
Italiener ist er erst seit ein paar Monaten: Eike Schmidt über den Dächern von Florenz.
(Foto: Andrea Affaticati)
Acht Jahre war Eike Schmidt Direktor der weltberühmten Uffizien. Jetzt will er Bürgermeister von Florenz werden. Er selbst ist parteilos, setzt als Weggefährten aber auf die in Rom regierende rechte Koalition.
Das Theater, in das Eike Schmidt, eingeladen hat, ist voll. Geschätzt sind mehr als tausend Unterstützter gekommen, um zu hören, was der Deutsche mit Florenz vorhat, sollte er im Juni zum Bürgermeister der Stadt gewählt werden.
Schmidt hat nicht nur einen für italienische Verhältnisse ungewöhnlichen Namen, er ist auch erst seit Kurzem italienischer Staatsbürger. In Florenz lebt er allerdings schon eine ganze Weile: Acht Jahre lang war der gebürtige Freiburger, der mit einer Italienerin verheiratet ist, Direktor der Uffizien.
Nach einer kurzen Videoeinführung beginnt Schmidt seinen Auftritt am Dienstagabend mit dem Satz: "Mein Traum ist es, Florenz wieder wunderbar zu machen." Das ist das Wahlmotto des 55-Jährigen: "Firenze Magnifica", wunderbares, einzigartiges Florenz. Er spricht von mehr bezahlbaren Kindergärten, von einer Nachmittagsbetreuung für die Kleinen, aber auch für die Schüler, von der Notwendigkeit, mehr Studentenheime zu haben, anstatt Hotels für Studierende, von einer Wiederbelebung des Handwerks, dem Florenz seine Einzigartigkeit verdanke, von Migranten, die aufzunehmen seien, ohne aber die Sicherheit der Einwohner zu gefährden. Der städtische Park le Cascine, der im Laufe der Jahre immer gefährlicher geworden sei, soll zum Central Park von Florenz werden. "Im Central Park in New York zählte man in den 70er-Jahren einen Toten am Tag, heute wird er von Familien und Menschen aller Altersschichten besucht", sagt Schmidt.
"Ich will gar nicht Politiker werden"
Obwohl Schmidt rhetorisch und in seinem Auftreten noch ein wenig unbeholfen wirkt, ernten seine Vorschläge und Vorhaben immer wieder Applaus. Eine Art Zeugnis seiner Fähigkeiten ist seine Zeit in den Uffizien. Während seiner zwei Amtsperioden hat er das Museum modernisiert, erweitert, die Warteschlangen abgeschafft und die Einnahmen deutlich gesteigert.
Trotzdem liegt eine Frage auf der Hand: Kann man einfach so Politiker werden? "Ich will ja gar nicht Politiker werden", antwortet Schmidt im Gespräch mit ntv.de. "Ich will Administrator der Stadt werden, diese Fähigkeiten, die ich mittlerweile seit über zwanzig Jahren im Museumsbereich und eine Zeitlang auch im privaten Sektor erworben habe, für die Stadt einsetzen. Ich habe mich immer gegen die Politisierung des Kunstbetriebs gewandt und ich halte es auch für fragwürdig, wenn die Kommunalpolitik zu stark durch große ideologische nationale und internationale Fragen politisiert wird."
Unterstützung von rechts
Angst vor einer Nähe zu den italienischen Rechtsparteien hat Schmidt jedenfalls nicht. Zwar könnte Schmidts Wahlprogramm auch von den italienischen Sozialdemokraten der Demokratischen Partei mitgetragen werden. Unterstützt wird er allerdings von den postfaschistischen Fratelli d'Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, von Matteo Salvinis rechtsnationalistischer Lega und Forza Italia, der Partei des im vergangenen Jahr gestorbenen Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi.
Wie kam es dazu? "Dass ich mich zur Wahl gestellt habe, war nicht meine Idee", sagt Schmidt und klingt dabei doch wie ein echter Politiker. "Der Vorschlag kam voriges Jahr, im Juli. Und zwar von ganz normalen Passanten, als klar wurde, dass diese Regierung auf die Beschränkung von zwei Mandaten für die Museumsdirektoren bestehen würde. Viele Florentiner wollten mich aber weiter haben - daher die Aufforderung, für den Bürgermeisterposten zu kandidieren." Am Anfang habe er das lediglich als aufmunterndes Schulterklopfen empfunden. Da ihn aber immer mehr darum gebeten hätten, habe er begonnen, sich ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen, was er für die Stadt, die er seit seiner Kindheit liebe, machen könne. Im Januar entschloss er sich dann, in das Rennen einzusteigen.
