Politik

Der 9. November 1989 Die Stunden, in denen die Mauer fiel

Die Grenzen sind offen, Deutschland feiert die historischen Tage im November 1989. n-tv.de hat in einem historischen Liveticker die Ereignisse noch einmal nachgezeichnet. Wenn Sie immer noch nicht genug haben sollten: Hier finden Sie Bilder und Videos von den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in der Hauptstadt, ein Interview mit Walter Momper, dem damaligen Regierenden Bürgermeisters Westberlins, und ein DDR-Quiz. Oder Sie lesen noch einmal nach, wie die Grenze, die die Welt über Jahrzehnte teilte, in einer Nacht Geschichte wurde:

+++ 09:40 Momper: Gestern waren wir das glücklichste Volk der Welt +++
Berliner Regierender Bürgermeister Walter Momper sagt in einer Rede vor dem Bundesrat in Bonn: "Gestern Nacht war das deutsche Volk das glücklichste Volk auf der Welt."

+++ 08:13 Schlangen vor den Meldestellen +++
Vor den für das Pass- und Meldewesen zuständigen Polizeistellen bilden sich Schlangen: Einige DDR-Bürger wollen, wie von Schabowski gesagt, ein Visum für eine Reise in den Westen beantragen. An den meisten Grenzübergangsstellen ist die Ein- und Ausreise allerdings problemlos mit einem Personalausweis möglich.

+++ 07:28 Zeitungen titeln mit Grenzöffnung +++
Für die Zeitungen gibt es am Morgen dieses 10. November 1989 nur ein Thema: Die DDR öffnet die Grenze. Viele Blätter geben dies so sachlich wieder, nur auf dem Boulevard regiert der Überschwang. "Geschafft! Die Mauer ist offen" titelt die "Bild"-Zeitung, "Berlin ist wieder Berlin", schreibt die B.Z. Die Münchener "Abendzeitung" schreibt "Die DDR macht ihre Grenzen auf - alle Deutschen sind frei".

+++ 05:26 Starker Rückstrom nach Ost-Berlin +++
In den frühen Morgenstunden macht sich der größte Teil der Ost-Berliner wieder auf den Rückweg. Nach Angaben der Polizei setzte die Rückreisewelle gegen 03.00 Uhr ein. An den Übergängen gibt es keine Behinderungen. Schätzungsweise hatten mehrere zehntausend Menschen die Möglichkeit genutzt, ungehindert die Mauer in Richtung Westen passieren zu können. Auf dem Kurfürstendamm, auf dem ein stundenlanges Verkehrschaos herrschte, flaut der Verkehr allmählich ab.

+++ 03:53 DDR-Bürger auf "Kurzbesuch" +++
Die Bekanntgabe der neuen Reiseregelung für DDR-Bürger löst in der Nacht einen Massenansturm von Ost-Berlinern auf den Westteil der Stadt aus. Bis in die frühen Morgenstunden drängen Tausende von DDR-Bürgern zu einem, wie sie sagten, "Kurzbesuch" in den Westen. Die meisten erklären, sie wollten noch am Morgen nach Hause zurückkehren. Auch viele West-Berliner nutzten die offenen Grenzen für einen Besuch in Ost-Berlin. An den Grenzübergängen herrscht Volksfeststimmung. Kolonnen von Trabis fahren hupend durch die Stadt.

+++ 03:09 Pariser Platz wird abgeriegelt +++
Ost-Grenzer riegeln den Zugang zum Brandenburger Tor wieder ab. Das Hämmern der "Mauerspechte" schallt weiter über den Platz.

+++ Freitag, 10. November 1989, 01:07 Am Brandenburger Tor wird getanzt +++
Die Grenze wird nicht nur von Ost nach West überquert, sondern auch in die andere Richtung. Am Brandenburger Tor tanzen Menschen auf der Mauer. Die ersten "Mauerspechte" machen sich an die Arbeit und schlagen Brocken aus dem "antifaschistischen Schutzwall". Um 23.00 Uhr hatten die Grenzsoldaten das Brandenburger Tor noch mit einer Wasserspritze verteidigt.

Gegen Mitternacht geben auch die Grenzer am Checkpoint Charlie auf - alle Übergänge in Berlin sind nun geöffnet.

Gegen Mitternacht geben auch die Grenzer am Checkpoint Charlie auf - alle Übergänge in Berlin sind nun geöffnet.

+++ 00:00 Alle Grenzübergänge in Berlin sind offen +++
Gegen Mitternacht öffnet mit dem Checkpoint Charlie der letzte der elf Grenzübergänge in Berlin. Damit sind alle Grenzübergänge zwischen Ost und West offen.

+++ 23:54 Zehntausende drängen sich an Ost-Berliner Grenzen +++
Einige zehntausend DDR-Bürger haben sich an den Ost-Berliner Grenzübergängen eingefunden, um in den Westen zu gelangen. Allein an dem Grenzübergang Bornholmer Straße gegenüber des Bezirks Wedding stehen an die 20.000 Ost-Berliner, die die Nachricht von den offenen Grenzen per Radio und Fernsehen erfahren haben. Sie werden von den DDR-Grenzern nach Vorzeigen des Personalausweises durchgelassen. An den Zufahrtsstraßen herrscht etwa zwei Kilometer Stau. Viele Menschen sagen, sie wollten einfach nur probieren, ob sie in den anderen Teil der Stadt gelangen können.

+++ 23:26 Frankreich freut sich für Deutschland +++
Die französische Regierung begrüßt die von der Ost-Berliner Führung beschlossene Reisefreiheit für DDR-Bürger. Die jüngsten Entscheidungen bedeuteten einen "Fortschritt in großen Schritten zu einer Demokratisierung", stellt Außenminister Roland Dumas in einem in Paris veröffentlichten Kommuniqué fest. "Man muss sich für das deutsche Volk freuen", meint der Minister weiter, "und die DDR-Führung dazu beglückwünschen, dass sie die Notwendigkeit dafür begriffen hat".

