Habeck bei Illner "Die Situation ist jetzt beherrschbarer"
18.11.2022, 05:13 Uhr
Inflationsbekämpfung sei "die Aufgabe Nummer eins", sagt Habeck.
(Foto: REUTERS)
Bei "Maybrit Illner" blickt Wirtschaftsminister Habeck auf die Herausforderungen der vergangenen Monate zurück. Weiterer Gast ist Deutsche-Bank-Chef Sewing. Er stellt der Bundesregierung bei der Krisenbewältigung ein gutes Zeugnis aus.
Nach knapp drei Jahren Corona-Pandemie und einem Dreivierteljahr Krieg in der Ukraine ist Deutschland in einer Ausnahmesituation. Die Inflation liegt bei zehn Prozent, sie kann nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing im kommenden Jahr auf sieben Prozent fallen. Trotzdem habe sich Deutschland in dieser Sondersituation bewährt, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstagabend in einer Spezialausgabe der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner". "Die Situation ist jetzt beherrschbarer", sagt Habeck.
In den vergangenen Monaten habe sich die Bundesregierung mit mehreren Krisen auseinanderzusetzen gehabt, "die sich gegenseitig nichts geschenkt haben." Da sei die Angst vor einem Atomkrieg gewesen, dazu seien fehlende Energie und hohe Preise gekommen. "Die Bundesregierung hat alles drei nebeneinander bedacht", sagt Habeck. Am Ende habe die Politik mit Sozialpaketen, einer Strom- und Gaspreisbremse und der Förderung erneuerbarer Energien die Krisen gemeistert.
Trotzdem herrsche in der Bevölkerung Unzufriedenheit, meint Moderatorin Maybrit Illner. Deutsche-Bank-Chef Sewing widerspricht: Die Menschen seien nicht unzufrieden, höchstens unsicher. "Ich glaube, die Bundesregierung hat insgesamt sehr ordentlich agiert und schnell reagiert", sagt Sewing und löst bei der Moderatorin damit Überraschung aus. Dann fügt er hinzu: "Wir müssen jetzt die unmittelbare Krise im Sinne der Inflationsbekämpfung angehen." Die EZB habe mit der Leitzinserhöhung entsprechende Schritte unternommen.
"Verhindern, dass Volkswirtschaft kaputtgeht"
Aktuell gerieten einige Unternehmen in eine Problemlage, weiß der Minister. Die Gas- und Strompreisbremse biete hier eine Entlastung, wenn auch nicht von 100 Prozent. "Wir verhindern, dass die Volkswirtschaft dieses Landes kaputtgeht. Wir können aber nicht verhindern, dass Unternehmen höhere Preise haben", sagt Habeck. Ein zusätzliches Problem sei, dass die Menschen weniger konsumieren, weil ihnen das Geld fehlt. Habeck: "Die politische Kunst wird im Moment sein, die staatlichen Programme so auszurichten, dass wir in die Bereiche reingehen, die nicht überhitzt sind, dass wir also mit dem staatlichen Geld das Konsumverhalten der Bürger weiter stimulieren, ohne die Inflation anzuheizen."
Wichtig sei, Unternehmen zu unterstützen, die unverschuldet in eine Krise geraten seien, fordert Sewing. Aber er weiß auch: "Wir dürfen so ein Programm nicht dauerhaft laufen lassen. Wir müssen das Jahr 2023 nutzen, um aus der Rezession hinauszukommen, um dann 2024 über ein Wirtschaftswachstum, über wettbewerbsfähige Energiepreise und eine sichere Energieversorgung in eine Situation zu kommen, dass wir das nicht mehr machen müssen." Mit etwas Glück könne die Inflation 2024 auf unter fünf Prozent sinken, so Sewing. Dazu müssten schon jetzt wirksame Schritte unternommen werden - wie zum Beispiel die Strom- und Gaspreisbremse der Bundesregierung.
Das sieht auch Habeck so. "Die Inflationsbekämpfung ist die Aufgabe Nummer eins", sagt er. Die zweite wichtige Aufgabe sei zu erreichen, dass die aktuelle Rezession nicht allzu lang dauere. Beide Schritte müssten parallel erfolgen, und das unterstütze die Bundesregierung mit Energiepreisbremse und sozialen Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der Bevölkerung.
Zukunft der Industrie
Die Industrie habe die Notwendigkeit einer Transformation der Wirtschaft inzwischen erkannt, lobt Habeck. So sei der industrielle Gasverbrauch in den vergangenen Monaten um 25 Prozent, die Produktion jedoch nur um 1,5 Prozent zurückgegangen. "Wir haben die Möglichkeit, mit Energieeffizienz, mit neuen Techniken, mit Elektrifizierung und zum Beispiel mit dem schnellen Einsatz von Wasserstoff Alternativen zu schaffen", sagt Habeck.
Einig sind sich Sewing und Habeck in vielen Punkten - von einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken mal abgesehen. Und beide fordern am Ende der Sendung eine Stärkung des Standortes Europa. Dabei könne sich Europa ein Beispiel an den USA nehmen, wo neue Unternehmen wesentlich unkomplizierter an den Start gehen könnten. Habeck: "Europa muss sich zusammenreißen und die Kraft finden, schneller gemeinsame Entschlüsse zu fassen. Dafür braucht es ein politisches Mandat. Die EU muss sich so reformieren, dass Europa als geeinte Stimme in der Welt wahrgenommen wird."
Quelle: ntv.de