Expertin zu Transnistrien "Die Bitte um Schutz Russlands ist nichts Neues"
28.02.2024, 17:49 Uhr Artikel anhören
Im Januar gab es Proteste gegen die neuen Steuern, die die Regierung Moldaus in Transnistrien erließ.
(Foto: IMAGO/SNA)
Was hat Russland in Transnistrien vor? Die Region, die eigentlich zur Republik Moldau gehört, bittet nun offiziell um Schutz Moskaus. Steht eine Invasion der Kreml-Truppen bevor? Brigitta Triebel, die in Moldau das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung leitet, geht nicht davon aus. Demnach ist es für Alarmismus zu früh.
ntv.de: Frau Triebel, die separatistische Führung Transnistriens hat Russland nach einem Kongress um Schutz gebeten, russische Medien greifen das auf. Das weckt Befürchtungen. Wiederholt sich hier das, was wir aus der Ukraine kennen? Droht eine russische Invasion?

Brigitta Triebel leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kischinau, der Hauptstadt der Republik Moldau.
(Foto: privat)
Brigitta Triebel: Zunächst einmal ist es nichts Neues, dass die Führung in Transnistrien Russland um Schutz bittet. Das haben sie mehrfach zuvor getan und das Abschlusskommuniqué des Sonderkongresses der Separatisten hat keine neue Qualität. Ich sehe nicht, dass Russland derzeit zu einer Invasion in der Lage wäre. Transnistrien liegt westlich der Ukraine. Würden sie per Flugzeug Truppen dorthin schicken, könnte dieses abgeschossen werden. Transnistrien hat außerdem keine Küste am Schwarzen Meer. Durch Rumänien könnten sie auch nicht, denn das müssten sie ja durch NATO-Gebiet. Das ist ausgeschlossen. Um nach Transnistrien vorzustoßen, müssten die Russen zunächst die gesamte Schwarzmeerküste kontrollieren.
Was ist denn nun genau passiert? Was sagen die Separatisten?
Deren Führung hat um Schutz Russlands gebeten, weil sie sich von der Regierung Moldaus bedroht fühlen. Sie haben aber nicht um Aufnahme in die Russische Föderation gebeten. Das ist also keine neue Dimension. Das erinnert zwar alles etwas an die Lage vor zwei Jahren im Osten der Ukraine. Auch in Transnistrien haben die Russen Pässe großzügig ausgegeben und eine Scheinrepublik errichtet. Sie haben aber diese bislang nicht offiziell anerkannt. Dass dieser Konflikt nun aber wieder Thema wird, ist ein schlechtes Zeichen. In den vergangenen Jahren war es eher ruhig. Die spannende Frage ist nun, was die Russen daraus machen.
Inwiefern?
An diesem Donnerstag hält Wladimir Putin eine Rede zur Lage der Nation. Die große Frage ist, ob er das aufgreift. Es lohnt sich dann genau hinzuhören.
Warum fühlt sich Transnistrien von Moldau bedroht?
Transnistrien ist ja offiziell ein Teil der Republik Moldau, widersetzt sich aber mit Hilfe Russlands dem Zugriff der staatlichen Behörden. Die pro-westliche Regierung in Kischinau versucht mittlerweile, das zu ändern. Präsidentin Maia Sandu geht gegen die Korruption dort vor und versucht nun erstmals Steuern einzutreiben. Das gefällt den lokalen Eliten weniger. Die sind sowieso in einer schwierigen Lage.
Was sind das für Leute?
Kurz gesagt sind das kriminelle Oligarchen. Lange wurde Transnistrien "das schwarze Loch Europas" genannt, weil dort das organisierte Verbrechen blühte. Die Ukraine hat aber die Grenze schon seit einigen Jahren geschlossen. Seit der russischen Invasion vor zwei Jahren wird die Lage für die Elite immer schwieriger, weil es Russland schwerer fällt, seine Hilfe aufrecht zu erhalten.
In Transnistrien gibt es ja auch 1500 russische Soldaten. Haben die eine militärische Bedeutung?
Nur als Schutzmacht für das Regime dort. Es gibt nun zwar auch in Moldau Befürchtungen, doch geht von dieser Truppe keine erhöhte Gefahr aus. Es handelt sich auch gar nicht mehr ausschließlich um Soldaten aus Russland, da Moskau gar nicht mehr in der Lage ist, die Soldaten auszutauschen. Mittlerweile sind das Transnistrier mit russischem Pass. Grundsätzlich ist Transnistrien dennoch eine potenzielle Gefahr für die Ukraine, sollten es die Russen schaffen, dorthin vorzustoßen.
Wollen die Transnistrier ein Teil Russlands werden?
Bislang haben sie nicht um Aufnahme in die Russische Föderation gebeten. Und danach sieht es auch nicht aus. Die Eliten müssen befürchten, dass sie schnell ihre Macht verlieren, wenn die Russen das Kommando führen. Salopp formuliert: Ihnen drohen Autounfälle und Stürze aus dem Fenster. Ähnliches haben wir auch im Osten der Ukraine gesehen, wo mittlerweile russische Kräfte das Kommando führen. Weder in der Ukraine noch in Transnistrien handelt es sich um einen ethnischen Konflikt.
Ende dieses Jahres sind Präsidentschaftswahlen in der Republik Moldau. Spielt das eine Rolle für Russland?
Mit Sicherheit. Die beliebte Präsidentin Maia Sandu versucht, ihr Land konsequent an die EU heranzuführen. Russland will das verhindern und führt einen Informationskrieg. Dazu drehte Moskau zeitweilig das Gas ab. Das hat durchaus Erfolg. Ich erwarte trotzdem, dass Sandu die Wahlen gewinnt, weil sie sehr beliebt ist. Aber im kommenden Jahr sind Parlamentswahlen. Dort könnten sich russlandfreundliche Kräfte durchsetzen. Die Unzufriedenheit ist groß. Die Regierung kann kaum schnelle und für die Bevölkerung spürbare Erfolge vorweisen, weiterhin ist die wirtschaftliche Lage miserabel und die Korruption nicht verschwunden.
Mit Brigitta Triebel sprach Volker Petersen
Quelle: ntv.de