+++ 23:17 Bornholmer Straße wird geöffnet +++
Das Gedränge am Grenzübergang Bornholmer Straße wird nicht weniger, sondern stärker. Oberstleutnant Harald Jäger beschließt kurzerhand, die Grenze komplett zu öffnen und die Kontrollen einzustellen. Dem Ministerium für Staatssicherheit teilt er mit: "Es ist nicht mehr zu halten, wir müssen die GÜST [Grenzübergangsstelle] aufmachen. Ich stelle die Kontrollen ein und lasse die Leute raus."

+++ 23:03 Zwanzigtausend an der Bornholmer Straße +++
Am Grenzübergang Bornholmer Straße stehen mittlerweile fast 20.000 DDR-Bürger. Sie rufen "Tor auf!" und "Wir kommen wieder!".

Die DDR-Posten am Checkpoint Charlie versuchen sich dem Ansturm entgegenzustellen.

Die DDR-Posten am Checkpoint Charlie versuchen sich dem Ansturm entgegenzustellen.

(Foto: imago stock&people)

+++ 23:00 Checkpoint Charlie schließt +++
Wegen des starken Ansturms vor allem von Westen schließt der diensthabende Offizier der DDR-Grenztruppen am Ausländerübergang Checkpoint Charlie die Grenzübergangsstelle. Rund 3000 Westberliner stehen am Checkpoint Charlie, auf der Ostseite sind es 100 DDR-Bürger. Die einen rufen "Lasst uns rein!", die anderen "Lasst uns raus!"

+++ 22:55 ADN versucht Ausreisende zu bremsen +++
Die ostdeutsche Nachrichtenagentur ADN, die seit 19.04 Uhr keine Meldungen mehr abgesetzt hatte, verschickt folgenden Hinweis: "Die Genehmigungen werden von den zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter kurzfristig erteilt." Soll heißen: Eine sofortige Ausreise gibt es nicht.

Am Grenzübergang Invalidenstraße finden sich dank der Berichterstattung im TV immer mehr Menschen an der noch geschlossenen Grenze ein.

Am Grenzübergang Invalidenstraße finden sich dank der Berichterstattung im TV immer mehr Menschen an der noch geschlossenen Grenze ein.

(Foto: imago stock&people)

+++ 22:44 "Die Tore der Mauer stehen offen" +++
"Die Toren in der Mauer stehen weit offen", sagt Tagesthemen-Moderator Hanns Joachim Friedrichs. Das stimmt jedoch nicht: Robin Lautenbach berichtet vom Grenzübergang Invalidenstraße, der noch dicht ist. Neben ihm stehen lediglich ein paar Westberliner, die auf Besuch aus dem Osten warten. Wie zuvor die Aktuelle Kamera, die Westberliner Abendschau und die Tagesschau löst allerdings auch diese Nachrichtensendung einen Ansturm auf die Grenzübergänge aus.

+++ 22:00 Berliner Senat diskutiert Auswirkungen +++
Im Rathaus Schöneberg kommt der Westberliner Senat zusammen. An dem Treffen nehmen auch der Polizeipräsident und die Chefs der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) teil. Sie beraten über die Auswirkungen der neuen Reiseregelung für Westberlin.

+++ 21:57 Kohl will DDR-Führung treffen +++
Bundeskanzler Kohl sagt im Heute Journal: "Was wirklich aus dieser Entscheidung erwachsen wird, weiß ich nicht." Er wolle möglichst bald mit dem Staatsratsvorsitzenden und dem Ministerpräsidenten der DDR zusammentreffen, so Kohl. Von der SED fordert er weitreichende Reformen. "Die Lösung des Problems liegt nicht darin, dass möglichst viele aus der DDR zu uns kommen, sondern dass unsere Landsleute in der DDR Lebensverhältnisse vorfinden, eine freiheitliche Ordnung, die ihnen die Chance gibt, in ihrer Heimat zu bleiben."

+++ 21:52 Opposition wirft SED "Ratlosigkeit" vor +++
Der Ostberliner Pfarrer Hans-Peter Schneider vom Oppositionsbündnis Demokratischer Aufbruch kritisiert die angekündigte Reisefreiheit, weil sie an ein Visum gebunden ist: "Ob das eine Maßnahme ist, die unser Bemühen unterstützt, die Menschen hier im Land zu behalten, das wage ich im Augenblick noch zu bezweifeln", sagt Schneider im Heute Journal. "Es hätte deutlich gemacht werden müssen, dass für diejenigen, die hier bleiben, ein Überqueren der Grenze problemfrei möglich ist." Als Grund für die Entscheidung der SED nennt er: "Die Ratlosigkeit in der Führung unseres Landes."

+++ 21:46 Erste Ausreisen an der Sonnenallee +++
Am Grenzübergang Sonnenallee verlassen die ersten DDR-Bürger Ostberlin in Richtung Westen. Noch werden Grenzkontrollen durchgeführt.

Der Präsident der USA (l.) zeigt sich von den Ereignissen in Berlin "zutiefst bewegt".

Der Präsident der USA (l.) zeigt sich von den Ereignissen in Berlin "zutiefst bewegt".

+++ 21:29 US-Präsident Bush begrüßt Grenzöffnung +++
Bei einer Pressekonferenz in Washington begrüßen US-Präsident George Bush und sein Außenminister James Baker die Öffnung der Grenze. Bush sagt, er sei "zutiefst von dieser Nachricht bewegt".

