Deutliche Schwachstellen Deutscher General kritisiert afghanische Armee
26.08.2021, 10:44 Uhr
Man habe wohl überschätzt, inwieweit die Soldaten bereit seien, für einen Staat zu kämpfen, der mit internationaler Unterstützung entstanden sei, erklärt Generalleutnant Mais.
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Korruption, Vetternwirtschaft und schlechte Behandlung der Soldaten: Diese Faktoren haben laut Bundeswehrgeneral Alfons Mais maßgeblich dazu beigetragen, dass die afghanische Armee dem Vormarsch der zahlenmäßig unterlegenen Taliban nicht standhalten konnte. Aber auch der Kampfeswille sei falsch eingeschätzt worden.
Der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hat Korruption, Vetternwirtschaft und Führungsversagen in der afghanischen Armee für den Vormarsch der militant-islamistischen Taliban in dem Land mitverantwortlich gemacht. "Das ist ja eine Berufsarmee gewesen. Das waren keine Wehrpflichtigen, die sofort die Waffen fallen lassen, weil sie zum Dienst gezwungen worden wären", sagte Mais der "Rhein-Zeitung".
Man habe wohl überschätzt, inwieweit die Soldaten bereit seien, für einen Staat zu kämpfen, der mit internationaler Unterstützung entstanden sei. "Ich denke, das Scheitern hat auch viel mit Korruption zu tun, mit Vetternwirtschaft und schlechter Behandlung der Soldaten", führte Mais aus. "Und das Führungskorps ist auch nicht immer nach Leistung ausgewählt worden, sondern über einen Schlüssel nach Ethnien."
Monatelang sprachen Vertreter des Pentagon von der zahlenmäßigen Überlegenheit der afghanischen Armee gegenüber den Taliban: Angeblich 300.000 Angehörige in Armee und Polizei, während für die Taliban 70.000 angegeben wurden. Nach Angaben der Tagesschau wurde diese offizielle Zahl der afghanischen Streitkräfte nie erreicht. Der Grund: Für viele Posten seien nicht genug Rekruten gefunden worden oder Soldaten hätten Fahnenflucht begangen.
Größe eines Heeres ist nicht alles
Trotzdem lag nach Mais Annahme das Verhältnis zwischen Armee und Taliban bei drei gegen eins für das afghanische Heer. Ausrüstung und Stärke seien aber nicht die einzigen essenziellen Faktoren. "Wichtig sind auch Motivation, Ausbildung und Führung. Und da haben die Taliban offenbar einen höheren Gefechtswert (Redaktion: Effektivität einer militärischen Einheit) entwickelt", führte er in der "Rhein-Zeitung" weiter aus. Die nun eroberten Handfeuerwaffen, Nachtsichtgeräte und Fahrzeuge würden der Terrormiliz obendrein eine noch höhere Beweglichkeit geben, da sie zuvor auf Mofas und zivile Autos zurückgreifen mussten.
Die Taliban hatten Afghanistan Mitte August in wenigen Tagen und ohne größere Gegenwehr der Streitkräfte erobert.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa