Notfallpläne für den Kriegsfall EU bereitet sich auf Ukraine-Flüchtlinge vor
20.02.2022, 16:17 Uhr
Sollte Russland die gesamte Ukraine angreifen, und nicht nur den Ostteil des Landes, könnten viele Menschen ins Ausland fliehen.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Sollte es zu einem Angriff Russlands auf die Ukraine kommen, könnten Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Die EU will vorbereitet sein und stimmt sich vor allem mit den direkten Nachbarländern der Ukraine ab. Die FDP hofft, dass dadurch Bewegung in einen alten Streit kommt.
Die EU bereitet sich für den Fall eines russischen Angriffes gegen die Ukraine auf einen möglichen Zustrom von Kriegsflüchtlingen vor. "Ja, wir arbeiten daran", sagte die für das Thema zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Bereits seit einigen Wochen würden mit den Mitgliedstaaten Notfallpläne erstellt - insbesondere mit denen, die unmittelbar an die rund 41 Millionen Einwohner zählende Ukraine grenzen.
Grundlage für die Vorbereitungen sind nach Angaben von Johansson unterschiedliche Szenarien, die basierend auf Informationen der Vereinten Nationen und Erfahrungen nach dem russischen Vorgehen gegen die Ukraine im Jahr 2014 erstellt wurden. Für den Fall eines Angriffs nur im Osten wird so zum Beispiel damit gerechnet, dass die meisten flüchtenden Menschen erst einmal im westlichen Teil der Ukraine Schutz suchen. Sie würden dann dort Unterstützung brauchen, sagte die Schwedin.
Als vermutlich wichtigstes Fluchtziel in der EU nannte Johansson das direkt an die Ukraine grenzende Polen, daneben aber auch Italien, Deutschland und Frankreich. Nicht sagen wollte sie, mit vielen Kriegsflüchtlingen in den unterschiedlichen Szenarien gerechnet wird.
Anhaltspunkte hatte allerdings bereits am Freitag US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei einem Besuch in Warschau gegeben. Seinen Angaben zufolge könnte allein Polen "Zehntausende von vertriebenen Ukrainern und anderen Menschen über seine Grenze strömen sehen, die versuchen, sich und ihre Familien vor den Schrecken des Krieges zu retten". Weitere direkte Nachbarländer der Ukraine in der EU sind die Slowakei, Ungarn und Rumänien.
FDP sieht Chance für "Koalition der Willigen"
Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sieht in der Ukraine-Krise eine Möglichkeit zur Einbindung Polens und weiterer Länder in eine EU-Asylpolitik. "Eine gerechte Verteilung der in der EU ankommenden Flüchtlinge scheiterte vor allem an den osteuropäischen Visegrad-Staaten", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag der "Welt". "Jetzt in der Ukraine-Krise sieht Polen, wie wichtig eine gemeinsame europäische Verteilung wäre. Denn vor allem Polen wäre von großen Fluchtbewegungen aus der Ukraine betroffen."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sollte diese Gelegenheit nutzen, konkrete Zusagen für eine Flüchtlingsverteilung von möglichst vielen EU-Staaten einzuholen, sagte Thomae. "Jetzt ist die Gelegenheit, die Koalition der Willigen zu schmieden, um einen gerechten Verteilungsmechanismus zu erreichen."
Faeser hat angekündigt, einen neuen Vorstoß für eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu unternehmen und dabei eine Koalition der Willigen einzubinden. Dabei wird die SPD-Politikerin von der EU-Kommission und der amtierenden französischen EU-Ratspräsidentschaft unterstützt. Vor allem Polen und Ungarn haben sich bislang geweigert, Menschen etwa aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan aufzunehmen.
Quelle: ntv.de, jhe/dpa/rts