+++ 21:20 Erste Ost-Berliner gelangen in den Westen +++
Am Grenzübergang Bornholmer Straße dürfen die ersten DDR-Bürger nach Westberlin gehen. Alle Ausreisenden werden kontrolliert, ihre Ausweise abgestempelt. Bürger, die "provokativ" in Erscheinung getreten waren, erhalten den Stempel auf ihr Foto. Was sie nicht wissen: Damit sind sie ausgebürgert. Diese Regelung hat allerdings keinen Bestand.

Annemarie Reffert steht 2009 am Grenzübergang Marienborn. Sie testet als erste DDR-Bürgerin am 9.11.1989 um 21:15 Uhr kurzentschlossen die neue innerdeutsche Reisefreiheit.

Annemarie Reffert steht 2009 am Grenzübergang Marienborn. Sie testet als erste DDR-Bürgerin am 9.11.1989 um 21:15 Uhr kurzentschlossen die neue innerdeutsche Reisefreiheit.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

+++ 21:15 Erster Grenzübergang öffnet +++
Von Öffentlichkeit und Medien unbeachtet lassen die DDR-Grenzsoldaten am Grenzübergang Marienborn an der Autobahn Berlin-Hannover die Ärztin Annemarie Reffert und ihre 16-jährige Tochter in die Bundesrepublik ausreisen.

+++ 21:10 Bundestag singt Nationalhymne +++
Nach Seiters spricht SPD-Chef Hans-Jochen Vogel. Die Mauer habe ihre Funktion verloren, sagt er. Nach der letzten Rede in dieser kurzen Aussprache stimmen drei Abgeordnete der Union spontan die Nationalhymne an. Die Parlamentarier erheben sich und singen mit.

+++ 21:00 "Herr Bundeskanzler, gerade fällt die Mauer!" +++
Aus Warschau ruft Kanzler Kohl seinen Mitarbeiter Eduard Ackermann in Bonn an. Der hatte ihn schon vorher telefonisch zu erreichen versucht. "Herr Bundeskanzler, im Augenblick fällt gerade die Mauer!", ruft Ackermann ins Telefon. Kohl antwortet: "Ackermann, sind Sie sicher?" Von der Schabowski-Pressekonferenz war Kohl bereits zuvor durch Kanzleramtsminister Seiters informiert worden.

+++ 20:47 SED hat nichts mitbekommen +++
Die Sitzung des ZK der SED geht erst jetzt zu Ende. Die Mitglieder der Zentralkomitees haben keine Ahnung, was ihr Beschluss vom Nachmittag ausgelöst hat.

+++ 20:46 Seiters gibt Regierungserklärung ab +++
Nach kurzer Unterbrechung der regulären Bundestagssitzung gibt Kanzleramtschef Rudolf Seiters eine Regierungserklärung ab. Er sagt, die vorläufige Freigabe von Besuchsreisen und Ausreisen aus der DDR sei ein "Schritt von überragender Bedeutung".

+++ 20:33 Volkspolizei schickt DDR-Bürger nach Hause +++
An der Bornholmer Straße ruft ein Volkspolizist die Menschen auf, "im Interesse von Ordnung und Sicherheit" den Vorraum des Grenzübergangs zu verlassen. "Es ist nicht möglich, Ihnen hier und jetzt die Ausreise zu gewähren."

+++ 20:30 Tausende an der Bornholmer Straße +++
Am Grenzübergang an der Bornholmer Straße zwischen dem Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg und dem Westberliner Bezirk Wedding stehen Tausende Menschen. Anders als viele andere Grenzübergänge liegt dieser direkt neben einem dicht bewohnten Viertel.

+++ 20:28 Jugendliche verlangen Ausreise an Sonnenallee +++
Am Grenzübergang Sonnenallee zwischen Treptow (Ost) und Neukölln (West) verlangen etwa 15 Jugendliche ihre sofortige Ausreise.

Der SPD-Vorsitzende Vogel fürchtet, dass die Reformbewegung in der DDR zum Erliegen kommt, sollten zu viele Bürger das Land verlassen.

Der SPD-Vorsitzende Vogel fürchtet, dass die Reformbewegung in der DDR zum Erliegen kommt, sollten zu viele Bürger das Land verlassen.

(Foto: picture alliance / dpa)

+++ 20:20 SPD-Chef Vogel: DDR darf nicht ausbluten +++
Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel unterstützt den Appell der DDR-Schriftstellerin Christa Wolf, die am Tag zuvor ihre Landsleute zum Bleiben aufgerufen hatte. In einer Live-Schaltung aus Bonn in die Fernsehnachrichtensendung der DDR, Aktuelle Kamera, sagt Vogel, er respektiere zwar die Entscheidung jedes einzelnen, der in die Bundesrepublik kommen wolle. Es gehe aber darum, dass die DDR nicht ausblute. Dann hätten Reformen eine geringere Chance. Nach Auskunft der SPD ist es das erste Mal, dass ein führender Bundespolitiker in der DDR-Fernsehsendung ungeschnitten zu Wort kommt.

+++ 20:00 Tagesschau meldet: DDR öffnet Grenze +++
"Ausreisewillige DDR-Bürger müssen nach den Worten von SED-Politbüro-Mitglied Schabowski nicht mehr den Umweg über die Tschechoslowakei nehmen", ist der erste Satz von Sprecher Jo Brauner in den 20-Uhr-Nachrichten. Die Schlagzeile im Hintergrund lautet: "DDR öffnet Grenze".

+++ 19:50 Anhaltender Applaus im Bonner Bundestag +++
Der CSU-Abgeordnete Karl-Heinz Spilker verliest während einer Bundestagsdebatte in Bonn eine Agenturmeldung: "Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen." Die Abgeordneten applaudieren minutenlang. Danach geht die Debatte weiter; Spilker hält seine Rede zum Vereinsförderungsgesetz.

