Angebliche Armut und Wohnungsnot Deutschland reagiert deutlich auf Kritik vom Europarat
20.03.2024, 13:34 Uhr Artikel anhören
Die Bundesregierung hat vor der Veröffentlichung die Gelegenheit bekommen, den Bericht aus Straßburg zu kommentieren.
(Foto: IMAGO/IPON)
Nach dem Besuch einer Menschenrechtskommissarin kritisiert der Europarat die deutsche Sozialpolitik. Aus Berlin heißt es, der Bericht leiste "einen wichtigen Beitrag". Die zuständigen Ministerien lassen die aus ihrer Sicht nicht immer ganz zutreffenden Ausführungen jedoch nicht unkommentiert.
Bekämpfung von Armut, Wohnungsnot und Ausgrenzung - der von der EU unabhängige Europarat hat Deutschland in einem Bericht von Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović in manchen Bereichen deutlich angezählt. Das hohe Maß an Armut und sozialer Benachteiligung in Deutschland stehe in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes, heißt es. Die Bundesregierung ergänzt und kommentiert die Ausführungen des Europarats. Dabei widerspricht sie manchen Beanstandungen - es gibt aber auch Zustimmung.
So ist in dem Bericht aus Straßburg von der "Besorgnis über die zunehmende Wohnungslosigkeit in Deutschland" die Rede. Das Recht auf Wohnen als Menschenrecht für alle werde leider nur begrenzt anerkannt. Deutschland müsse "alle zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, einschließlich Eingriffen in den Wohnungsmarkt und Änderungen des Mietrechts".
Aus Berlin wird dazu mitgeteilt: "Die Bundesregierung teilt die Sorgen der Kommissarin hinsichtlich der steigenden Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland. Um dem zu begegnen, hat die Bundesregierung erstmals beschlossen, einen Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungslosigkeit zu verabschieden." Konkreterer wird es allerdings nicht. Es heißt lediglich, man werde unter Einbeziehung der Wohnungswirtschaft und der Zivilgesellschaft "Empfehlungen zur ordnungsrechtlichen Unterbringung wohnungsloser Menschen erarbeiten".
Bundesregierung: "Altersarmut nicht weitverbreitet"
In dem Bericht des Europarats wird zudem angeprangert, Armut in Deutschland sei "vor allem für Kinder, Senioren und Menschen mit Behinderungen ein großes Problem". In Bezug auf die älteren Generationen antwortet die Bundesregierung, dass "Altersarmut nicht weitverbreitet" sei. "Personen, die von Altersarmut betroffen sind, werden über die Grundsicherung abgesichert." Am Jahresende 2022 habe der Anteil der Empfänger ab der Regelaltersgrenze bei 3,7 Prozent gelegen.
"Im Vergleich mit der jüngeren Bevölkerung sind ältere Menschen deutlich weniger oft bedürftig", heißt es zudem aus Berlin. Man habe in den vergangenen Jahren wichtige Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg gebracht, "die für viele Personen zu höheren Rentenansprüchen führen und somit einen Beitrag zur Reduzierung des Risikos von Altersarmut leisten".
Kürzlich wurde bekannt, dass die Renten zum 1. Juli um 4,57 Prozent steigen werden. Wie das Bundessozialministerium mitteilt, liegt die Rentenanpassung damit "im dritten Jahr in Folge oberhalb von vier Prozent".
Ein deutlich negativeres Bild als die Bundesregierung zeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband. Ihm zufolge ist die Altersarmut zuletzt wieder gestiegen. Mehr als jeder fünfte ältere Mensch sei hierzulande von Armut betroffen.
Armutsgefährdungsquote bei Kindern bei 15 Prozent
In Bezug auf Kinderarmut verweist die Bundesregierung als Reaktion auf den Bericht aus Straßburg auf den Wert aus einer EU-Erhebung aus 2022. Die Armutsgefährdungsquote betrage 15 Prozent - und nicht 24 Prozent, wie vom Europarat angegeben. "Damit liegt Deutschland im oberen Drittel der EU-Länder, was die Prävalenz von Kinderarmut betrifft."
Die Bundesregierung sehe verschiedene Instrumente zur Bekämpfung von Kinderarmut als notwendig an und verweist auch hier, wie bei der Wohnungslosigkeit, auf einen Nationalen Aktionsplan. Durch diesen würden "anhand von 350 bestehenden und geplanten Maßnahmen Zugänge zu hochwertiger frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung, Bildungsangeboten und schulbezogenen Aktivitäten, einer hochwertigen Gesundheitsversorgung, ausreichender und gesunder Ernährung sowie angemessenem Wohnraum gewährleistet".
Quelle: ntv.de, rog