Sorge nach IPCC-Bericht wächst "Der Planet schwebt in Lebensgefahr"
09.08.2021, 16:26 Uhr
In seinem neusten Bericht warnt der UN-Weltklimarat vor den verheerenden Folgen des Klimawandels. Aktivisten und Politiker sind alarmiert und rufen zum schnellen Handeln auf. Denn derzeit sieht die Zukunft der Erde düster aus.
Nach der Veröffentlichung des Berichts des Weltklimarats IPCC haben Umweltschutzorganisationen, Klimaaktivistinnen sowie Politikerinnen und Politiker zum sofortigen Handeln aufgerufen. "Jede Regierung, auch die kommende deutsche Bundesregierung, muss den Verbrauch fossiler Energien so schnell wie möglich stoppen und Wälder, Moore und Ozeane als natürliche CO2-Senken schützen", sagte der Greenpeace-Klimaexperte Christoph Thies.
Nicht nur die Hochwasserkatastrophe und die "Dürre in den vergangenen Jahren" zeigten, dass der Klimawandel Realität sei, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze "Der Planet schwebt in Lebensgefahr." Der Klimawandel sei kein Zukunftsszenario, sondern Realität, mahnte die SPD-Politikerin. Man könne sich nur bestmöglich vorbereiten.
Der Klimagipfel sei daher der entscheidende Moment, in dem die Weltgemeinschaft liefern müsse, forderte Schulze. "Wir brauchen von möglichst vielen weiteren Staaten ambitionierte Klimaziele und bei den offenen Verhandlungspunkten absoluten Einigungswillen". Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz habe Deutschland einen wichtigen Beitrag geleistet. Deutschland wolle bis 2045 schon praktisch kein CO2 mehr ausstoßen. Dafür werde Deutschland nochmals spürbarer in Wissenschaft und Forschung investieren, sagte Forschungsministerin Anja Karliczek. "Deutschland soll das Zentrum für die Entwicklung von klimafreundlichen Technologien werden."
Bislang würden sich Regierungen und Konzerne beim Klimaschutz allerdings im "Schneckentempo" bewegen, sagte Greenpeace-Vertreter Thies. Deutschland habe beim Klimaschutz versagt, kritisierte der World Wide Fund For Nature (WWF). Die neue Bundesregierung müsse deshalb unter anderem einem massiven Ausbau der Wind- und Solarenergie vorantreiben.
Hat Deutschland beim Klimaschutz versagt?
Die Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow forderte eine "radikale Klimapolitik". "Nur wenn wir jetzt handeln, bleibt das Ausmaß des Klimawandels mit seinen Folgen realistischerweise beherrschbar", sagte sie der "Welt". Radikale Klimapolitik erfordere einen umfassenden Umbau der Produktion und der Energieerzeugung sowie flankierende Maßnahmen, die die Menschen dabei sicher mitnehmen, führte Hennig-Wellsow aus. "Die Finanzierung des Umbaus muss von den Starken geschultert werden. Realistische Klimapolitik muss sozial gerecht sein."
Ein "hohes Tempo" beim Klimaschutz fordert die Klima-Allianz Deutschland von der kommenden Bundesregierung. Der neue Bericht des Weltklimarats führe schonungslos vor Augen, dass sich die Klimakrise immer schneller verschärfe, erklärte der stellvertretende Geschäftsführer der Klima-Allianz, Malte Hentschke-Kemper. "Die Klimakrise ist bereits da und fordert dringend entschiedenes politisches Handeln."
Um den globalen Temperaturanstieg zu bremsen, müssten in allen Sektoren massiv die Emissionen sinken. "Jedes Zehntelgrad verhinderte Erderhitzung zählt. Um dies zu erreichen, brauchen wir mehr Kompetenz beim Klimaschutz", so Hentschke-Kemper. Die technischen und ökonomischen Möglichkeiten für wirksame Maßnahmen seien vorhanden, es fehle der politische Wille, sie umzusetzen.
Regierungen müssten mit dem verantwortungslosen Befeuern der Klimakrise aufhören, und schnell und radikal das fossile Zeitalter beenden, sagte die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer. "Das wird nur passieren, wenn Menschen überall Druck aufbauen", sagte Neubauer. "Wir müssen jetzt mutig sein, die Welt steht auf der Kippe."
Die führende Klimaaktivistin Greta Thunberg ist von den im neuen Bericht des Weltklimarats formulierten Erkenntnissen nicht überrascht. "Der neue IPCC-Bericht enthält keine wirklichen Überraschungen. Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen - dass wir uns in einem Notfall befinden", schrieb die Schwedin auf Twitter und Instagram. Es handele sich um eine solide, aber vorsichtige Zusammenfassung des derzeitigen Wissensstands.
"Weckruf für die Welt"
Auch die EU zeigte sich besorgt angesichts der düsteren Prognosen der UN-Klimaexperten. Der Bericht zeige "die extreme Dringlichkeit, jetzt zu handeln, um die Klimakrise zu bewältigen", schrieb EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans auf Twitter. Es sei "nicht zu spät", einen unkontrollierbaren Klimawandel zu verhindern, "aber nur, wenn wir jetzt entschlossen und alle zusammen handeln".
Als Gastgeber der nächsten Klimakonferenz rief Großbritannien ebenfalls zum sofortigen Handeln auf. Er hoffe, dass "der heutige IPCC-Bericht ein Weckruf für die Welt sein wird, jetzt zu handeln, bevor wir uns im November in Glasgow zum entscheidenden COP26-Gipfel treffen werden", erklärte der britische Premierminister Boris Johnson.
Es sei klar, "dass die nächste Dekade entscheidend für die Sicherung der Zukunft unseres Planeten sein wird", mahnte Johnson. Dass die Erde sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen werde und damit früher als bislang prognostiziert, sei eine "harte Warnung von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, dass das menschliche Handeln den Planeten in einer alarmierenden Geschwindigkeit beschädigt", fügte der britische Premier hinzu.
Der IPCC hatte in seinem Bericht ein rasches und umfassendes Handeln als nötig bezeichnet, um den Klimawandel noch einigermaßen beherrschbar zu halten. Der Bericht fasst rund 14.000 Studien aus den vergangenen Jahren zusammen. Er soll der Politik auch als Leitlinie dienen, wenn die rund 200 Staaten im November zur Weltklimakonferenz in Glasgow zusammenkommen. Wie im Pariser Klimavertrag von 2015 vereinbart, müssen die Staaten dann ehrgeizigere, verbindliche Klimaziele beschließen.
Quelle: ntv.de, hny/dpa/AFP