+++ 19:35 Momper verkündet Tag der Freude +++
In der Westberliner Abendschau sagt der Regierende Bürgermeister Walter Momper: "Ich glaube, man darf für alle Berlinerinnen und Berliner sagen, es ist ein Tag, den wir uns lange ersehnt haben, seit 28 Jahren. Die Grenze wird uns nicht mehr trennen." Die Ostberliner bittet er, mit U- und S-Bahn zu kommen.

+++ 19:33 Aktuelle Kamera informiert über neues Reisegesetz +++
Die DDR-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera informiert über das von Schabowski verkündete neue Reisegesetz. Nachrichtensprecherin Angelika Unterlauf liest vor: "Demzufolge können Privatreisen nach dem Ausland ab sofort ohne besondere Anlässe beantragt werden." Die Volkspolizei sei angewiesen, auch Visa zur "ständigen Ausreise" zu erteilen. "Damit entfällt die ständige Ausreise über Drittstaaten."

Am Grenzübergang an der Bornholmer Straße treffen erste Ausreisewillige ein. Noch herrscht bei den Grenzern Unklarheit über die weitere Vorgehensweise.

Am Grenzübergang an der Bornholmer Straße treffen erste Ausreisewillige ein. Noch herrscht bei den Grenzern Unklarheit über die weitere Vorgehensweise.

(Foto: imago/Rolf Zöllner)

+++ 19:30 Erste Neugierige kommen zur Bornholmer Straße +++
Zehn bis zwanzig DDR-Bürger stehen vor der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße. Bei den Grenzern erkundigen sie sich, ob sie schon in den Westen dürfen. Die winken ab.

+++ 19:04 Ausreise aus der DDR ab sofort möglich +++
Die DDR-Nachrichtenagentur ADN verbreitet die neuen Reiseregelungen. "Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen", heißt es darin unter anderem. Zeitgleich verschickt dpa eine Eilmeldung: "Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen."

+++ 19:01 Eilmeldung! Ausreiseregelung tritt sofort in Kraft +++
Die Pressekonferenz ist zu Ende. Nach Schabowskis Antwort auf die Frage des italienischen Kollegen fragen mehrere Journalisten, darunter der Deutsche Peter Brinkmann, ob dies sofort gelte. Schabowski liest vor: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt." Auf erneute Nachfrage sagt er: "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich."

+++ 18:53 Schabowski verkündet Reiseregelung +++
Im Gebäude des Ministerrats fragt der italienische Journalist Riccardo Ehrmann Schabowski, ob der Entwurf für ein Reisegesetz, der vor ein paar Tagen präsentiert worden war, nicht "ein großer Fehler war". Schabowski antwortet sehr ausschweifend und verweist darauf, dass heute ein neuer Entwurf beschlossen worden sei: "Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen."

+++ 18:34 Bahn behält Verbindung Düsseldorf-DDR im Winter bei +++
Wegen des regen Besuchsverkehrs von und in die DDR hält die Bundesbahn eine wichtige Städteverbindung im Winterfahrplan aufrecht. Wie ein Bahnsprecher mitteilte, wird die Strecke zwischen Karl-Marx-Stadt und Düsseldorf und zurück weiterhin täglich bedient. Ursprünglich war vorgesehen, die Züge nur im Weihnachts- und Neujahrsverkehr einzusetzen. Der D 1452 verläßt Karl-Marx-Stadt um 07.30 Uhr und kommt in Düsseldorf um 18.10 Uhr an. In der Gegenrichtung verläßt der Zug Düsseldorf um 10.39 Uhr und erreicht sein Ziel in der DDR um 21.36 Uhr.

Aufgrund des hohen Reiseaufkommens entschließt sich die Bahn, die Verbindung von Düsseldorf nach Karl-Marx-Stadt, das heutige Chemnitz, auch im Winter zu bedienen.

Aufgrund des hohen Reiseaufkommens entschließt sich die Bahn, die Verbindung von Düsseldorf nach Karl-Marx-Stadt, das heutige Chemnitz, auch im Winter zu bedienen.

(Foto: picture alliance / dpa)

+++ 18:24 Kohl solidarisch mit Polen +++
In einer Tischrede am Abend in Warschau sagt Kanzler Kohl laut dpa, sein Besuch sei auch ein Zeichen der Solidarität mit den demokratischen Änderungen in Polen. Nicht zum ersten Mal habe "das große polnische Volk ... die wertvollsten Traditionen zu neuem Leben erweckt".

+++ 18:00 Pressekonferenz mit Schabowski beginnt +++
Im Pressezentrum im Gebäude des DDR-Ministerrats in der Ostberliner Mohrenstraße beginnt eine Pressekonferenz, in der Günter Schabowski die Medien über die jüngsten Beschlüsse des ZK informiert. Schabowski ist SED-Chef von Berlin und seit kurzem Sekretär des ZK der SED für Informationswesen, also eine Art Regierungssprecher. Der Sender DDR I überträgt live - das "Sandmännchen" wird dafür ins zweite Programm geschoben. Schabowski teilt unter anderem mit, dass für Mitte Dezember eine Parteikonferenz der SED einberufen wurde.

+++ 17:42 Momper sieht Besuchswelle kommen +++
Man müsse sich Berlin künftig als eine "Stadt mit normalem Hinterland" denken, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper (SPD). Die Deutsche Presse-Agentur zitiert ihn mit den Worten, Berlin müsse sich darauf einrichten, dass viele Besucher aus der DDR kommen werden.

