
Mit dem Belavia-Bann sanktioniert die EU in erster Linie die Zivilbevölkerung von Belarus.
(Foto: picture alliance / Wolfgang Minich)
Um den oppositionellen Journalisten Protassewitsch zu fassen, lässt der belarussische Machthaber Lukaschenko eine Ryanair-Maschine kapern. Als Reaktion darauf verhängt die EU harte Sanktionen. Sie sind richtig und überfällig. Bis auf eine.
Nach der Entführung einer Ryanair-Maschine in Belarus und der Festnahme des oppositionellen Journalisten Roman Protassewitsch hat die Europäische Union harte Sanktionen gegen das Regime des Machthabers Alexander Lukaschenko verhängt. Dass diese längst überfällig sind, ist klar. Fragwürdig ist aber die Art und Weise, wie das osteuropäische Land bestraft wird.
So soll unter anderem die staatliche Fluggesellschaft Belavia künftig nicht mehr in die EU-Länder fliegen dürfen. Lukaschenko müsse "ab sofort als Krimineller behandelt werden", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff dem Redaktionsnetzwerk Deutschland noch vor dem EU-Gipfel, auf dem das Landeverbot beschlossen wurde." In Frankfurt und München dürfen keine Maschinen des Diktators mehr landen, genauso wenig wie in anderen EU-Ländern."
Das Problem ist aber, dass diese Maschinen - auch wenn sie dem Diktator gehören - Menschen befördern, die ohnehin schon unter Lukaschenkos Diktatur leiden. Ausgerechnet die Menschen, die im Sommer und im Herbst zu Hunderttausenden gegen Lukaschenko auf die Straßen gingen, und dabei für den demokratischen Wandel ihre Freiheit oder gar ihr Leben riskierten. Viele dieser Menschen haben Verwandte und Freunde in der EU, manche studieren und arbeiten hier. Für diese Menschen sind Belavia-Flüge die letzte Möglichkeit, das Land noch zu verlassen.
Landgrenzen sind seit Monaten dicht
Denn im Dezember ließ Lukaschenko alle Grenzübergänge - bis auf den im Flughafen Minsk und die an der russischen Grenze - schließen. Angeblich wegen der erhöhten Infektionsgefahr in den EU-Ländern und der Ukraine. Die Frage, warum dann die Grenze zu Russland offen blieb, obwohl die dritte Welle den östlichen Nachbarn doch extrem schwer getroffen hatte, blieb unbeantwortet. Zudem traf Belarus keinerlei weitere Corona-Maßnahmen. Es wäre also naiv zu glauben, dass die Reisebeschränkungen nach der Pandemie in absehbarer Zeit aufgehoben werden.
Der einzige Weg gen Westen führt über den Flughafen Minsk, in allermeisten Fällen mit einem Belavia-Flieger. Denn Fluggesellschaften, die Belarus anfliegen, gibt es ja nicht viele. Nach dem Landeverbot für Belavia wird Lukaschenkos Antwort nicht auf sich warten lassen: Der Diktator wird diesen wenigen Airlines in Belarus schlicht die Landerechte entziehen. Höchstwahrscheinlich werden sie aber auch freiwillig den Luftraum über Belarus meiden - so wie die Lufthansa es bereits tut. Der Bann trifft also genau die Falschen - nämlich die Zivilgesellschaft des Landes.
Mit dem Belavia-Landeverbot schließt die EU für die Menschen in Belarus den letzten möglichen Weg nach Europa. Indem man die Verbindung kappt, stürzt man die Bevölkerung dort in komplette Isolierung und lässt sie im Kampf gegen die Diktatur auf sich allein gestellt. Und das hat sie nicht verdient.
Quelle: ntv.de