Eskalation im Schuldenstreit EU weist Italiens Haushaltsentwurf zurück
23.10.2018, 15:30 Uhr
Italiens Regierende und die EU haben unterschiedliche Ansichten, wie der Haushalt des Landes aussehen sollte.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Es ist eine historische Entscheidung: Zum ersten Mal überhaupt verlangt die EU-Kommission von einem Euro-Land, den Haushaltsentwurf fürs kommende Jahr zu überarbeiten. Damit eskaliert der Streit mit der populistischen Regierung in Italien.
Die EU-Kommission weist erstmals den Haushaltsentwurf eines Euro-Staates zurück. Die Pläne der italienischen Regierung stünden nicht in Einklang mit dem EU-Stabilitätspakt, teilte die EU-Kommission in Straßburg mit. Das Land habe nun drei Wochen Zeit, einen überarbeiteten Haushaltsplan vorzulegen.
Nachdem sämtliche Faktoren berücksichtigt und die italienischen Behörden konsultiert worden seien, gelangte die Kommission demnach zu der Auffassung, dass der italienische Haushaltsplan 2019 eine "besonders schwerwiegende Abweichung" von der EU-Empfehlung sei.
"Italien hat einen der höchsten Schuldenstände in Europa und dieser kostet die italienischen Steuerzahler in etwa so viel wie die Bildung", erklärte Valdis Dombrovskis, Vizepräsident für den Euro und zuständig für Finanzstabilität. "Angesichts dessen sehen wir keine andere Möglichkeit, als die italienische Regierung aufzufordern, ihren Haushaltsplan für 2019 zu überarbeiten."
Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten teilte mit: "Die heute von der Kommission angenommene Stellungnahme dürfte niemanden überraschen, da der Haushaltsplan der italienischen Regierung eine klare und vorsätzliche Abweichung von den Zusagen darstellt, die Italien im vergangenen Juli abgegeben hat." Die Tür werde allerdings nicht zugeschlagen, sondern vielmehr wolle die EU den "konstruktiven Dialog mit den italienischen Behörden fortsetzen".
Salvini will an Entwurf festhalten
Hintergrund des aktuellen Streits ist der Schuldenkurs der neuen Regierung in Rom. Die Koalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega hatte am 15. Oktober einen Haushaltsentwurf nach Brüssel geschickt, der eine Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht - dreimal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Sie will damit Wahlversprechen finanzieren, etwa höhere Pensionen.
Trotz heftiger Kritik aus Brüssel und Nervosität an den Finanzmärkten hält die Regierung an den Plänen fest. Vize-Premier Matteo Salvini kündigte bereits an, auch jetzt nichts an dem Entwurf ändern zu wollen. "Es ändert sich nichts, die Herren der Spekulation mögen abtreten, es gibt keinen Weg zurück", sagte Salvini bei einem Besuch in Bukarest laut Nachrichtenagentur Ansa. Die EU-Kommission würde nicht eine Regierung, "sondern ein Volk attackieren". Man werde den Italienern "keinen einzigen Cent" aus den Taschen nehmen.
In einem Zeitungsbericht hieß es allerdings, bei einem Anstieg der Anleiherenditen sei Italien bereit, den Etat zu ändern. Der "Plan B" der Regierung sehe Anpassungen bei den Rentenplänen und beim Grundeinkommen vor, berichtete die Zeitung "Il Messagero" ohne Angabe von Quellen. Die Regierung könnte reagieren, wenn die italienischen Anleihenrenditen im Vergleich zu deutschen Papieren stark stiegen. Derzeit liegt die Verzinsung italienischer Bonds bei 3,5 Prozent - für deutsche werden lediglich 0,4 Prozent fällig.
An den Finanzmärkten ging es derweil steil bergab. Anleger warfen Aktien aus ihren Depots und deckten sich mit der "Anti-Krisen-Währung" Gold ein. Der Dax sackte um bis zu 2,5 Prozent ab. Auslöser sind Analysten zufolge nicht nur die Italien-Krise, sondern auch die Brexit-Unsicherheiten, der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie durchwachsene Firmen-Bilanzen.
"Unsere Union nimmt Schaden"
In Europa ist maximal eine Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt. Damit soll die Stabilität der Gemeinschaftswährung gewährleistet werden. Italien weist aber einen enormen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro und mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung nach Griechenland die höchste Schuldenquote in Europa auf. Das ist das Verhältnis der Gesamtverschuldung zum BIP. Das Land ist daher verpflichtet, mittelfristig seine Schulden zu reduzieren.
"Die italienische Regierung stellt sich offen und bewusst gegen die Zusagen, die sie sich selbst und den anderen EU-Staaten gegeben hat", sagte Dombrovskis weiter. "Wenn das Vertrauen erodiert, nehmen alle EU-Staaten Schaden, unsere Union nimmt Schaden." Nach Eintreffen der korrigierten Haushaltspläne aus Rom hätte die EU-Kommission noch einmal drei Wochen Zeit, um ihre endgültige Meinung zu bilden.
"Es ist verlockend, zu versuchen, Schulden mit noch mehr Schulden zu heilen", meinte Dombrovskis. Aber ab einem gewissen Punkt wögen die Schulden zu schwer. Italiens Schulden seien schon jetzt teuer, die Kosten trügen die Steuerzahler.
Direkte Sanktionsmöglichkeiten gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die EU-Kommission könnte in einem weiteren Schritt ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien einleiten. An dessen Ende könnten die EU-Finanzminister theoretisch bei anhaltenden Verstößen gegen die Stabilitätsregeln finanzielle Sanktionen beschließen. Dies scheint jedoch unwahrscheinlich. 2016 ließen die EU-Staaten etwa - allerdings unter etwas anderen Umständen - trotz erheblicher Verstöße Nachsicht mit Spanien und Portugal walten.
Quelle: ntv.de, fzö/rts/dpa