+++ 17:29 Kohl zu Treffen mit Krenz bereit +++ Bundeskanzler Helmut Kohl ist zu einem raschen Treffen mit dem neuen DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz bereit, sobald das Zentralkomitee der SED und die Volkskammer eindeutige Beschlüsse im Hinblick auf wirklich freie Wahlen und weitere Reformen getroffen haben. Das deutete Kanzleramtsminister Rudolf Seiters von der CDU vor der Presse in Bonn an. Kohl und Krenz hätten bei ihrem Telefongespräch im Oktober bereits eine Begegnung für Ende November ins Auge gefasst. Seither habe es aber "dramatische und rasante" Entwicklungen und neue Termine für wichtigen Entscheidungen gegeben. Jetzt bleibe abzuwarten, was ZK und Volkskammer konkret in die Wege leiteten. Dies sei von entscheidender Bedeutung für das Zustandekommen eines Spitzengesprächs. Es gebe aber auch jetzt ständig Kontakte mit Ost-Berlin, sagte Seiters

Helmut Kohl ist am 9. November 1989 im polnischen Krzyzowa (Kreisau) zu Besuch. Viele Polen wollen ihr westliches Nachbarland DDR besser kennenlernen.

Helmut Kohl ist am 9. November 1989 im polnischen Krzyzowa (Kreisau) zu Besuch. Viele Polen wollen ihr westliches Nachbarland DDR besser kennenlernen.

(Foto: imago stock&people)

+++ 16:56 Tausende Polen wollen in die DDR reisen +++ Tausende polnische Bürger haben sich einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN zufolge in den vergangenen Tagen in den diplomatischen Vertretungen der DDR in Polen über Möglichkeiten der Vermittlung einer Arbeitsstelle oder der Übersiedlung informiert. Wie der Leiter der Konsularabteilung der DDR-Botschaft in Warschau, Peter Krause, gegenüber ADN erklärte, nennen sie als Gründe für ihre Entscheidung vor allem die Aussicht auf eine gute und interessante Arbeit im erlernten Beruf. Die polnische Nachrichtenagentur PAP schränkte allerdings ein: Verhältnismäßig wenig Interessenten hätten die Formulare dann auch tatsächlich ausgefüllt zurückgebracht. Die meisten Bewerber wollten nur einige Zeit in die DDR reisen.

+++ 16:40 Einbürgerungsanträge werden knapp +++
Eine Braunschweiger Druckerei kommt mit der Produktion der Vordrucke für die Einbürgerungsanträge nicht nach, meldet dpa. Wegen des Ansturms von Übersiedlern aus der DDR hätten die Vordrucke von einem Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes von der Druckerei abgeholt werden müssen. Das Bundesnotaufnahmelager in Gießen hatte seit August 200.000 dieser sechsseitigen Vordrucke anfertigen lassen. In den vergangenen 24 Stunden seien noch einmal 100.000 Stück verlangt worden, teilt die Druckerei mit.

+++ 16:15 Volleyball-Bundesligist verpflichtet DDR-Übersiedler +++
Die deutsche Presseagentur meldet: Volleyball-Bundesligist Hamburger SV will seinen Kader mit dem DDR-Übersiedler Jens Stapelfeldt ergänzen. Diese Entscheidung traf Trainer Olaf Kortmann nach einem Probetraining des 25jährigen Spielers, der am 3. November mit Frau und vierjährigem Kind über Ungarn in die Bundesrepublik kam. Die endgültige Verpflichtung hängt nun noch von der Beschaffung eines Arbeitsplatzes und einer Wohnung ab. Stapelfeldt, 1,96 Meter großer Angreifer, spielte früher für Traktor Schwerin, trat sportlich zuletzt aber in der Zweitliga-Mannschaft von Tiefbau Schwerin kürzer. Ein baldiger Einsatz des Spielers ist durch eine neue Bestimmung des Weltverbandes möglich. Dieser hob die bislang in vergleichbaren Fällen geltende zweijährige Sperre für den nationalen Bereich auf.

+++ 16:00 Krenz stellt ZK neues Reisegesetz vor +++
Nach dem Treffen mit Rau setzt Krenz bei der ZK-Sitzung den Entwurf für ein neues Reisegesetz auf die Tagesordnung. Das Gesetz sieht vor, dass jeder DDR-Bürger das Recht bekommen soll, das Land zu verlassen und wieder zurückzukommen. Die ZK-Mitglieder erheben keine Einwände.

+++ 15:36 Moskau nennt Diskussion über Wiedervereinigung "intellektuelle Beschäftigung" +++
Die Diskussion über eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands ist nach Auffassung der sowjetischen Regierung derzeit eine "rein intellektuelle Beschäftigung". Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, sagt in Moskau vor der internationalen Presse, die Diskussion darüber finde zudem "auf einem nicht-vorbereiteten Boden statt". Die beiden deutschen Staaten hätten sich schon seit Jahren auf ihren "getrennten, separaten Wegen" entwickelt", fügt Gerassimow hinzu." "Auf diesem Weg ist die DDR unser wichtiger, man kann sagen strategischer Verbündeter geworden."Zu den personellen Veränderungen in der DDR-Spitze sagt Gerassimow, sie seien eine innere Angelegenheit der DDR. "Diese Entscheidungen sollen die Durchsetzung des von der DDR-Führung proklamierten Kurses der Erneuerung des Sozialismus garantieren", sagt der Sprecher weiter.

Nachfolger von Erich Honecker: Egon Krenz.

Nachfolger von Erich Honecker: Egon Krenz.

+++ 15:30 Krenz trifft Rau +++
In einer Pause der ZK-Sitzung trifft der seit dem 17. Oktober amtierende SED-Generalsekretär Egon Krenz den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau. Nach dem einstündigen Gespräch sagt Krenz, aus seiner Sicht habe es in der DDR keine unfreien Wahlen gegeben. Zugleich erklärt er, die DDR-Führung sei dabei, das Land zu einem "sozialistischen Rechtsstaat" zu entwickeln. Rau sagt, Krenz strebe eine "deutsche Perestroika" an. Auf die Frage, ob über das Reisegesetz gesprochen worden sei, antwortet Rau: "Selbstverständlich."

