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Stadt mit dunkler Vergangenheit Eroberung von Hama ist auch symbolisch bedeutsam

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Nach der Eroberung von Hama haben die Oppositionellen das Bild von Assad an der Fassade des Regierungsbüros mit Kugeln durchlöchert.

Nach der Eroberung von Hama haben die Oppositionellen das Bild von Assad an der Fassade des Regierungsbüros mit Kugeln durchlöchert.

(Foto: AP)

Die Rebellen in Syrien erobern die Stadt Hama. Dies sei ohnehin eine wichtige Entwicklung in dem seit 13 Jahren anhaltenden Bürgerkrieg, sagt ein Experte. Doch neben der strategischen hat Hama auch eine hohe symbolische Bedeutung. Zwei historische Ereignisse haben sich tief ins Gedächtnis der syrischen Gesellschaft eingebrannt.

Es war einer der dunkelsten Momente der syrischen Geschichte. Vor mehr als vier Jahrzehnten ließ der damalige syrische Präsident Hafis al-Assad ein Blutbad anrichten, das als Hama-Massaker bekannt wurde. Zwischen 10.000 und 40.000 Menschen wurden beim Angriff der Regierung auf die zentral gelegene Stadt Hama getötet. Die Attacke begann am 2. Februar 1982 und dauerte fast einen Monat. Zurück blieben Ruinen. Die Erinnerung an das Massaker und die Belagerung der Stadt, damals eine Hochburg der syrischen Muslimbruderschaft, ist in den Köpfen vieler Menschen in der Region noch sehr gegenwärtig. Nun haben islamistische Aufständische die Stadt eingenommen. Sie rissen ein Plakat des Sohnes von Hafis al-Assad ab, dem heutigen Präsidenten Baschar al-Assad. Viele Syrer hatten mehr als 40 Jahre lang auf einen solchen Moment gewartet.

Die Einnahme Hamas ist von großer Symbolträchtigkeit in dem seit 13 Jahren währenden Bürgerkrieg, von dem viele sagen, dass er seine Wurzeln in Hama habe. Die viertgrößte Stadt Syriens ist für ihre malerischen Wasserräder bekannt, eine Attraktion am Ufer des Flusses Orontes, dessen Name in den frühen 1980er Jahren zum Synonym für den Tod wurde.

Vier Jahre lang war die Stadt Ausgangsort von Attacken unter Führung der Muslimbruderschaft auf Militärangehörige, staatliche Institutionen und Büros der Regierungspartei gewesen. Im Februar 1982 begannen die Regierungstruppen ihren Angriff. Innerhalb von Tagen zerstörten Kampfflugzeuge weite Teile Hamas und ebneten so Bodentruppen den Weg. Hafis al-Assads Bruder Rifaat führte die Artillerieeinheit an, die die Stadt beschoss. Es brachte ihm den Spitznamen "Schlächter von Hama" ein.

Hama 2011 Epizentrum der Proteste gegen Assad

In diesem Jahr wurde Rifaat al-Assad in der Schweiz wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Bereits drei Jahre zuvor wurde ein internationaler Haftbefehl gegen ihn erlassen. Das Massaker schuf einen Hass, der Jahre später die Flammen eines anderen Aufstands gegen seinen Neffen schürte. Im Jahr 2011 wurden Hama und umliegende Städte zu einem Epizentrum der Proteste gegen Baschar al-Assad, die von einer Reihe von Aufständen in der Arabischen Welt befeuert wurden.

Die Proteste und weit verbreitete Empörung in der Bevölkerung veranlassten die Sicherheitskräfte im Juni 2012, sich kurzzeitig aus Hama zurückzuziehen. Dass somit die Kontrolle der Opposition überlassen wurde, nährte ein Gefühl von Freiheit an einem Ort, der einst von den Kriegsflugzeugen des eigenen Landes bombardiert wurde. Einwohner bemalten damals Mauern in roter Farbe und spritzten diese auch über die Wasserräder, um an das Hama-Massaker zu erinnern. Sie versuchten, eine lokale Verwaltung aufzubauen. Etwa 800.000 Menschen lebten zum Beginn des Aufstands in Hama. Doch schon im August kehrten die Regierungstruppen zurück. Ihre brutale Attacke produzierte in den ersten 24 Stunden unzählige Opfer. Dem Vorsänger eines bei den Demonstrationen berühmt gewordenen Protestsongs gegen Baschar al-Assad wurde die Kehle durchgeschnitten.

Aron Lund, langjähriger Syrien-Experte bei der in New York ansässigen Denkfabrik Century International, sagt, Hama habe symbolische Bedeutung wegen der Geschichte des Massakers von 1982. Es sei ein riesiges Ereignis der syrischen Geschichte gewesen, "wirklich prägend für die Opposition und die islamistische Opposition im Besonderen". Doch auch für das syrische Machtzentrum war es prägend. Viele der heutigen Militärführer waren damals jung. Als der Bürgerkrieg im Jahr 2011 Gestalt annahm, sei ihnen allen klar geworden, dass man sich an Hama erinnere und es keine Kompromisse gebe.

"Die Wunde säubern, die seit 40 Jahren geblutet hat"

Abu Mohammed al-Golani, Chef der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham und De-facto-Anführer des aktuellen Aufstands, verkündete am Donnerstag in einer Videobotschaft, Kämpfer hätten Hama erreicht, "um die Wunde zu säubern, die seit 40 Jahren geblutet hat". Eine der ersten Maßnahmen der Aufständischen war es, Häftlinge aus dem Zentralgefängnis der Stadt zu befreien. Hama ist ein wichtiger Knotenpunkt in Syrien, der das Zentrum des Landes mit dem Norden sowie mit dem Osten und dem Westen verbindet. Die Stadt liegt etwa 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Damaskus, dem Machtzentrum Assads. Hama grenzt zudem an die Küstenprovinz Latakia, in der Assad besonders starken Rückhalt hat.

Die Region ist überwiegend sunnitisch geprägt. Es gibt aber auch eine alawitische Minderheit sowie einen Ableger des schiitischen Islams, dem auch Assads Familie angehört. Die Eroberung von Hama wäre schon für sich genommen eine gigantische Entwicklung gewesen, sagt Lund. Doch dass sie auf die Einnahme der größten Stadt Aleppo durch die Aufständischen folge und dass die Regierungstruppen vorher Zeit hatten, ihre Verteidigung aufzubauen, bedeute, dass die Niederlage der Regierung die Feinde Assads auf jeden Fall ermutigen und seine Unterstützer entmutigen werde.

Das nächste Ziel der Aufständischen dürfte nun die drittgrößte Stadt des Landes werden, das zentral gelegene Homs, das etwa 40 Kilometer südlich von Hama auf dem Weg nach Damaskus liegt. Lund sagt, Homs sei auch die Verbindung von Damaskus zur Küste, wo Assad seine Basis und sein Heimatdorf habe und außerdem ein russischer Marinestützpunkt angesiedelt sei. "Sollte es den Rebellen gelingen, Homs einzunehmen, wozu sie nach der Einnahme von Hama nun eine Chance haben, dann könnten sie theoretisch" drei der größten Städte Syriens einnehmen und die Hauptstadt abtrennen, sagt Lund.

Quelle: ntv.de, Sarah El Deeb, AP

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