Politik

Paris in Zeiten des Terrors "Das ist erst der Anfang"

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Botschaft am Arc de Triomphe: "Paris est Charlie".

(Foto: imago/PanoramiC)

Die Pariser, diese zutiefst anarchistischen Franzosen, respektierten sogar die Schweigeminute, die für die Opfer des Anschlags auf Charlie Hebdo ausgerufen worden war. Und auch sonst war einiges anders in dieser Woche in der französischen Hauptstadt. Ein Stimmungsbericht.

Am Anfang dieses Jahres 2015 bringt jeder neue Tag Überraschungen mit sich. Die Pariser, diese merkwürdigen und zynischen, urbanen Tiere, legen eine ungewöhnliche Ruhe an den Tag. Jedes Mal, wenn man sie befragt, entschlüpft ihnen ein bisschen resignierte Verzweiflung.

Am Mittwoch traf sie die Nachricht des Anschlages auf das von allen gekannten Satireblatt wie ein Schlag und hinterließ eine Mischung aus Traurigkeit und Wut. Am Tag danach dann: kollektive Andacht. Überall, in den Unternehmen, in der Metro, in den Schulen wurde eine Schweigeminute von allen eingehalten, ein außergewöhnlicher Fakt in einem an sich tief anarchistischen Land, das durch soziale Spannungen geteilt ist.

Am Freitag dann, die Ankündigung einer Geiselnahme an der Porte de Vincennes in einem koscheren Kaufladen wirkt wie ein Keulenschlag. Alle verkünden: Das ist erst der Anfang. Eine Bürgerkriegsstimmung hat die Stadt ergriffen. Der Verkehr wird gesperrt, Helikopter überfliegen die Stadt und überall das Hintergrundrauschen der Polizeisirenen. Die Universität Paris Diderot VII hat einen Wachschutz an ihren Pforten eingerichtet. Jean-Pierre von der Elfenbeinküste erklärt: "Die sind verrückt. Genug gescherzt mit denen. Man muss es machen wie Putin mit den Tschetschenen. Kein Mitleid." Ein bisschen weiter an der Tramhaltestelle stellt die junge marokkanische Studentin fest, dass kein Zug mehr kommt. "Wir alle sind Opfer. Diese Leute sind keine Moslems. Es sind Verbrecher." Die Stimmung ist ruhig, resigniert. Weniger hysterisch als sonst! Ein Einzelhändler sagt lakonisch: "Die Zeit steht still. Man fragt sich, was als nächstes auf uns zukommen wird."

"Ich will nur weg hier"

An der Porte dorée, da, wo ganz in der Nähe die Geiselnahme stattfindet, zeigen sich Bauarbeiter aus Mali gesprächig: "Sie werden dieses Land umbringen. Wo soll das denn alles hinführen!?". Alle sind ratlos. Es ist 16.30 Uhr, Nathalie holt ihr Mädchen von der Schule ab. Sie macht sich Sorgen. Als Französin und als Jüdin. "Ja, ich habe Angst", sagt sie. Sie weint, wie viele, die ich seit Beginn der Anschläge auf der Straße gesehen habe. "Es tut mir so leid um die Leute von Charlie Hebdo. Ich wollte zur Demo am Gare de Lyon gehen, aber ich konnte es nicht. Ich hatte zu viel Angst." Und sie fügt hinzu: "Das ist doch nicht normal. Ich will nur weg hier."

Eine alte Dame, die gekommen ist, um ihr Enkelkind abzuholen, ist stolz auf die Haltung, die ihre Landsleute bewahren. "Wir Franzosen, wir schnauzen uns eigentlich dauernd an, aber unter besonderen Umständen können wir auch zusammenhalten. Und wir haben ja auch schon andere Anschläge erlebt."

In der Metro, die zur Rue des Rosiers führt, im Herzen des jüdischen Viertels und mitten im Zentrum von Paris (wo 1982 ein antisemitisches Attentat mit sechs Toten und 22 Verletzten verübt wurde; Anm. d. Red.) ist es ein Tag wie jeder andere. Eine Gruppe von Gymnasialschülern lacht, hört Musik, geht zum Sport. Wer könnte ahnen, dass zur gleichen Zeit, nur einen Kilometer entfernt, Duzende von Polizisten den Späti stürmen und einen Terroristen unschädlich machen.

Zwei bewaffnete Gendarmen stehen weiter vor der Synagoge in der Rue de Rosiers. Es ist der Beginn des Sabbat. Orthodoxe Juden sind nicht zu sehen. Die vorbeischreitende Menge ist still. Der Besitzer des einzigen offenen Ladens in der Rue des Francs-Bourgeois ist perplex: "2015 konnte nicht schlimmer anfangen".

Übersetzung: Carol Corellou

Quelle: ntv.de

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