+++ 15:10 "Washington Post" zum Thema Wiedervereinigung +++
Die "Washington Post" beschäftigt sich in einem Kommentar erneut mit der "deutschen Frage" und schreibt unter der Überschrift "In Richtung auf eine deutsche Wiedervereinigung?" unter anderem: "... Westdeutschlands Kanzler Helmut Kohl hat plötzlich eine sichtbarere und aktivere Rolle eingenommen. Ostdeutschland wird Wahlen abhalten müssen, erklärte er in einer Rede vor dem Parlament ... . Dann sagte er weiter: 'Wir haben weniger Grund als jemals zuvor, uns mit der langfristigen Teilung Deutschlands in zwei Staaten abzufinden'. Dieser Satz gibt der Entwicklung in Richtung Wiedervereinigung neuen Anstoß. Herr Kohl antwortet auf die Flut der Emotionen, die über sein Land hin rast, und die in keinster Weise auf den rechten Flügel beschränkt ist. Aber das Reden über Wiedervereinigung bringt außerordentlich komplexe Fragen für den Rest Europas mit sich, ganz zu schweigen von der Sowjetunion und den USA. ... Es ist ... undenkbar, dass die Sowjets passiv zusehen und erlauben würden, dass Ostdeutschland in das westliche Bündnis gleitet. Westdeutschland ist bereits die beherrschende Wirtschaftsmacht in Europa, mit der stärksten konventionellen Streitmacht. ..."

+++ 14:50 Anglerglück: Zentnerschwerer Wels in der DDR gefischt +++
Nicht nur politisch passiert einiges an diesem 9. November: Seltenes Anglerglück erlebt ein Sportfischer im DDR-Bezirk Rostock: Aus einem Gewässer bei Gransee zieht er einen Wels mit einem Gewicht von einem Zentner an Land. Nach einer Stunde gibt der 2,08 Meter lange Fisch seinen Widerstand auf, heißt es in einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN.

Schäuble bei einer Kabinettssitzung im Juli 1989

Schäuble bei einer Kabinettssitzung im Juli 1989

(Foto: imago stock&people)

+++ 14:29 Schäuble appelliert an DDR-Bürger, sich Ausreise zu überlegen +++
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ruft die DDR-Bürger auf, sich den Schritt zur Ausreise sehr sorgfältig zu überlegen, meldet dpa. Die Bundesrepublik werde weiterhin jeden Deutschen aufnehmen. Doch die Übersiedler müssten damit rechnen, auch für längere Zeit in unzulänglichen Wohnverhältnissen zu leben.

+++ 14:14 Demokratischer Aufbruch: Jetzt nicht aus dem Land fliehen +++
Mit dem Aufruf zum Bleiben wendet sich die DDR-Bürgerinitiative Demokratischer Aufbruch jetzt direkt an Ausreisewillige. Wie die DDR-Nachrichtenagentur ADN meldet, richten Mitglieder des Ortsverbandes Markneukirchen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf der Straße unmittelbar vor der Grenze der DDR zur CSSR an Ausreisewillige den Appell: "Kehrt bitte um oder kommt bald wieder!" Man könne jetzt nicht fliehen und gerade jene im Stich lassen, die nach ihrer Arbeit bei Kälte und Regen wirkliche Demokratie einforderten, heißt es in einem Flugblatt.

+++ 13:43 DDR bietet emigrierten und ausgewiesenen Künstlern Gespräche an +++
Die DDR will Künstlern, die in der Vergangenheit das Land freiwillig oder gezwungenermaßen verlassen haben, Gespräche anbieten. Damit werde die Chance eröffnet, "frühere Entschlüsse zu überdenken", betont der stellvertretende DDR-Kulturminister Peter Lorf in Leipzig. Unmittelbar vor Beginn eines großen Kulturfestivals aus Nordrhein-Westfalen in der Messestadt sagt der DDR-Kulturpolitiker, dies sei nicht als "Gnadenerweis" der Regierung gedacht, sondern solle eine ehrliche "Suche nach gemeinsamen Nennern" mit den emigrierten Künstlern einleiten.

+++ 13:30 "Berliner Zeitung": Rücktritt "eine Lehre für die Partei" +++
Zum Rücktritt des Politbüros schreibt die (Ost-) "Berliner Zeitung": "Das bis gestern amtierende Politbüro des Zentralkomitees der SED ist zurückgetreten. Nicht freiwillig und viel zu spät. Es trägt in seiner Gesamtheit die Hauptverantwortung für die entstandene, äußerst komplizierte Lage in unserem Lande. Dem kann es sich nicht mit dem Rücktritt beziehungsweise der Abwahl einiger seiner Mitglieder entziehen. Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein hätten schon auf dem vorigen Plenum des Zentralkomitees die kollektive Demission erfordert. ... Hätte es ein solches klares Bekenntnis zur eigenen Verantwortung gegeben, wäre der Partei und diesem Lande manches erspart geblieben. ... Diese starre Haltung war nur möglich, weil in der Partei das wichtigste Prinzip missachtet und pervertiert wurde, die innerparteiliche Demokratie."

+++ 13:18 Erneut Tausende DDR-Bürger in die Bundesrepublik geflohen +++
Seit 8. November bis zum heutigen Donnerstag werden an der bayerischen Grenze 11.000 Neuankömmlinge aus der DDR gezählt, meldet dpa.

+++ 13:08 Bürger wollen SED-Ferienheime übernehmen +++
Der Wunsch von DDR-Bürgern nach einer Wohnung und einem ruhigen Urlaubsplatz macht auch nicht mehr vor Ferienheimen für hohe Funktionäre halt. In der Ostseestadt Binz wird gefordert, ein Haus für Mitarbeiter des Gewerkschaftsbundes FDGB zu räumen, um so kommunale Wohnungsprobleme zu lösen, heißt es in einem Beitrag der Gewerkschaftszeitung "Tribüne". Ferner wurde angeregt, alle Ferienheime des FDGB mit ihren Gaststätten sowie Kultur- und Sporteinrichtungen generell für die gesamte Bevölkerung zugänglich zu machen. Unter dem Druck der Basis hatte der FDGB vor wenigen Tagen zwei Gästehäuser für hohe Funktionäre für den allgemeinen Feriendienst übergeben. Erstmals wird in DDR-Zeitungen die Zahl von Ferienheime für Funktionäre von Partei und Massenorganisationen veröffentlicht. Es gibt insgesamt 98 Gästehäuser und interne Heime entlang der Küste, davon allein 23 des Ministeriums des Innern, heißt es.