Schmidt betont, dass er als unabhängiger Kandidat antrete. Das Bündnis seiner Unterstützer reiche "von liberal bis zu konservativ", auch Bürgerlisten zählten dazu. Er selbst beschreibt sein Programm als bürgerlich-pragmatisch.
"Er ist Italiener"
Dennoch bleibt es skurril, dass eine nationalistische Partei wie Fratelli d'Italia einen Deutschen zum Bürgermeister von Florenz machen will. Giovanni Donzelli, ein enger Vertrauter von Ministerpräsidentin Meloni und selbst gebürtiger Florentiner, bestreitet diese Annahme. Ohne mit der Wimper zu zucken, sagt er über Schmidt: "Er ist Italiener." Und um weitere Einwände zu stoppen, wiederholt er es gleich noch einmal: "Er ist Italiener."
Andere Teilnehmer der Veranstaltung sehen Schmidts Herkunft sogar als Vorteil. "Wir Florentiner benehmen uns heute noch wie die politisch verfeindeten Guelfen und Ghibellinen aus dem Mittelalter", sagt eine Frau. "Deswegen hat einer, der von draußen kommt, mehr Chancen." Ein Mann fügt hinzu: "Das verschafft uns sicher mehr Gehör im Ausland."
Das Durchschnittsalter der Anwesenden liegt bei 50, da und dort sind aber auch Jüngere zu sehen. Wie die drei Studierenden Marco, Lorenzo und Caterina, die sich von Schmidt bezahlbare Unterkünfte erhofften. Oder Manuele, für den Schmidt "ein Mann mit Visionen ist, und so einen braucht die Stadt dringend".
"Florenz erstickt unter Touristen"
Die Wahl wird zeitgleich mit den EU-Wahlen am 8. und am 9. Juni stattfinden. Da das Mitte-Links-Lager sich wieder einmal nicht auf einen Kandidaten einigen kann, stehen die Chancen für Schmidt, sollte er es in die Stichwahl schaffen, nicht schlecht. Es heißt, in diesem Fall würde der ehemalige Bürgermeister von Florenz und Ex-Premier Matteo Renzi seine Gefolgschaft auffordern, Schmidt zu wählen.
Einmal angenommen, er gewinnt das Rennen: Denkt er wirklich, dass die jetzigen Verbündeten ihm völlige Beinfreiheit lassen werden? "Natürlich nicht", antwortet Schmidt. "Die Beinfreiheit muss man sich nehmen. Das ist wie beim Fußball." Klar sei aber auch, wer nach einem Sieg die Fäden in der Hand habe: "der Bürgermeister".
Hört man sich in der Stadt um, sind die Gefühle Schmidt gegenüber gemischt. Franco ist Dekorateur und hat eine Werkstatt nicht weit vom Dom. "Schmidt finde ich absolut in Ordnung, Florenz ist aber ein schwieriges Pflaster. Die Leute zerfrisst der Neid, wenn jemand Erfolg hat, deswegen wird er es nicht leicht haben, sollte er gewinnen." Eine, die ihn absolut nicht wählen wird, ist Martina, Psychotherapeutin und schon etwas betagt. "Als er die Uffizien übernahm, versprach er, den Besuch zu einem gehobenen kulturellen Ereignis zu machen. Stattdessen hat er Influencer und Popsänger eingeladen." Ihr Mann widerspricht: "Ich habe mein ganzes Leben Mitte-Links gewählt. Aber wer weiß, vielleicht mache ich diesmal eine Ausnahme. Ich finde Schmidt sehr dynamisch, und das braucht die Stadt."
Maria ist Mitte 20 und kellnert in einem Lokal in Piazza Santo Spirito. Sie wird nicht wählen gehen. "Florenz erstickt unter Touristen und weder Schmidt noch jemand anders wird etwas dagegen unternehmen", sagt sie desillusioniert. "Die Touristen bringen Geld und auf das will niemand verzichten." Antonio, der sich gerade anschickt, mit drei Kumpeln eine Jam Session zu veranstalten, sagt, er werde wählen gehen, aber sicher nicht Schmidt. Zum einen, weil der von den Rechten unterstützt werde. Und zum anderen, weil er nicht einsieht, warum ein Ausländer die Stadt führen soll.
Quelle: ntv.de