Politik

Diskussion über Bundeshaushalt "Das maximal strengste Urteil, das gefällt werden konnte"

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"Geht der Ampel die Kohle aus?", fragt Louis Klamroth seine Gäste.

"Geht der Ampel die Kohle aus?", fragt Louis Klamroth seine Gäste.

Das Bundesverfassungsgericht kippt den Nachtragshaushalt der Bundesregierung und plötzlich klafft eine Lücke von 60 Milliarden Euro im Etat. Wie damit umgehen? Innerhalb der Bundesregierung gehen die Vorstellungen weit auseinander, das wird bei "Hart aber fair" deutlich.

Das Haushaltschaos ist perfekt. Am vergangenen Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 für nichtig erklärt. Darin hatte die Bundesregierung einen 60 Milliarden Euro schweren Schattenhaushalt, der eigentlich für Corona-Hilfen verwendet werden sollte, in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgeschichtet. Mit dem Geld sollte der Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität unterstützt werden.

"Das Urteil ist sehr tiefgreifend", stellt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bei "Hart aber fair" in der ARD fest, wo es um die Konsequenzen für den Bundeshaushalt geht. "Wir haben da einen Fehler gemacht", räumt Kühnert ein. Man sei einer rechtlichen Fehleinschätzung unterlegen. Auch die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagt: "Juristisch ist klar: Wir haben es falsch eingeschätzt, und wir ärgern uns alle darüber, dass diese falsche Einschätzung so gelaufen ist." Die Unternehmen seien durch zwei schwere Krisen gegangen. Die Regierung habe sie unterstützen und zugleich dafür sorgen wollen, dass sich die Wirtschaft für die Zukunft aufstellen könne. Das müsse auch der Anspruch bleiben, so Dröge: "Sonst werden viele Menschen in diesem Land sich Sorgen machen um ihre Arbeitsplätze. Wir wollen ihnen die Sicherheit geben, dass es weitergeht in diesem Land."

Es sei "das maximal strengste Urteil, das da gefällt werden konnte", sagt auch der Ökonom Jens Südekum, der zum Beraterstab von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gehört. Darüber sei er überrascht gewesen, gibt er zu. Das Urteil "wird die Finanzpolitik in Zukunft gerade in Krisenzeiten nicht einfacher machen".

Das Urteil zeige, dass die Politik in Zukunft mit dem durch Steuern eingenommenen Geld diszipliniert umgehen müsse, befindet die CDU-Politikerin Serap Güler. "Wir müssen über Prioritäten sprechen", fordert Linda Teuteberg von der FDP. Die ehemalige Generalsekretärin der Liberalen ist sicher: Das Karlsruher Urteil stärkt die Schuldenbremse.

Was die Parteien wollen

Zunächst einmal stärkt es allerdings die Konflikte innerhalb der Ampelkoalition. Die Schuldenbremse war 2009 von der damaligen Großen Koalition beschlossen worden, also von Union und SPD. Die Grünen stehen ihr bis heute skeptisch gegenüber. Jetzt gehe es darum, die beschlossenen Wirtschaftsprojekte fortzusetzen, sagt Katharina Dröge. Das sei wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Allerdings sieht die Grünen-Fraktionschefin auch Sparpotential: "Wir werben für den Abbau umweltschädlicher Subventionen, das sind 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt." Gleichzeitig kann sie sich ein weiteres Sondervermögen vorstellen, das die Wirtschaft bei ihrem ökologischen Umbau unterstützt. Kein Sparpotential sieht sie bei sozialen Projekten wie dem Bürgergeld oder der Kindergrundsicherung. "Ein Land, das so reich ist wie unseres, sollte sich nach meiner Ansicht Kinderarmut nicht leisten."

Das sieht CDU-Politikerin Serap Güler völlig anders. Sie ist gegen die Bürgergelderhöhung zum 1. Januar und gegen die Kindergrundsicherung, so wie sie im Januar starten soll. Würde man beides aussetzen, könne man schon einmal sieben Milliarden Euro sparen. "Wir haben das Bildungs- und Teilhabepaket, das auch dazu beitragen soll, gegen Kinderarmut vorzugehen. Dieses Paket wird jedes Jahr nicht gänzlich abgerufen", so Güler. "Diese Kindergrundsicherung bedeutet im Moment nichts anderes, als dass es mehr Bürokratie gibt." Auch sie kann sich aber einen Fond zur Wirtschaftsförderung vorstellen.

Für Linda Teuteberg geht es vor allem ums Sparen. "Da müssen wir in allen Punkten schauen. Da wird nichts ausgeschlossen." Ähnlich wie Katharina Dröge spricht sie sich für Einsparungen aus, möchte aber den Sozialhaushalt dabei nicht ausschließen. Dazu gehört für sie das Bürgergeld: "Wir müssen sehr wohl infrage stellen, dass das Bürgergeld stärker steigt als die Einkommen von arbeitenden Menschen." Gleichzeitig fordert Teuteberg mehr Arbeitsanreize für Bürgergeldempfänger.

Kevin Kühnert möchte möglichst wenig im Sozialbereich sparen und gibt zu bedenken: "Natürlich kann man irgendwie 60 Milliarden Euro zusammenkleckern, wenn man jetzt mit dem ganz dicken Rotstift überall durchgeht. Der Preis dafür ist, (...) dass uns diese Gesellschaft auseinanderfliegt." Er und seine SPD-Kollegen würden dafür nicht die Hand heben. Kühnert fordert eine Reform der Schuldenbremse.

Das schlägt auch Jens Südekum vor, der sich sogar deren erneute krisenbedingte Aussetzung vorstellen kann. Er schlägt vor, die Schuldenbremse solle nur noch für konsumtive Staatsausgaben gelten, also solche Ausgaben, die aktuell gemacht werden müssen - wie das Bürgergeld oder Renten. Dagegen sollen in die Zukunft gerichtete Investitionen durch Kredite finanziert werden dürfen.

Inzwischen hat das Finanzministerium auf das Gerichtsurteil aus Karlsruhe reagiert. Eine halbe Stunde nach der Sendung wurde bekannt, dass es eine vorläufige Haushaltssperre verhängt hat.

Quelle: ntv.de

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