+++ 12:36 Stralsunder Bürgermeister zurückgetreten +++
Die Rücktrittwelle von hohen SED-Funktionären hält an. Der Oberbürgermeister von Stralsund, Horst Lehmann, ist nach 18-jähriger Amtszeit zurückgetreten, meldet die DDR-Nachrichtenagentur ADN. Er habe damit auf Forderungen von Bürgern und die politische Situation in der Stadt reagiert. Zuvor waren bereits die Oberbürgermeister von Leipzig und Magdeburg zurückgetreten. Außerdem legten vier von 15 SED-Bezirkschefs ihre Ämter nieder.

+++ 12:30 Kohl fliegt nach Polen +++
Um die Mittagszeit bricht Bundeskanzler Helmut Kohl zu einem Staatsbesuch nach Polen auf. Mit dabei ist der größte Teil seines Kabinetts. Kohl will sich unter anderem mit Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki treffen, den ersten nichtkommunistischen Regierungschef Polens seit dem Zweiten Weltkrieg.

+++ 12:26 ZK beruft Parteikonferenz ein +++
Die Nachrichtenagentur AFP meldet, das ZK-Plenum der SED habe die Einberufung einer Parteikonferenz für den 15. bis zum 17. Dezember beschlossen. Eine Parteikonferenz ist eine Art außerordentlicher Parteitag. Es wäre erst die vierte Parteikonferenz in der Geschichte der DDR, die letzte war 1956.

Otto Graf Lambsdorff war von 1977 bis 1984 deutscher Wirtschaftsminister.

Otto Graf Lambsdorff war von 1977 bis 1984 deutscher Wirtschaftsminister.

(Foto: imago stock&people)

+++ 12:13 Lambsdorff: Wirtschaftsaufschwung in der DDR nur ohne Sozialismus +++
Einen wirtschaftlichen Aufschwung und einen besseren Lebensstandard wird es in der DDR nach Überzeugung von FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff nur mit einer marktwirtschaftlichen Politik geben. Im Saarländischen Rundfunk äußert er sich kritisch darüber, dass auch in den Oppositionsgruppen "immer noch viel von Sozialismus und von Verteidigen des Sozialismus und von Verbesserung des Sozialismus gesprochen" werde. Wenn viele Menschen in der DDR immer noch an den Sozialismus glaubten, sei das ihre freie Entscheidung. Doch nach seinem Urteil und seinen Erfahrungen könne "das nicht der Weg sein, der zu befriedigenden wirtschaftlichen Ergebnissen in der DDR führen wird", sagt Lambsdorff. Für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der DDR komme es darauf an, dass mit der "ungeheuren Verschwendung von Material, von Arbeitskraft und von Kapital" Schluss gemacht werde.

+++ 12:05 DDR-Wissenschaftler fordern vom ZK geheime Wahlen +++
15 namhafte DDR-Wissenschaftler fordern die Sicherung geheimer Wahlen und Alternativvorschläge für Funktionsbesetzungen vom Zentralkomitee der SED. Auch solle eine Zeitbegrenzung für die Ausübung von Wahlfunktionen auf zwei Perioden festgelegt werden, heißt es in der Stellungnahme, die in der Ost-"Berliner Zeitung" veröffentlicht wurde. Der Beitrag ist überschrieben mit: "Was erwarten wir von der 10. Tagung des Zentralkomitees der SED". Es wird die Offenlegung der Tätigkeit der Partei sowie der Parteifinanzen angeregt. Zum Bereich Wirtschaft heißte es in dem Papier: Es sei dringend erforderlich, an bestehenden, wenn auch kritikwürdigen, Regelungen festzuhalten, so lange es keine besseren Methoden und Mechanismen gebe.

+++ 11:50 "Junge Welt": Walkman für 399 Mark zu teuer +++
Die mangelnde Effektivität der DDR-Wirtschaft dokumentiert die "Junge Welt", das Zentralorgan der FDJ, an diesem Tag plastisch an einem Beispiel: So soll der Walkman "Tramp" aus DDR-Produktion mit Radioteil 399 Mark kosten. "Und der Produzent macht unterm Strich pro Gerät 27,53 Mark minus. Können wir uns das leisten?", schreibt das Blatt.

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(Foto: ASSOCIATED PRESS)

+++ 11:23 Baghwan will DDR erleuchten und zum Paradies machen +++
Der greise indische Guru und Sektenführer Shree Rajneesh Baghwan will die Zeit des Umbruchs in der DDR für sich nutzen. Eine entvölkerte DDR könne Heimat für eine internationale Kommune seiner Anhänger werden. Er und seine Jünger könnten gar ein Paradies aus der DDR machen, um das sie alle Länder, einschließlich der USA und der Bundesrepublik beneiden würden. "Alle verlassen das Land und wenn die derzeitige Situation anhält, wird es bald völlig leer sein. Doch meine Sannyasins (Jünger) können das Vakuum füllen". Die DDR könne ein Modell für die Zukunft des Kommunismus sein, sagt Baghwan auf Fragen deutscher Anhänger zur Lage in der DDR in seinem Meditationszentrum im indischen Poona.

