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Nicht mehr "streng geschützt" EU will Schutzstatus für Wölfe senken

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Ein freilaufender Wolf auf einer Wiese nahe der Elbe wenige Kilometer von Bad Schmiedeberg entfernt.

Ein freilaufender Wolf auf einer Wiese nahe der Elbe wenige Kilometer von Bad Schmiedeberg entfernt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Um den legalen Rahmen für die Jagd auf Wölfe wird seit Jahren gestritten. Landwirten sind Wolfsübergriffe auf Herden ein Dorn im Auge. Andere sehen im Wolf eine sehr vertraute Tierart. Die Europäische Kommission macht nun einen Vorstoß. Ob der gelingt, ist aber unklar.

Die Europäische Kommission will die strengen Schutzregeln für Wölfe lockern. Man schlage vor, den Status des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" herabzusenken, teilte die Brüsseler Behörde mit. Dies würde es erlauben, die Jagd auf Wölfe zu genehmigen, wenn dadurch nicht der Erhalt von Populationen gefährdet wird.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte zu dem Vorstoß, die Rückkehr des Wolfs sei eine gute Nachricht für die Artenvielfalt in Europa. Die Dichte der Wolfsrudel in einigen europäischen Regionen sei inzwischen jedoch zu einer echten Gefahr geworden, insbesondere für die Nutztierhaltung.

Von der Leyen berief sich dabei auf eine gleichzeitig veröffentlichte Analyse, die zeigt, dass die Wolfspopulationen in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen haben und immer größere Gebiete besiedeln. Demnach gibt es mittlerweile mehr als 20.000 Wölfe mit meist wachsenden Populationen und expandierenden Streifgebieten sowie Rudel mit Welpen in 23 Mitgliedstaaten.

Zahl der Wolfsübergriffe steigt

Mit dem Vorschlag für ein Herabsetzen des Schutzstatus für Wölfe kommt die EU-Kommission insbesondere den Forderungen von Nutztierhaltern und Landwirten nach. Diese verweisen seit langem auf zunehmende Probleme. Allein in Deutschland ist die Zahl der Wolfsübergriffe auf Nutztiere laut einem Bericht im vergangenen Jahr deutlich auf mehr als 1000 Fälle gestiegen. Dabei wurden mehr als 4000 Nutztiere getötet oder verletzt.

Ob die Bundesregierung den Vorstoß unterstützt, ist bisher unklar. Umweltministerin Steffi Lemke hatte sich Anfang des Jahres noch klar gegen die Absenkung des Schutzstatus für Wölfe ausgesprochen und unter anderem darauf verwiesen, dass der Abschuss von einzelnen auffälligen Wölfen auch heute schon unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Die Umweltminister von Bund und Ländern hatten sich vor rund drei Wochen darauf verständigt, dass problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, in Deutschland künftig deutlich schneller als bisher getötet werden können. Anders als zuvor muss demnach nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden.

InfografikWissen: Wolfsvorkommen in Deutschland

Lemke: "Nicht so tun, als ob der Wolf Müll ist und weg kann"

In einem Interview warnte Lemke jüngst und kurz vor dem EU-Vorstoß davor, den Wolf zu verteufeln. "Er ist der naheste Verwandte eines unserer beliebtesten Haustiere, dem Hund, und deshalb sollten wir nicht so tun, als ob der Wolf Müll ist und weg kann", sagte die Grünen-Politikerin. Es müsse die Balance geschaffen werden zwischen Weidetierhaltung und der Tatsache, dass der Wolf sich in Deutschland wieder angesiedelt habe.

In der vergangenen Woche war in Brandenburg möglicherweise ein Spaziergänger von einem Wolf angegriffen worden. Nach Polizeiangaben war der 47-Jährige mit seinem Hund in einem Waldstück unterwegs, als er dem Tier begegnete. Es habe den Hund angegriffen. Als der Mann einschritt, sei er mehrfach gebissen worden und habe sich schwere Verletzungen zugezogen. Genetische Untersuchungen sollen nun Klarheit darüber bringen, ob der Mann tatsächlich von einem Wolf angegriffen wurde.

Vorschlag braucht breite Unterstützung

Um den Vorschlag der EU-Kommission umzusetzen, müssten ihm in einem ersten Schritt mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen. Gleichzeitig müssen diese allerdings auch zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren. Im nächsten Schritt müsste der Vorschlag dann auch noch den anderen Vertragsparteien des sogenannten Berner Übereinkommens vorgelegt werden. Dieses soll in ganz Europa und darüber hinaus die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume sichern.

Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie BUND, NABU und WWF kritisierten das Vorgehen der EU-Kommission und forderten, den Herdenschutz zu verbessern. "Alle wissenschaftlichen Studien belegen, dass die Zahl der Nutztierrisse von der Qualität des Herdenschutzes abhängt und nicht von der Zahl der Wölfe", sagte etwa der BUND-Vorsitzende Olaf Band.

Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigte sich dagegen optimistisch, dass man Lösungen finden könne, um nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Lebensgrundlage der Landbevölkerung zu schützen. Die Politikerin hat in der Vergangenheit selbst eine traurige Erfahrung mit einem Tier gemacht. Im September 2022 riss ein Grauwolf in ihrer Heimat in Niedersachsen ihr 30 Jahre altes Pony Dolly.

Quelle: ntv.de, Ansgar Haase, dpa

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