Geschenke gibt es später Die Ukraine feiert Weihnachten am 25. Dezember


Weihnachtsgottesdienst im orthodoxen St. Michaels-Kloster in Kiew am 24. Dezember 2023.
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Der russische Angriffskrieg führt auch im Alltag dazu, dass Traditionen sich verändern. Erstmals feiern mehr Menschen Weihnachten am 25. Dezember. Ein Relikt aus Sowjetzeiten bleibt allerdings erhalten.
Zum zweiten Mal in Folge verbringt die Ukraine Weihnachten im Zustand des vollumfänglichen Kriegs gegen Russland. Schon der russische Angriff vom 24. Februar 2022 markierte den historischen Bruch mit Moskau. Die aktuelle Feiertagssaison stellt einen weiteren Meilenstein dar: Erstmals überwiegt die Zahl der Menschen, die Weihnachten am 25. Dezember feiern, statt nach dem julianischen Kalender am 7. Januar, wie das in vielen orthodoxen Ländern üblich ist.
Bereits seit einigen Jahren ist der 25. Dezember gesetzlicher Feiertag in der Ukraine, und die Tendenz zu diesem Termin ist auch schon über mehrere Jahre gerade in größeren Städten zu beobachten. Die Ukraine ist zwar, abgesehen von einigen Regionen im Westen des Landes, ein orthodox geprägtes Land. International gesehen gibt es allerdings genug orthodoxe Kirchen, die dem julianischen Kalender nicht folgen und den 25. Dezember bevorzugen. Für viele Ukrainer warf das die Frage auf, ob es nicht sinnvoller ist, Weihnachten zusammen mit dem großen Rest der Welt zu feiern.
Die russische Großinvasion hat diese Tendenz noch einmal beschleunigt, und so hat das ukrainische Parlament den 7. Januar aus der Liste der gesetzlichen Feiertage gestrichen. Die wichtigste orthodoxe Kirche der Ukraine hatte sich schon vorher auf den 25. Dezember festgelegt. Damit ist die Feiertagssaison 2023/2024 die erste, in der Weihnachten offiziell nur am 25. Dezember gefeiert wird.
Neujahr bleibt der wichtigere Feiertag
Im Alltag gibt es weiterhin Menschen, die am 7. Januar feiern werden. Doch ihre Anzahl ist noch einmal deutlich nach unten gegangen. Einer Studie des Marktforschungsunternehmens Kantor Ukraine zufolge haben sich mehr als 60 Prozent der Ukrainer eindeutig für den 25. Dezember entschieden. Vor dem 24. Februar 2022 sah die Lage noch völlig anders aus: Nur 18 Prozent hatten ausschließlich am 25. Dezember gefeiert. Rund ein Viertel hatte es aber schon damals vor, an beiden Tagen zu feiern.
Weiterhin gilt allerdings, dass der 1. Januar in der Ukraine ein wichtigerer Feiertag im Vergleich zu Weihnachten bleibt. Das zeigt auch die Umfrage von Kantor Ukraine: 70 Prozent der Ukrainer planten, Geschenke zu Neujahr zu machen, 41 Prozent zu Weihnachten. Diese Tradition ist ein Relikt der Sowjetzeit, die ein weltliches Fest auf Kosten eines religiösen Familienfeiertags aufgewertet hat. Wirkliche Partys kann es in der Ukraine auch in diesem Jahr nicht geben: In allen Regionen außer Transkarpatien gilt eine nächtliche Sperrstunde, die für die Silvesternacht nicht aufgehoben wird. Daher tendieren 57 Prozent der Ukrainer dazu, sich schlicht mit Familienmitgliedern zusammenzusetzen.
Silvester im Flur oder im Luftschutzkeller
Die Erfahrung aus dem letzten Jahr zeigte aber, dass solche Zusammenkünfte gerade in Kiew letztlich im Wohnungsflur oder im Luftschutzkeller stattfinden dürften - und damit muss auch in diesem Jahr gerechnet werden. Die Anzahl der Raketen- und Drohnenangriffe auf die Hauptstadt hat schon in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Im letzten Jahr wurde Kiew am 31. Dezember tagsüber mit Raketen beschossen, pünktlich nach Mitternacht folgte ein Angriff mit mehr als 30 Drohnen. Der Sekt zum Anstoßen auf das neue Jahr musste daher überwiegend im Wohnungsflur getrunken werden - dort ist es sicherer, weil bis zum Fenster mindestens zwei Zimmerwände sind.
Solche Szenen wird es in knapp einer Woche wahrscheinlich erneut geben. Insgesamt herrscht im weihnachtlichen Kiew eine komplizierte Atmosphäre. Der große Weihnachtsbaum auf dem Sophienplatz in der Oberstadt ist sogar noch kleiner als 2022, was als Symbol für das schwierige Jahr gesehen werden kann, das militärisch nicht so gelaufen ist, wie erhofft. Doch obwohl es erneut keinen richtigen Weihnachtsmarkt gibt, fühlte sich die Stadt in den vergangenen Tagen feierlicher an. Das könnte damit zu tun haben, dass es noch keine größeren Stromausfälle gab, die Straßenbeleuchtung eingeschaltet blieb und die Dekorationen daher zu sehen sind. Weil auch Cafés und Restaurants Strom haben, sind auf den Straßen auch die Songs aus deren Weihnachtsplaylists zu hören.
Auf den ersten Blick finden auch etwas mehr der traditionellen Firmenfeiern statt als im letzten Jahr. Spricht man mit Restaurantbesitzern, kommt man jedoch schnell zu der Einsicht, dass dieser Eindruck täuscht. Ob das den fehlenden militärischen Siegen, der schwierigen finanziellen Lage der Menschen oder den unklaren Perspektiven für 2024 geschuldet ist, kann man nur raten. "Mit dem Verzicht auf das Feiern wird ohnehin niemandem geholfen, auch den Soldaten an der Front nicht. Das bringt uns dem Sieg nicht näher", fasst Andrij, ein Kleinunternehmer, die Meinung vieler zusammen. Und laut Kantor Ukraine erwarten 53 Prozent, dass 2024 ein besseres Jahr als 2023 sein wird. Das ist zwar ein Prozent weniger als im Vorjahr, doch dieser Wert ist gerade jetzt, im Dezember 2023, nicht selbstverständlich.
Quelle: ntv.de