Antisemitische Demonstrationen "Eine Attacke gegen die ganze Gesellschaft"
12.12.2017, 15:28 Uhr
Yehuda Teichtal (M.) und ein weiterer Rabbiner weihen den Chanukka-Leuchter am Brandenburger Tor ein.
(Foto: dpa)
Heute Abend wird vor dem Brandenburger Tor, wie bereits seit einigen Jahren, ein Chanukka-Leuchter entzündet. Eingeweiht wurde er bereits am Nachmittag von Rabbiner Yehuda Teichtal von der Gemeinde Chabad Berlin. Über die antiisraelischen Demonstrationen der letzten Tage sagt er: "Es muss eine klare Null-Toleranz-Politik für Aufrufe zum Mord geben."
n-tv.de: Sind Sie besorgt angesichts der Demonstrationen in den letzten Tagen, bei denen israelische Flaggen verbrannt wurden?
Yehuda Teichtal: Ja. Das ist sehr beunruhigend und schafft große Sorge bei vielen Menschen, wenn im Zentrum von Berlin "Kindermörder Israel" skandiert, wenn "Tod den Juden" gerufen und die israelische Fahne verbrannt wird. Das ist natürlich eine Quelle von Unruhe und von Sorge. Deswegen hat es eine ganz besondere Bedeutung, heute die Chanukka-Kerzen am Brandenburger Tor zu entzünden: als eine Botschaft von Licht über Dunkelheit. Und es muss ein klares Zeichen von der Politik und der Öffentlichkeit kommen, dass so etwas auf keinen Fall akzeptiert oder toleriert wird.
Ist es für Sie ein Unterschied, ob es rechtsradikaler Antisemitismus ist, der auf den Straßen marschiert, oder islamistischer oder islamisch geprägter Antisemitismus?
Extremismus ist Extremismus. Alle Menschen haben es verdient, dass man respektvoll mit ihnen umgeht und sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn die Tochter oder der Sohn auf der Straße unterwegs ist. Deshalb ist unsere klare Erwartung und Hoffnung ein strengerer Umgang mit Antisemitismus. Nur wenn wir eine Gesellschaft haben, in der Menschen einander vertrauen können, in der die Menschen wissen, dass niemand Außenstehender ist, in der die Menschen Zivilcourage haben, können wir gut zusammen leben.
Haben Polizei und Politik richtig auf die Ausschreitungen reagiert?
Aufrufe zum Mord, egal gegen wen, sind nicht akzeptabel. Für eine offene, tolerante Gesellschaft ist es auch nicht akzeptabel, wenn Fahnen verbrannt werden.
Hätten Sie sich eine deutlichere Reaktion der Politik gewünscht?
Es muss eine klare Null-Toleranz-Politik für Aufrufe zum Mord geben, es muss eine Null-Toleranz-Politik geben, wenn die israelische Fahne verbrannt wird - gerade hier in Deutschland. Wenn ein Teil der Gesellschaft ausgeschlossen wird, ist das eine Attacke gegen die gesamte Gesellschaft. War bisher alles ausreichend? Definitiv nicht. Aber wir haben Vertrauen in die Regierung und in die Sicherheitskräfte.
Mit Yehuda Teichtal sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de