+++ 11:06 Ost-CDU schließt Wiedervereinigung nicht aus +++
Die Deutsche Presseagentur meldet, Winfried Wolk, Mitglied des Hauptvorstandes der DDR-CDU, fordere ein Ende des Führungsanspruchs der SED und einen Abbau der Mauer. Eine Wiedervereinigung halte er nicht für ausgeschlossen, doch müsse sie "von den Menschen, die darin leben, entschieden werden".

+++ 10:53 Kein Kommentar Moskaus +++
Die Sowjetunion gibt zu den politischen Veränderungen in der DDR bisher keine Stellungnahme ab. Rundfunk, Fernsehen und die Presse berichten ausführlich, aber rein nachrichtlich, über den Rücktritt von Politbüro und Regierung sowie über die Wahl des neuen Politbüros und die Rede von SED-Generalsekretär Egon Krenz.

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+++ 10:40 Schabowski: Wahlen mit allen Risiken +++
Für die von DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz angekündigten Wahlen gibt es nach Angaben von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski noch keinen Beschluss und damit auch keinen Termin. Er versichert jedoch im WDR, wenn es zu diesem Beschluss komme, würden es Wahlen ohne jede Einschränkung und "einschließlich aller Risiken, die damit für jede politische Kraft verbunden sind". Schabowski räumt ein, dass die Vorlage des Entwurfs für ein Reisegesetz vielleicht etwas übereilt gewesen sei. Doch soll erreicht werden, dass bis Jahrsende "vollendete Tatsachen" geschaffen werden. Ausdrücklich sei auch darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem Entwurf um eine Diskussionsgrundlage handele.

+++ 10:35 Neues Forum startet Gründung +++
Die oppositionelle DDR-Initiative Neues Forum will jetzt mit Gründungsverhandlungen beginnen. Mit der Bestätigung der Anmeldung durch die DDR-Behörden sei die Möglichkeit gegeben, Anliegen und Ziele des Neuen Forums vielen Menschen der DDR authentisch bekannt zu machen, heißt es in einer Mitteilung, die im Zentralorgan der Ost-CDU "Neue Zeit" veröffentlicht wird. "Wir werden ein Statut erarbeiten, dass das Neue Forum als Bewegung charakterisiert, die Erkenntnisse aus dem ehrlichen Dialog als programmatische Forderung, Vorschlag oder Konzept in politisches Handeln umsetzt", heißt es in dem von Jutta Seidel und Bärbel Bohley unterzeichneten Beitrag. In die Gründungsverhandlungen seien alle Gruppierungen einbezogen, die in der DDR unter dem Namen Neues Forum arbeiten. Mit der jetzt vorliegenden Anmeldungsbestätigung verbinde sich zwingend die Forderung, auch andere oppositionelle Gruppierungen und Parteien zu legalisieren.

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+++ 10:30 FDP-Politiker: Übersiedler sollen Trabis in die DDR verkaufen +++
Die mit "Trabant"- und "Wartburg"-Autos in die Bundesrepublik gekommenen Übersiedler sollen ihre Fahrzeuge an Interessenten in der DDR verkaufen. Das schlägt der FDP-Abgeordnete Josef Grünbeck vor. Er begründet seinen Vorschlag mit dem Ersatzteilmangel für diese Autos in der Bundesrepublik und mit der großen Nachfrage in der DDR. Außerdem könnten sich die Übersiedler so ein erstes Startkapital verschaffen. Das Wechselkursproblem solcher Transaktionen müsse im "Gesamtpaket der anstehenden Finanzierungsfragen" zwischen beiden Staaten gelöst werden, fordert Grünbeck.

+++ 10:20 Krenz für kontrollierte Wahlen +++
Die Deutsche Presseagentur meldet: Der DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz spricht sich für eine demokratische Erneuerung des Sozialismus mit einer Entflechtung von Staat und Partei aus und kündigt freie Wahlen an. In seiner mehrstündigen Rede vor dem Zentralkomitee der SED entwirft Krenz die Grundzüge eines Aktionsprogramms, das vom ZK beraten wird. Alle Reformen sollten der "revolutionären Erneuerung des Sozialismus" dienen. Zugleich weist Krenz alle Auffassungen zurück, die "auf eine Erosion oder gar den Umsturz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung" hinausliefen.

Das Gebäude des Zentralkomitees der SED am Werderschen Markt

Das Gebäude des Zentralkomitees der SED am Werderschen Markt

(Foto: imago stock&people)

+++ 10:00 ZK der SED kommt zusammen +++
Das Zentralkomitee der SED kommt zusammen, um über diverse Probleme zu sprechen - unter anderem über das geplante Reisegesetz und die Demonstrationen, die seit Wochen in der gesamten DDR stattfinden.

+++ 06:00 Bärbel Bohley: Die DDR gehört uns +++
In der DDR-Zeitung "Der Morgen" erscheint ein Interview mit der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. Darin wird sie gefragt, wie gefährlich öffentliches Andersdenken in der DDR gewesen sei. Ihre Antwort: "Es gab in diesem Land nichts Gefährlicheres, als anders zu denken. Und das war schon vor mir so. Leute wurden dafür bestraft, weil sie selbstständig dachten." Dennoch habe sie immer in der DDR bleiben wollen: "Eigentlich gehört das Land uns und nicht denen, die es regieren."

+++ 05:59 Tausende fliehen, Hunderttausende protestieren +++
Seit Monaten fliehen DDR-Bürger über die Tschechoslowakei und Ungarn in die Bundesrepublik; täglich erhalten rund 3000 Menschen in der bundesdeutschen Botschaft in Prag Reiseunterlagen. Bereits seit Jahren protestieren Bürgerrechtler in der DDR gegen das SED-Regime. Die Demonstrationen werden immer größer - am 4. November haben sich Hunderttausende friedlich am Alexanderplatz versammelt. Doch noch ist der Machtkampf nicht entschieden.

Quelle: ntv.de, hvo/cro/bwe/dpa

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