Einigung für Luftqualität EU rückt auf Drängen Berlins von Fahrverboten ab
21.02.2024, 21:16 Uhr Artikel anhören
Zu den Auflagen sollen Fahrverbote nicht gehören, was auf Drängen Deutschlands durchgesetzt wurde.
(Foto: picture alliance / imageBROKER)
2021 sterben mehr als 300.000 Menschen in der EU aufgrund von Luftverschmutzung. Die Europäische Union erzielt nun einen Kompromiss, wonach die Grenzwerte für Feinstaubpartikel bis 2030 um 60 Prozent gesenkt werden. Bei den Verhandlungen sorgt Deutschland dafür, dass es keine Fahrverbote geben soll.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat die Einigung für bessere Luftqualität in der EU als Erfolg gelobt. "Das ist ein großer Fortschritt für saubere Luft und die Gesundheit der Menschen in Europa, weil in Zukunft Schadstoffe in der Luft deutlich reduziert werden", sagte die Grünen-Politikerin. Der Kompromiss zwischen Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und Kommission habe zentrale deutsche Forderungen aufgenommen. So habe man durchgesetzt, dass Fahrverbote durch die Neuregelung nicht möglich sind.
In Regierungskreisen hieß es, mit den Regelungen könnten die Luftgrenzwerte auch ohne diese Einschränkungen erreicht werden. Hier seien sich sowohl Ministerien der Grünen als auch der FDP einig gewesen. Nach Daten der Europäischen Umweltagentur starben 2021 wegen der Luftverschmutzung mehr als 300.000 Menschen in der EU. Allein der Feinstaub durch Reifenabrieb oder Industrieanlagen sei für mehr als 250.000 Tote verantwortlich. Dazu kommen Stickoxide, etwa durch Diesel. Die Grenzwerte für Feinstaubpartikel werden der Einigung zufolge bis 2030 um 60 Prozent gesenkt. Allerdings dürfen Staaten in Ausnahmefällen und unter Auflagen das Zieljahr nach hinten verschieben. Zu diesen Auflagen sollen aber Fahrverbote nicht gehören, was auf Drängen Deutschlands durchgesetzt wurde.
Das EU-Parlament hatte strengere Vorgaben gefordert, sich aber nicht durchsetzen können. Die Gesundheitsorganisation "Centre for Planetary Health" sprach von einem wichtigen Schritt der EU. "Die Europäische Kommission zeigt, dass die Einsparungen durch geringere Gesundheitsausgaben die Kosten für die Luftreinhaltung um ein Vielfaches übertreffen", sagte die Düsseldorfer Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann. Man nähere sich damit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO an und könne so das Ausmaß von Herzkrankheiten und sogar Demenz vorbeugen. "Es ist notwendig, dass wir jetzt unsere Grenzwerte an die wissenschaftlichen Erkenntnisse angleichen", so Hoffmann weiter.
CDU warnt vor Klagewelle
Die Union im Bundestag argumentierte jedoch, der Kompromiss schieße weit über das Ziel hinaus. Technisch nicht machbare Grenzwerte dienten weder Umwelt noch Gesundheit, sagte Vize-Fraktionschef Steffen Bilger. Man habe die Warnung von Kommunen und Wirtschaft vor Einschnitten bei Mobilität und Industrieproduktion ignoriert. "Aufgrund der neu vorgesehenen individuellen Entschädigungsrechte ist nun zudem mit Klagewellen zu rechnen", warnte Bilger.
Deutschland hatte jahrelang gegen die alten EU-Grenzwerte, vor allem bei Stickoxiden, verstoßen und hatte ein EU-Verfahren gegen sich ausgelöst. Konkrete Sanktionen sah die EU-Regelung jedoch nicht vor. Umweltverbände setzten über Gerichtsklagen letztlich durch, dass in einigen deutschen Städten in einzelnen Straßenzügen Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge ausgesprochen werden mussten. Mittlerweile werden die Grenzwerte in Deutschland fast überall wieder eingehalten.
Quelle: ntv.de, lve/rts