Politik

Joe Chialo ist Kandidat der CDU "Das wird mit Sicherheit wehtun"

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Chialo lebt mit Frau und Tochter in Berlin.

Ein 49-jähriger Katholik aus der Schlagerbranche will für die CDU in den Bundestag? Klingt nicht außergewöhnlich. Ein schwarzer Musikmanager aus Berlin-Mitte kandidiert für die CDU: Das wirft Fragen auf. Joe Chialo beantwortet sie gerne - in der Hoffnung, ihnen irgendwann zu entkommen.

Es mag unsensibel sein, den ersten Eindruck von Joe Chialo auf sein Aussehen zu reduzieren. Aber für einen designierten CDU-Bundestagskandidaten von 49 Jahren ist der Unternehmer mit tansanischen Eltern auffallend attraktiv. Nicht viele Männer seines Alters können trotz breiter Schultern taillierte Sakkos tragen. Das freundliche Gesicht über dem erkennbar durchtrainierten Körper ist Teil einer einnehmenden Persönlichkeit, die den Berliner Musikmanager zu einer spannenden Personalie im kommenden Bundestagswahlkampf macht. Dennoch hätte von dem politischen Quereinsteiger kaum jemand Notiz genommen, wäre Chialo eben nicht auch das, womit er weder in seinem Wohnort noch in seiner Branche auffällt: schwarz.

Chialos Unternehmen, das Musikmanagement airforce1, hat seinen Sitz im schicken Teil von Berlin-Mitte, an der Grenze zum szenigen Prenzlauer-Berg. Hier liegt die Geburtsstätte des Berliner Techno. Aus vorbeifahrenden Autos pumpt der harte Sound des Berliner Straßenrap. Chialo aber vertreibt nicht den coolen Sound der Hauptstadt. Seine Künstler heißen Santiano, Ben Zucker, The Kelly Family oder Die Priester. Chialo macht in Deutsch-Pop und Schlager, und das sehr erfolgreich. "Sie haben offenbar ein gutes Gespür für den deutschen Massengeschmack, Herr Chialo?" Blöde Frage, freundlicher Konter: "Ich bin ja auch Deutscher."

Hardcore-Musiker und Grünen-Mitglied

Chialo wächst in einem deutschen Ordensinternat auf, nachdem seine im diplomatischen Dienst tätigen Eltern Bonn verlassen und immer weiter ins nächste Land umziehen müssen. "Na, super!", sei es im Internat gewesen, sagt Chialo. Noch heute pflege er Freundschaften aus jener Zeit. Die schlimmen Dinge, die es auch in kirchlichen Schutzräumen gegeben hat, wolle er nicht kleinreden, habe so etwas aber nie selbst erfahren müssen. Im Internat kann Chialo sein musikalisches Interesse ausleben, spielt Posaune und singt. Als junger Mann singt - oder grölt - er in einer Hardcore-Band, die es immerhin zu Plattenvertrag und Festival-Auftritten bringt.

Nebenher engagiert sich der gelernte Zerspanungsmechaniker politisch. "Ich war Mitglied bei IG Metall und aktiv bei den Grünen", sagt Chialo. Was ihn in der Partei aber gestört habe, "waren die Entscheidungsprozesse, weil alles ewig und drei Tage ideologisch durchdiskutiert wurde". Als auf dem Grünen-Parteitag der damalige Außenminister Joschka Fischer wegen seines Plädoyers für ein militärisches Eingriffen im Kosovo einen Farbbeutel aufs Ohr bekam, habe er "keinen Bock" mehr gehabt, sagt Chialo. "Das war die Partei des Pazifismus, aber wenn man dann aus guten Gründen von der Ideologie abweicht, wird es gleich gewalttätig. Das fand ich so verlogen."

Chialo konzentriert sich nach seinem Studium und dem Ende der Band auf eine Karriere hinter den Kulissen des Musikgeschäfts. Er macht im Radiovertrieb in Deutschland Britney Spears und Backstreet Boys groß, lebt in Köln, Amsterdam und Berlin. Er betreut Deutschlands erste TV-Castingband, die No Angels. Schließlich macht sich Chialo in München selbstständig als Künstleragent. "Dann kam Santiano, das war der erste ganz große Wurf."

