieg Heil!" Und während sich die versammelten Feinde des Staates Israel im Iran austoben dürfen - Flaggenverbrennung, "Tod für Israel!"- oder "Tod Amerika!"-Rufe sind dort freilich kein Problem -, gelten für die Demonstration auf dem Ku'Damm jedoch inzwischen klare Auflagen. Zeichen der Terrormiliz Hisbollah etwa dürfen nicht gezeigt, Flaggen nicht verbrannt werden. Gewisse Formulierungen sind verboten. Der Protestzug hält sich daran. Meistens zumindest.

Auf den Plakaten der Kuds-Demo wird zum Boykott Israels aufgerufen; behauptet, der Staat töte alle zwei Tage ein Kind und führe ein Apartheids-Regime. "Respect Existance or expect Resistance" steht auf einem Schild. Respektiert die Existenz oder ihr habt Widerstand zu erwarten. "Or", das englische Wort für "oder" steht bei der Drohung ironischerweise in der Silhouette einer weißen Friedenstaube.

Drohende Worte hat sich auch ein älterer Herr auf sein Schild geschrieben: "Will die USA ihr Stalingrad geschenkt bekommen" steht da in Anspielung auf einen möglichen Krieg zwischen den USA und Iran. Es entsteht so etwas wie ein Gespräch. Der Iran und die Kuds-Demonstranten kritisieren die Menschenrechtslage in Israel. Auf die Frage, ob das angesichts der angespannten Lage im Iran nicht widersprüchlich sei, entgegnet der Mann: "Der Begriff 'Regime' ist bewusst negativ gefasst. Das ist eine demokratisch gewählte Regierung." Gut, selbst wenn - beantwortet das nicht die Frage. "Der eigentliche Aggressor sind die USA und Europa steht Schmiere." Aber die Frage war ja eigentlich… "Nein, man hat nicht zu fragen. Die Menschenrechtslage im Iran geht nur den Iran etwas an." Debattenkultur auf einer Propaganda-Veranstaltung.

"Ich protestiere als Deutscher für Palästina"

Auffällig in diesem Jahr ist, dass die Veranstaltung kleiner geworden ist. Nachdem vergangenes Jahr rund 1600 Menschen kamen, waren es in diesem Jahr laut Polizei nur rund 1000 bis 1200 und in etwa so viele Gegendemonstranten. Auffällig außerdem: Im Lager der Israel-Feinde wehen viele deutsche Flaggen. Nachfragen werden schmallippig beantwortet. "Ich protestiere als Deutscher für Palästina", sagt einer - mehr nicht

Bei einer weiteren Gegenveranstaltung fordert der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff und der US-Abgesandte Richard Grenell, dass die Bundesregierung die Hisbollah als Ganzes verbiete. Berlins Innensenator Andreas Geisel sagt, "dieser Geist hat in Berlin nichts zu suchen" und fordert, dass der Kuds-Tag künftig verboten werden solle.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau macht klar, dass auch sie Israels Politik kritisiere. "Ich kritisiere auch die Politik der USA oder der Bundesregierung. Aber ich stelle nicht das Existenzrecht in Frage." Das sei der entscheidende Unterschied zur Kuds-Demo. Felix Klein, der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, hatte vor dem Marsch alle Berliner dazu aufgerufen, Kippa zu tragen. Hier und da waren Menschen mit der Kopfbedeckung unterwegs.

Friedlich auch dank Polizei-Großaufgebot

Dank eines Großaufgebots der Polizei bleibt die Demonstration friedlich. Dass es sich hierbei allerdings nicht um eine gewöhnliche Kundgebung handelt, zeigt sich auch daran, dass die Beamten nicht nur mit der üblichen Ausrüstung von Hundertschaften im Einsatz sind, sondern Protest und Gegenprotest auch mit Schnellfeuerwaffen im Anschlag voneinander trennen.

Und Provokationen gibt es auf beiden Seiten. Teilnehmer der Gegenkundgebung singen lautstark: "Ihr habt den Krieg verloren, ihr habt den Krieg verloren". Und auf der Kuds-Demo skandieren sie wieder einmal "Kindermörder Israel". Das wäre laut Auflagen genauso wenig erlaubt gewesen wie die Hisbollah-Zeichen, die hier und da auf der Demonstration zu sehen sind.

Quelle: ntv.de

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