SPD-Chefs trotzen Umfragetief Esken und Klingbeil mit großer Mehrheit wiedergewählt
08.12.2023, 18:39 Uhr Artikel anhören
Am ersten Tag ihres Bundesparteitags in Berlin bestätigen die Sozialdemokraten ihre beiden Vorsitzenden im Amt. Trotz der schwierigen Lage ihrer Partei in den Umfragen und in der Bundesregierung erhalten beide gute Ergebnisse. Generalsekretär Kühnert toppt ihr Ergebnis aber noch.
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sind für zwei weitere Jahre in ihr Amt gewählt worden. Esken erhielt 82,6 Prozent der Stimmen, nachdem sie 2021 76,6 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Klingbeil erhielt 85,6 Prozent der Delegiertenstimmen. Vor zwei Jahren waren es noch 86,3 Prozent. Beide nahmen die Wahl an. Von 588 abgegebenen Stimmen entfielen 483 Ja-Stimmen auf Esken, Klingbeil wurde mit 501 Ja-Stimmen gewählt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erhielt bei dem Parteitag im Berliner Messezentrum sogar 92,5 Prozent der Stimmen.
Esken geht damit in ihre dritte Amtszeit, nachdem sie 2019 zusammen mit Norbert Walter-Borjans erstmals ein Spitzen-Duo an der Parteispitze gebildet hatte. Nach der Bundestagswahl 2021 hatte Walter-Borjans auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Mit dann sechs Jahren wäre Esken bis zur nächsten Wahl zusammen mit Kurt Schumacher die am viertlängsten amtierende Parteichefin der Nachkriegszeit - nach Sigmar Gabriel (7,5 Jahre), Erich Ollenhauer (10 Jahre) und Willy Brandt (22 Jahre).
Bei der Wahl der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden wurden alle fünf vorgeschlagenen Kandidaten von den Delegierten gewählt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erhielt mit 96,6 Prozent eine überdeutliche Mehrheit der Delegierten-Stimmen. Bundesbauministern Klara Geywitz wählten 74,6 Prozent. Die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger, sah 95,5 Prozent der Stimmen hinter sich. Serpil Midyatli, Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, erhielt 79,3 Prozent, Achim Post, der NRW-Chef der SPD, erhielt 78,3 Prozent der Stimmen. Alle Kandidaten nahmen die Wahl an.
Esken verwies eingangs ihrer Rede auf die katastrophalen Umfragewerte der SPD, als sie vor vier Jahren erstmals gewählt worden war. Dennoch sei die SPD zwei Jahre später Regierungspartei geworden. Die SPD rangiert im RTL/ntv-Trendbarometer derzeit gleichauf mit den Grünen bei 14 Prozent, abgeschlagen hinter der AfD mit 22 Prozent und der Union mit 30 Prozent. Diese Werte schmälerten das Wahlergebnis von Esken und Klingbeil aber genauso wenig wie die zum Teil herben Niederlagen bei Landtagswahlen, zuletzt in Bayern und Hessen.
"Nicht bereit, Sozialstaat aufzugeben"
In ihren Bewerbungsreden hatten beide Vorsitzenden von schwierigen Zeiten für Land und Partei gesprochen. Die Bundesregierung hat noch immer keinen Haushalt für das nächste Jahr aufstellen können. Esken warnte davor, dass "das Land kippt", wenn der soziale Zusammenhalt unterlaufen werde. Sie forderte eine Reform der Schuldenbremse, sodass auch weiterhin Investitionen in Wirtschaft und Klimaschutz möglich sind, ohne den Sozialabbau zu betreiben.
"Die Finanzierung der Krisenbewältigung muss durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu gedacht werden. Und auch die Finanzierung großer Generationenaufgaben, wie der Klimawandel, muss auf neue Beine gestellt werden", sagte Esken. Beides sei nicht aus dem Kernhaushalt zu stemmen. "Und ganz bestimmt sind wir nicht bereit, dafür unseren Sozialstaat aufzugeben."
Klingbeil warnte davor, dass nur die Lauten den Diskurs bestimmten. Die SPD müsse sich auf die Sorgen und Themen derjenigen konzentrieren, die nicht zu hören seien, aber jeden Tag arbeiteten und sich um ihre Mitmenschen kümmerten. "Das sind die Leute, die morgens aufstehen und arbeiten gehen, die eine gute Zukunft für ihre Kinder wollen. Die jeden Kitastreik, jeden Stundenausfall in der Schule abfedern müssen. Die sich aber trotzdem nicht krankmelden bei der Arbeit, die sich zerreißen", sagte Klingbeil. "Die würden vielleicht auch gern mal schreien, aber nicht vor Wut, sondern vor Erschöpfung." Für diese Menschen müsse die SPD Politik machen.
"Es darf in der Politik nicht darum gehen, ob jemand Auto fährt, Bratwurst isst oder einmal im Jahr nach Mallorca fliegt, nicht darum, welche Sprache wir sprechen oder ob wir gendern", sagte Klingbeil. Es gehe "um bezahlbare Mieten, um gute Löhne, um anständige Pflege und die beste Bildung", sagte Klingbeil.
Quelle: ntv.de, shu