Von Rock zu Schlager

Die Band aus dem hohen Norden kombiniert Seemannslieder mit Rock- und Folk-Elementen und fehlt in kaum einer großen Schlagershow. "Die erfolgreichsten Künstler bringen immer was von außen mit rein", sagt Chialo. Er mag das aber nicht auf sich selbst anwenden. Dass er selbst "von außen" sein könnte, nehmen höchstens andere so wahr. Im Rock anfangen und im Schlager enden? "Musikalisch wie politisch", sagt Chialo lachend. Sein Werdegang vom jungen Linken zum Unternehmer mit CDU-Parteiausweis ist mustergültig. Die Bandkollegen von früher "fremdeln mit dem, was ich hier mache".

Dass er nun auch noch Politiker werden will, habe mit der Geburt seines Kindes zu tun, sagt Chialo. "Wenn ich meine Tochter anschaue, frage ich mich, was kann ich noch machen, um ihr zu zeigen, dass es im Leben größere Dinge gibt, als dafür zu sorgen, dass man die geilsten Sneaker hat." Er will nun seine Kompetenzen in der Kultur- und Kreativwirtschaft einbringen, um diesen gerade für Berlin so wichtigen Wirtschaftszweig weiter nach vorn zu bringen. Chialo sagt, er wolle Politik von den Bedürfnissen der Familien her denken. Zudem wirbt er für einen "wirtschaftlichen Dialog auf Augenhöhe mit dem globalen Süden". Das biete Chancen für beide Seiten und senke den Migrationsdruck. In seinem Erstberuf ist er dabei, zusammen mit dem Label Universal afrikanische Musiker für den europäischen Markt aufbauen.

"In der CDU ist richtig Musik drin"

Aber warum kandidiert Chialo für die CDU? Mit der Partei verbinde ihn der Pragmatismus, das "Maß und Mitte halten" sowie sein christlicher Glauben, sagt er. Dass rassistische Positionen wie die "Kinder statt Inder"-Kampagne vor nicht allzu langer Zeit noch Platz hatten in der CDU, beirrt ihn nicht. "Die CDU ist eine Volkspartei und da ist richtig Musik drin", sagt Chialo. Extreme Ansichten seien bei den Christdemokraten nur Ausschläge, bevor sich schließlich die Vernunft durchsetze.

"Wenn genug Menschen zusammen sind, wird man immer ein paar Leute finden, die absolut ekelhafte Dinge denken oder tun", sagt Chialo, "Aber das auf die ganze Gruppe anzuwenden, lehne ich ab." Er meint damit seine Partei genauso wie seine Kirche oder die Polizei. Ja, er habe es erlebt, dass er nur wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde, sagt er. "Aber ich käme niemals auf die Idee, die ganze Polizei zu dämonisieren, weil ich noch viel mehr gute Erfahrungen mit Polizisten gesammelt habe."

"Das wird mit Sicherheit wehtun"

Chialo lenkt nicht ab, als das Gespräch weg von seiner politischen Agenda zum Thema Rassismus kommt. Er kennt das schon. "Bei allen Problemen, die wir in Deutschland mit Rassismus haben, ist Deutschland für mich kein rassistisches Land", sagt Chialo. Dennoch macht er sich als womöglich dritter afrodeutscher Bundestagsabgeordneter nach dem Christdemokraten Charles M. Huber und dem SPD-Politiker Karamba Diaby gefasst auf Hass und Ablehnung. "Das wird mit Sicherheit wehtun, da mache ich mir nichts vor", sagt Chialo. Aber auch weibliche oder schwule Politiker würden in Deutschland diskriminiert. Und: "Ich weiß die Mehrheitsgesellschaft hinter mir."

Die Mehrheit seines Ortsverbandes bekam Chialo indes nicht, als es um die Kandidatur für den Wahlkreis Berlin-Mitte ging. Deshalb weicht er nach Spandau aus, wo ihm der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl, Kai Wegner, seinen Wahlkreis angetragen hat. In Spandau ging die Direktkandidatur 2017 knapp an die SPD. Chialo kauft sich dort jetzt eine Wohnung und will am Stadtrand mit seinen Themen punkten.

Die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gehört eher nicht zu seinen Hauptanliegen. Nachvollziehbar: Dies von einem schwarzen Deutschen einzufordern, hat selbst schon eine rassistische Note. Doch Chialo wird dem Thema nicht entkommen können. "Ich komme aus der Unterhaltungsindustrie: Ich weiß, dass die Bilder in den Köpfen der Menschen sind, wie sie sind. Die Unbelehrbaren zu belehren, würde mich nur aufhalten", sagt er. "Ich konzentriere mich auf die Inhalte, die ich anzubieten habe." Da habe er vielleicht ein ganz dickes Brett zu bohren. "Aber schreckt mich das ab? Nein."

Quelle: ntv.de

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