Politik

Trump-Talk bei "Anne Will" Ein Präsident auf Geisterfahrt

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Anne Wills Gäste, v.l.n.r.: Christoph von Marschall, Susan Neiman, Klaus von Dohnanyi, Michael Wolffsohn und Norbert Röttgen

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Unberechenbarkeit gehört zu Donald Trumps bestechendsten Charaktermerkmalen - eine Eigenschaft, die auf dem Immobilienmarkt wahrscheinlich enorm wünschenswert ist. Aber gilt das auch in der Außenpolitik?

Donald Trump zieht am Ende seiner ersten großen Auslandsreise ein gewohnt selbstbewusstes Fazit: ein "Home-Run" sei sein Ausflug auf die politische Weltbühne gewesen, ein voller Erfolg. Das allerdings ist Auslegungssache: Der US-Präsident hat in den vergangenen acht Tagen nicht nur einen gigantischen Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien abgeschlossen und zur Isolation des Irans aufgerufen, sondern auch mit seinem rüpelhaften Auftritt während des Nato-Gipfels und seiner Blockadehaltung während des Treffens der G7-Staaten Schlagzeilen gemacht. Ob Donald Trump bewusst eine andere Außenpolitik als seine Vorgänger betreibt oder schlicht und ergreifend nicht weiß, was er da eigentlich tut, will Anne Will in ihrer gleichnamigen Sendung am Sonntagabend wissen.

Im Studio sitzen CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, Hamburgs ehemaliger erster Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der Historiker Michael Wolffsohn, die amerikanische Philosophin Susan Neiman sowie der Journalist Christoph von Marschall.

Glühender Hass auf den Präsidenten

"Diese Reise war eine volle Katastrophe", konstatiert von Marschall und schiebt als Erklärung eine rhetorische Frage hinterher: "Wie kann man sich den Saudis an die Brust schmeißen und gleichzeitig den Iran verurteilen, in dem gerade ein Reformer die Wahl gewonnen hat?" Der langjährige Washingtoner "Tagesspiegel"-Korrespondent ist davon überzeugt, dass Trump wenig bis keine Ahnung von dem hat, was er tut - und erntet dafür nicht nur Applaus aus dem Publikum, sondern auch beifälliges Nicken der übrigen Teilnehmer. Nur Michael Wolffsohn ist anderer Meinung: "Er geht einen alternativlosen Weg mit Saudi-Arabien, die Vorgängerregierung war ja im Nahen Osten vollständig isoliert. Die traditionellen Partner der USA sind umzingelt vom Iran, da wäre es doch fatal, den Iran zu hofieren."

Angesichts der aktuellen Ereignisse in der Region ist das eine zumindest fragwürdige Position, Susan Neiman kullern bei Wolffsohns Aussage dann auch fast die Augen aus dem Kopf: "Schauen Sie doch mal, mit wem er sich da verbunden fühlt: mit den Saudis, der autokratischsten, homophobsten und frauenfeindlichsten Gesellschaft, die man sich nur vorstellen kann. Das spricht doch Bände über diesen Menschen und seine außenpolitische 'Expertise'." Das letzte Wort spuckt die Direktorin des Potsdamer Einstein Forums, die mit ihrem glühenden Hass auf den Präsidenten nicht hinter dem Berg hält, regelrecht aus.

"Die Frage, die sich den Amerikanern stellt, ist nicht, ob Trump Außenpolitik kann, sondern ob er überhaupt Politik kann", sagt Neiman und beantwortet sich die Frage gleich mal selbst: "Er kann es nicht." Die übrigen Talkgäste sind mit der Amerikanerin d'accord, nur Wolffsohn ist davon überzeugt, dass der erratische Führungsstil Trumps Methode hat: "Wenn man gute Politik macht, muss man auch eine gute Portion Unberechenbarkeit mitbringen." Klaus von Dohnanyi schüttelt energisch den Kopf, als er das hört: "Diese Unberechenbarkeit hatte auch Bush, und wohin hat es geführt? Zu einem Krieg im Irak, der mit einer großen Lüge vom Zaun gebrochen worden ist." "Wenn die Amerikaner den Iran in die Ecke stellen und das Gleiche wie damals im Irak versuchen, schadet das vor allem Europa", führt der 89-Jährige seinen Gedanken weiter und meint damit die langfristigen Folgen des US-Einmarsches von 2003, der die Entstehung des IS erst möglich machte - mit den jüngsten Terroranschlägen und der Flüchtlingskrise als finaler Konsequenz.

"Kann nicht mehr viele Wochen wie diese geben"

Trumps Volten im Nahen Osten könnten also wie bei seinem Vorvorgänger zu einem unvorhersehbaren Dominoeffekt führen - das Schlimmste bei alledem sei indes die Motivation des Präsidenten, findet Norbert Röttgen: "In einer Region, in der Hass und Wahnsinn blühen, macht er Innenpolitik: 'Jobs, Jobs, Jobs!'" Der CDU-Politiker bezieht sich damit auf den 110-Milliarden-Deal mit Saudi-Arabien, den Trump ungeachtet der politischen Sprengkraft als Geschenk für die US-Rüstungsindustrie mit nach Hause bringt.

Um die Beliebtheit des US-Präsidenten steht es trotz seiner Fixierung auf innenpolitische Themen alles andere als rosig, seine Zustimmungswerte liegen unter 40 Prozent, ein historischer Tiefstwert. Sogar die eigene Partei wünscht sich offenbar mehr und mehr eine baldige Amtsenthebung Trumps: "Ich habe Republikaner in Washington getroffen, die sagen: 'Es kann nicht mehr viele Wochen wie diese geben'", berichtet Röttgen, der darauf baut, dass nach Trump alles wieder gut wird: "Wir machen einen schweren Fehler, wenn wir Trump mit den USA gleichsetzen. Wir müssen die transatlantische Beziehung über diese Präsidentschaft hinaus retten."

Quelle: ntv.de

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