Für eine effektive Flüchtlingshilfe De Maizière will das Grundgesetz ändern
02.09.2015, 16:22 Uhr
Eine Welle der Solidarität erfasst Tausende Flüchtlinge, die mit Zügen aus Budapest am Hauptbahnhof München ankamen.
(Foto: imago/Michael Westermann)
Innenminister de Maiziere will das Grundgesetz ändern, um die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge bewältigen zu können. "Wir werden uns überall auf Veränderungen einstellen müssen: Schule, Polizei, Wohnungsbau, Gerichte, Gesundheitswesen, überall."
Bundesinnenminister Thomas de Maizière will notfalls mit einer Verfassungsreform auf die Flüchtlingskrise reagieren. Eine Grundgesetzänderung könnte die Finanzierungswege zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu ordnen und dadurch die Hilfen für die Flüchtlinge in Deutschland erleichtern, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Am grundgesetzlich festgeschriebenen Recht auf Asyl will die Bundesregierung aber nicht rütteln.
De Maizière bezog sich auf Überlegungen aus der Unionsfraktion, dass der Bund den Kommunen direkte Finanzhilfen für die Flüchtlinge zukommen lassen soll. Dies lässt das Grundgesetz nicht zu: Bislang kann der Bund nur den Ländern Geld überweisen. In der Union gibt es Vorwürfe, dass die Länder dies nicht immer an die Kommunen weiterleiten. Eine Grundgesetzänderung könnte "andere Finanzierungswege" öffnen, sagte de Maizière.
Für die Änderung des Grundgesetzes gelten hohe parlamentarische Hürden: Sie erfordert Zweidrittel-Mehrheiten jeweils im Bundestag und im Bundesrat. Im Bundestag verfügt die Große Koalition über eine entsprechende Mehrheit, nicht aber im Bundesrat.
Asylrecht bleibt unangetastet
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, das grundgesetzlich festgeschriebene Asylrecht bleibe unangetastet. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ein "klares Bekenntnis zum Asylrecht, wie es unser Grundgesetz vorsieht, abgelegt", sagte Seibert. Die Grundgesetzregelung zum Asylrecht sei "ein Leitstern, dem wir folgen".
Ob das Grundgesetz als Reaktion auf die Flüchtlingskrise möglicherweise an anderen Stellen geändert werden müsse, sei derzeit noch nicht entschieden, sagte Seibert. "Wir arbeiten an einem umfassenden Gesetzespaket." Nach dem für 24. September geplanten Flüchtlingsgipfel solle dieses dann "schnell" im Parlament umgesetzt werden.
Veränderungen gibt es überall
Der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte de Maizière: "Wir werden uns überall auf Veränderungen einstellen müssen: Schule, Polizei, Wohnungsbau, Gerichte, Gesundheitswesen, überall." Dies alles müsse "sehr schnell gehen", am besten binnen Wochen. "Für einen Teil unserer verkrusteten gesellschaftlichen Abläufe könnte das einen enormen Aufbruch bedeuten."
Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) forderte den Bund auf, mehr als die Hälfte der Kosten für die Erstversorgung von Flüchtlingen übernehmen, die bislang die Kommunen zahlen. Die monatlichen Kosten pro Flüchtling in einer Erstaufnahme in seinem Land veranschlagte Woidke gegenüber der "Rheinischen Post" auf 1200 Euro. "Das sollte auch die Grundlage für die Berechnung sein, was der Bund künftig pauschal pro Flüchtling den Kommunen überweisen sollte."
Zugleich sagte de Maiziere rechten Straftätern einen entschlossenen Kampf an. Angesichts der Steigerung von Anschlägen gegen Asylbewerber und Unterkünfte von Flüchtlingen sagte er: "Das sind Straftaten, denen muss man hart begegnen." Er sehe angesichts der angespannten Personallage der Polizei bei Bund und Ländern keinen Notstand. Allerdings müssten mehr Polizisten eingestellt werden.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa