Strenge Regeln gegen Korruption EU-Abgeordnete wollen sich selbst an die Leine legen
16.02.2023, 19:27 Uhr
Die Parlamentarier fordern unter anderem ein Verbot von bezahlten Aktivitäten, die einen Interessenskonflikt hervorrufen könnten.
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Mit ihren Koffern voll Geld ist die Ex-Parlamentsvizepräsidentin Kaili eine Ausnahme. Viele andere Abgeordnete im Europa-Parlament sind zwar nicht korrupt, profitieren aber von Einladungen, die Dritte bezahlen. Das ist bislang legal. Die Parlamentarier wollen dies ändern.
Als Reaktion auf den Korruptionsskandal im EU-Parlament wollen die Abgeordneten schärfere Regeln im Kampf gegen Bestechung einführen. Die bisherigen Reformen seien nur ein notwendiger erster Schritt, hieß es in einer mit großer Mehrheit in Straßburg verabschiedeten Resolution. Die Parlamentarier fordern unter anderem ein Verbot von bezahlten Aktivitäten, die einen Interessenskonflikt hervorrufen könnten. Reisen, die von Drittstaaten bezahlt wurden, sollen demnach vorher genehmigt werden müssen. Außerdem sollen die Abgeordneten zu Beginn und am Ende ihres Mandats Vermögenserklärungen abgeben. Ein erstes Reformpaket wurde bereits verabschiedet.
So lassen sich deutsche Europaabgeordnete auf ihren Reisen so manches von Dritten bezahlen. Dabei verstoßen zahlreiche Politiker gegen ihre Offenlegungspflichten, wie eine Auswertung der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dabei wurden alle EU-Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien gefragt, ob sie von Dritten bezahlte Reisen sowie Veranstaltungen und Geschenke in der laufenden Legislatur den internen Regeln des Parlaments zufolge korrekt offengelegt haben. Im Zuge des Korruptionsskandals um das EU-Parlament sind solche - zulässigen - Aufmerksamkeiten verstärkt in den Fokus geraten.
Die Liste der Auszahlungen ist lang: Katarina Barley, eine der Vizepräsidentinnen des EU-Parlaments, hat sich den Unterlagen zufolge im November 2021 eine Nacht im Frankfurter Luxushotel Villa Kennedy bezahlen lassen, als sie auf einem Presseball war. Wenige Monate zuvor hatte die SPD-Politikerin eine Übernachtung im Fünf-Sterne-Hotel Le Méridien in Hamburg von der Organisation Strasburger Kreise bezahlt bekommen. Laut Website der Organisation hat sie in diesem Rahmen den 72 geladenen Gästen in ihrer Rede einen schonungslosen Blick auf die Europäische Union gegeben. Zudem war sie im Oktober 2021 bei einem Spiel des 1. FC Köln, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Auf die Fragen zu den Reisen teilte Barley mit: "Ich habe insgesamt 13 Reisen angemeldet - unbeschadet der Tatsache, ob sie meldepflichtig sind oder nicht."
"Das EU-Ethikgremium muss Zähne haben"
Hintergrund ist der im Dezember öffentlich gewordene Bestechungsskandal, bei dem Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch die Regierungen von Katar und Marokko vermutet wird. Den Beschuldigten wird von der Staatsanwaltschaft Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, der mutmaßliche Drahtzieher Antonio Panzeri und andere Verdächtige sitzen seit Dezember in Untersuchungshaft.
Die Abgeordneten forderten zudem schärfere Transparenzregeln für Nichtregierungsorganisationen, auch weil zwei solcher Organisationen unter Umständen in den Skandal verwickelt sein könnten. Nach Angaben der EU-Kommission erhielt Panzeris Organisation "Fight Impunity" zwar kein EU-Geld, wohl aber die zweite verdächtige Organisation "No Peace without Justice". Sie erhielt nach Angaben der Kommission seit 2006 für sieben bereits abgeschlossene Projekte knapp fünf Millionen Euro. Für zwei noch laufende Projekte seien 2,7 Millionen Euro eingeplant, von denen wegen der laufenden Untersuchung 1,37 Millionen Euro noch nicht ausgezahlt worden seien.
In einer zweiten Resolution forderten die Abgeordneten außerdem mehr Tempo bei der Einrichtung eines unabhängigen Ethikgremiums für die EU-Institutionen. "Das EU-Ethikgremium muss Zähne haben", forderte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. "Die Selbstkontrolle muss ersetzt, nicht durch ein Beratungsgremium ergänzt werden." Ein Vorschlag der EU-Kommission für ein solches Gremium soll nach Angaben von Kommissionsvize Vera Jourova im März vorgestellt werden.
Quelle: ntv.de, lve/dpa