Politik

Komplizensuche im Internet Ermittler prüfen möglichen Gruppenanschlag

Das Einkaufszentrum in Essen blieb aus Sicherheitsgründen am Samstag den ganzen Tag geschlossen.

Das Einkaufszentrum in Essen blieb aus Sicherheitsgründen am Samstag den ganzen Tag geschlossen.

(Foto: imago/Revierfoto)

Die Pläne für den drohenden Anschlag auf ein Einkaufszentrum in Essen waren anscheinend weit fortgeschritten. In Sicherheitskreisen ist die Rede von einer ganzen Tätergruppe, die in einem Chat konkret Ort und Zeitfenster diskutiert haben soll.

In Nordrhein-Westfalen geht die Polizei Hinweisen nach, wonach eine ganze Gruppe von Attentätern an dem mutmaßlich geplanten Anschlag in Essen beteiligt gewesen sein könnte. Im Mittelpunkt stehen demnach Verdächtige, die mit dem mutmaßlichen Drahtzieher in Kontakt standen. Nach Informationen der dpa ist offen, wer sie sind und wo in Deutschland sie sich aufhalten. Aus Sicherheitskreisen verlautete, der Hauptverdächtige, ein deutscher Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat, habe von Syrien aus über das Internet mehrere Personen kontaktiert und versucht, sie für einen Angriff auf das Einkaufszentrum zu motivieren.

Demnach sah die für Samstag terminierte Anschlagsplanung vermutlich ein Attentat einer ganzen Tätergruppe vor. Ein Teil soll sich in Deutschland befunden haben, ein anderer Teil sollte aus dem Ausland anreisen. Nach einer Warnung des Bundesamts für Verfassungsschutz hatte die Polizei am frühen Samstagmorgen angeordnet, das konkret genannte Essener Einkaufszentrum "Limbecker Platz" den ganzen Tag geschlossen zu lassen. Die Entscheidung dazu fiel in der vorangegangenen Nacht, wie ein Polizeisprecher berichtete. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten riegelten den Gebäudekomplex in der Innenstadt dann ab.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen hatte der Verfassungsschutz die Erkenntnisse durch das Ausspähen elektronischer Kommunikation selbst gewonnen.

Anleitung zum Bombenbau

Die Vernehmung zweier Männer aus Oberhausen dauerte nach Polizeiangaben am Samstagabend an, ebenso die Auswertung von Gegenständen, die bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen beschlagnahmt worden waren. Nach dpa-Informationen handelt es sich bei ihnen nicht um direkt Tatverdächtige, sondern um Kontaktpersonen des mutmaßlichen Drahtziehers. Er soll Mitglied der salafistischen Szene in Oberhausen und bereits länger im Visier der Behörden gewesen sein. Die "Bild"-Zeitung berichtete, der Mann habe den potenziellen Komplizen auch Anleitungen zum Bau von Bomben übermittelt.

Schwer bewaffnete Polizisten sichern das Einkaufszentrum ab.

Schwer bewaffnete Polizisten sichern das Einkaufszentrum ab.

(Foto: imago/Udo Gottschalk)

Unklarheit bestand am Samstagabend noch über die Personalien der möglichen Attentäter. Offen war auch, wie viele Terroristen sich an einem möglichen Anschlag hätten beteiligen sollen. In Sicherheitskreisen wurde betont, es sei ungewöhnlich, dass in einem dschihadistischen Chat derart konkret über Anschlagspläne diskutiert würden wie in dem Essener Fall. Demnach wurden Ort und Zeitfenster der Tat genannt. Unklar war, ob der vermutliche Drahtzieher tatsächlich direkt im Auftrag der IS-Führung in Syrien gehandelt hat. Solche Zusammenhänge sind für die Sicherheitsbehörden allerdings oft nur sehr schwer nachzuweisen.

Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GTAZ) hat sich in den vergangenen Tagen mehrfach mit den sehr kurzfristig bekannt gewordenen Anschlagsplänen befasst. Die Essener Polizei sei direkt eingeschaltet worden, nachdem die Details der Planungen sich konkretisiert hätten, hieß es weiter. Die mehrgeschossige Shoppingmeile zählt zu den größten innerstädtischen Einkaufszentren in Deutschland. Die Polizei zog für den Großeinsatz auch Kräfte aus anderen Teilen Nordrhein-Westfalens zusammen. Beamte durchsuchten die Verkaufshallen und Parkgarage, um auszuschließen, dass sich Beschäftigte oder Reinigungskräfte darin aufhielten. Nach Angaben des Managements halten sich samstags im Schnitt bis zu 60.000 Menschen in dem Ladenkomplex auf.

Anschlag im April 2016

Im benachbarten Oberhausen wurde das Einkaufszentrum Centro von der Polizei besonders gesichert. Es war bereits im Dezember, kurz nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin, besonders bewacht worden. Zwei im Kosovo geborene Brüder wurden damals festgenommen, später aber wieder freigelassen.

In Essen war im April 2016 ein Terroranschlag verübt worden. Zwei muslimische Jugendliche hatten eine Bombe auf ein Gebetshaus der indischen Religionsgruppe der Sikhs geworfen, während dort eine Hochzeit gefeiert wurde. Drei Menschen wurden verletzt. Anfang Dezember begann der Prozess gegen die damals 16 Jahre alten Täter und einen Komplizen. Laut Anklageschrift betrachteten sie die Sikhs als Ungläubige.

In den vergangenen Monaten waren in Deutschland mehrfach öffentliche Gebäude nach Terrorhinweisen gesperrt worden. So wurde im November 2015 das Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden in Hannover kurz vor Anpfiff abgesagt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gab es wenige Tage nach den schweren Anschlägen in Paris konkrete Hinweise auf geplante Bombenanschläge im Stadion und am Bahnhof. An Silvester 2015 wurde der Münchner Hauptbahnhof nach einer Terrorwarnung geräumt. Vor zwei Jahren fiel der Karnevalsumzug in Braunschweig wegen akuter Terrorgefahr aus.

Quelle: ntv.de, chr/dpa

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