Läuterung nach Wahlschlappe Die Linke will sich neu erfinden
27.09.2021, 13:46 Uhr
Schlechte Stimmung: Die beiden Spitzenkandidaten der Linken, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, am Wahlsonntag.
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Mit einem "blauen Auge" zieht die Linke hauchdünn in den Bundestag ein. Angesichts des desaströsen Wahlergebnisses begibt sich die Partei nun auf Ursachensuche. Die beiden Co-Vorsitzenden fordern Konsequenzen. Ihre eigenen Posten sehen sie davon vorerst aber ausgenommen.
Die Parteispitze der Linken hat nach dem drastischen Einbruch bei der Bundestagswahl eine bedingungslose Analyse angekündigt. Die beiden Co-Vorsitzenden wollen aber im Amt bleiben. "Es geht für uns darum, dass wir die Verantwortung weiter tragen", sagte Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow in Berlin.
Ihre Mitvorsitzende Janine Wissler sagte, die Ursachen für das Ergebnis lägen tiefer, als dass dies durch Personalentscheidungen zu lösen sei. Wissler und Hennig-Wellsow führen die Linke erst seit diesem Frühjahr. Wissler forderte Konsequenten aus dem Wahlergebnis. Es müsse jetzt darum gehen, "die kommenden vier Jahre zu nutzen und die Partei neu aufzustellen", so Wissler.
Natürlich trügen sie als Vorsitzende die Verantwortung, sagte Hennig-Wellsow. Man sei aber bereit, die Partei durch den nun bevorstehenden gemeinsamen Prozess zu führen. "Das Schlechteste, was wir jetzt machen könnten, (wäre) uns in dieser Situation vom Acker zu machen und zu sagen, jetzt macht mal." Das Ergebnis müsse als "letzte Chance" verstanden werden, die Partei "nach vorn zu entwickeln". Man wolle sich "neu erfinden", kündigte Hennig-Wellsow an.
Bartsch beklagt "Bild der Zerrissenheit"
Die Ursachen für das schlechte Abschneiden der Linken sieht Spitzenkandidat und Fraktionschef Dietmar Bartsch in den vergangenen Jahren. Die Partei sei nicht als geschlossene Formation aufgetreten, sondern habe ein Bild der Zerrissenheit abgegeben, sagte er. Bartsch forderte gegenüber der ARD, es müsse "tabulos" über inhaltliche, strategische und auch personelle Fragen gesprochen werden.
Am kommenden Wochenende will der Parteivorstand über das Wahlergebnis und über Konsequenzen beraten, wie die Parteichefinnen ankündigten. Hennig-Wellsow sprach von einem "blauen Auge" und der letzten Chance, die Linke nach vorn zu entwickeln.
Im Wahlkampf setzte die aus der PDS hervorgegangene Partei auf Themen wie Mindestlohn, soziale Gerechtigkeit, Abrüstung und Vermögenssteuer. Wissler sagte, die Linke werde trotzdem nicht als die Partei wahrgenommen, die man wählt, wenn einem soziale Gerechtigkeit am Herzen liege. Bartsch ergänzte: "Nicht wenige trauen uns die Durchsetzungskompetenz nicht zu."
Die Partei war am Sonntag bei der Bundestagswahl von 9,2 auf 4,9 Prozent eingebrochen. Dass sie trotz Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde als Fraktion mit 39 (-30) Abgeordneten in den Bundestag einziehen kann, verdankt sie nur den drei Parteimitgliedern Gregor Gysi, Gesine Lötzsch und Sören Pellmann, die in ihren Wahlkreisen in Berlin und Leipzig Direktmandate gewonnen haben. Eine Partei kann auch dann gemäß ihrem Zweitstimmenanteil in den Bundestag einziehen, wenn sie drei oder mehr Direktmandate gewinnt. Die Fünf-Prozent-Sperre wird dadurch aufgehoben.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/AFP/rts