Politik

"Bin eine Frau, liebe eine Frau" Elly Schlein sagt Giorgia Meloni den Kampf an

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
In einer "Vorwahl", an der sich alle Italienerinnen und Italiener beteiligen konnten, wurde Elly Schlein zur neuen PD-Vorsitzenden gewählt.

In einer "Vorwahl", an der sich alle Italienerinnen und Italiener beteiligen konnten, wurde Elly Schlein zur neuen PD-Vorsitzenden gewählt.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Die italienischen Sozialdemokraten haben eine neue Vorsitzende: Elly Schlein. Sie ist nicht nur die erste Frau an der Spitze des PD, sondern will ihre Partei komplett umkrempeln.

Seit Sonntagabend steht die Welt der italienischen Sozialdemokraten Kopf. Zur neuen Vorsitzenden des Partito Democratico gewählt wurde die 37-jährige Elly Schlein. Eigentlich war Stefano Bonaccini, 56 Jahre alt und seit 2014 Präsident der Region Emilia-Romagna, der eindeutige Favorit. Zumindest bei den Parteimitgliedern, von denen ihn mehr als 50 Prozent als neuen Vorsitzenden bevorzugt hatten. Schlein erreichte unter den Mitgliedern des PD nur 32 Prozent. Doch die Entscheidung fiel nicht unter den Mitgliedern, sondern im "Volk der Demokraten", wie die Partei ihre Wählerschaft nennt.

Vor der primarie, zu Deutsch Vorwahl, hatten die Demokraten gehofft, dass an der Abstimmung, bei der alle Italiener wahlberechtigt waren, zumindest eine Million Menschen teilnehmen würden. Am Ende waren es 1,3 Millionen. Das ist wenig im Vergleich zu den Vorwahlen von 2007 und 2009, als es weit über 3 Millionen waren. Doch angesichts der Zerreißproben und Trennungen, die es in der Partei gegeben hat, der verlorenen Parlamentswahlen im Herbst und der verlorenen Regionalwahlen in der Lombardei und im Latium vor ein paar Wochen, und vor allem angesichts des Identitätsverlusts, den die Demokraten in diesen Jahren offenkundig gemacht haben, ist es ein Vertrauensbeweis, auf den niemand zu hoffen gewagt hatte.

Klare Ansage gegen Meloni

Jetzt soll es Elly Schlein schaffen. Frau gegen Frau, die PD-Chefin gegen Regierungschefin Giorgia Meloni. Dass es ein Duell sein soll, hatte Schlein schon im Wahlkampf angekündigt. "Ich bin eine Frau, liebe eine Frau, bin keine Mutter, bin aber deswegen nicht weniger Frau", hatte sie sich vorgestellt. Das war eine klare Ansage an Meloni und deren Motto: "Ich bin eine Frau, eine Mutter, eine Italienerin und eine Christin." Ihre Kampfansage wiederholte Schlein nach der Verkündung ihres Wahlsieges: "Wir werden für die Regierung ein Problem darstellen."

Geboren wurde Schlein in der Schweiz, ihr Vater ist Amerikaner, die Mutter Italienerin. Besonders stolz ist sie auf ihren Großvater mütterlicherseits, der ein überzeugter Antifaschist und Senator der Sozialistischen Partei war.

Schlein will eine Linkswende

Die Leidenschaft für die Politik entdeckte Schlein früh. Noch bevor sie sich 2013 in die Demokratische Partei einschrieb, beteiligte sie sich 2008 als Freiwillige in Chicago am Wahlkampf für Barack Obama. Ihr Jurastudium schloss sie 2011 in Bologna ab, dort gründete sie während des Studiums auch einen Verband, der sich mit Migration und Problemen in den Haftanstalten beschäftige. Migration war auch eines ihrer Hauptgebiete während ihrer Zeit als Abgeordnete im Europäischen Parlament. 2020 verließ sie Straßburg und wurde Stellvertreterin des zum zweiten Mal zum Präsidenten der Region Emilia-Romagna gewählten Bonaccini.

Schlein ist also kein unbeschriebenes Blatt, auch wenn es in Italien gelegentlich über sie heißt, sie habe keine Erfahrung und sei eine Quereinsteigerin. Von anderer Seite kommt dann die Antwort, sie habe aber bewiesen, einen eigenen Kopf zu haben und wenn nötig auch unbequeme Positionen einnehmen zu können.

So trat sie nach nur zwei Jahren aus Protest gegen den damaligen Parteivorsitzenden Matteo Renzi aus der PD aus. Mitglied ist sie erst seit Kurzem wieder, nachdem sie beschlossen hatte, für die Parteispitze zu kandieren. Sie gilt als Verfechterin einer bewussten Linkswende der Partei. Gemeint sind Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit, der Kampf gegen den Niedriglohnsektor und für die Umwelt. "Zehn Jahre habt ihr mitregiert, ihr hättet so manches durchsetzen können, habt es aber nicht gemacht", sagt sie ihrer Partei. Wenn die jetzige Regierung hält, hat sie knapp fünf Jahre Zeit, den Italienern zu zeigen, dass sie es besser machen könnte. Vorausgesetzt, die Partei unterstützt sie.

Eine "Verschrottung" plant sie nicht

In ihrer Siegesrede versicherte Schlein, sie werde "für den Zusammenhalt arbeiten", die Zeit der Flügelkämpfe sei vorbei. Die Partei habe eine überlebenswichtige Aufgabe vor sich, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. "Der radikale Wandel, den wir uns vorgenommen haben, kann nicht nur im Kopf stattfinden."

In den nächsten Tag will Schlein ihre neue Mannschaft aufstellen, viele neue Gesichter soll es geben. Anders als seinerzeit der herrische Renzi geht es ihr nicht um eine rottamazione, eine Verschrottung von Altmitgliedern, sondern um die Motivation leidenschaftlicher Mitstreiter.

Ob ihr das gelingt, wird man sehen. Zu wünschen ist es ihr schon deshalb, weil die Opposition der rechten Regierungskoalition bislang ziemlich kopflos gegenübersteht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen