Für Waren aus besetzten Gebieten EuGH-Generalanwalt fordert Israel-Etikett
13.06.2019, 15:43 Uhr
Es geht um Produkte wie diesen Wein, der im von Israel besetzten Westjordanland produziert wurde.
(Foto: picture alliance / dpa)
Waren aus dem Westjordanland und den Golanhöhen sollen eindeutig gekennzeichnet werden, meint der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs. Denn die Verbraucher sollen wissen, woher die Produkte stammen. Zwar muss der EuGH diese Auffassung nicht teilen, aber sie hat hohes Gewicht.
Verbraucher müssen nach Einschätzung eines Rechtsexperten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darüber informiert werden, wenn in der EU angebotene Lebensmittel aus von Israel besetzten Gebieten stammen. Der Generalanwalt des EuGH argumentiert in einem Gutachten zu einem laufenden Verfahren, dass Waren aus den von Israel besetzten Gebieten eindeutig als solche gekennzeichnet werden müssen. Andernfalls könnten sie für Verbraucher irreführend sein. Die Etiketten müssten deutlich machen, ob Produkte aus den seit 1967 besetzten Gebieten, und insbesondere aus israelischen Siedlungen in diesen Gebieten stammen, sagte Generalanwalt Gerard Hogan vor dem EuGH in Luxemburg.
Der französische Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht des Landes, hatte den EuGH in einem Fall um Rat bei der Auslegung von EU-Recht gebeten. Dabei ging es um die Kennzeichnung von Waren aus dem Westjordanland und den Golanhöhen. Frankreich hatte 2016 per Erlass vorgeschrieben, dass die Etiketten von Waren aus diesen Gebieten deren genauen Ursprungsort widerspiegeln müssen. Auf dem Etikett muss demnach "Israelische Siedlung" oder ein ähnlicher Ausdruck stehen. Das französische Wirtschaftsministerium bezog sich dabei auf eine EU-Verordnung.
Dagegen hatten die jüdische Organisation Juive Européenne und das auf die Nutzung von Rebflächen insbesondere in den besetzten Gebieten spezialisierte Unternehmen Psagot geklagt. Grund dafür war offensichtlich die Sorge, dass Verbraucher Produkte aus den von Israel besetzten Gebieten aus politischen Gründen meiden könnten.
Etiketten berücksichtigen "ethische Gesichtspunkte"
Hogan argumentierte in seinem Schlussantrag vor Gericht, die EU-Vorschriften zur Kennzeichnung von Produkten berücksichtigten auch "ethische Gesichtspunkte", die das Kaufverhalten von Verbrauchern beeinflussen könnten. So hätten etwa viele europäische Verbraucher in der Zeit der Apartheid vor 1994 den Kauf südafrikanischer Waren abgelehnt. Heutige Verbraucher könnten gegen den Kauf von Produkten aus einem bestimmten Land sein, weil es eine solche Politik verfolge, die sie "ablehnen oder sogar verabscheuen", wird Hogan in einer Mitteilung des EuGH zitiert.
Die israelische Siedlungspolitik sei als "klarer Verstoß gegen das Völkerrecht" anzusehen und könne deshalb ein solcher "ethischer Gesichtspunkt" sein. Das Fehlen des genauen Herkunftsorts oder Ursprungslands könnte den Verbraucher irreführen, erklärte Hogan.
Der EuGH muss Hogans Argumentation nicht folgen, die Rechtsauffassungen des ehemaligen irischen Richters haben jedoch in der Regel hohes Gewicht in den Beratungen des Gerichts. Oft orientieren sich die Richter des EuGH daran. Ihr abschließendes Urteil wird in den kommenden Monaten erwartet.
Der Erlass Frankreichs war von Israel scharf kritisiert worden. Die israelische Regierung warf Paris einen Boykott des jüdischen Staates und Doppelmoral vor, da Frankreich andere Gebietsstreitigkeiten auf der Welt ignoriere.
Israel hatte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem erobert. Im Westjordanland und Ost-Jerusalem leben mittlerweile mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Der UN-Sicherheitsrat hatte 2016 einen vollständigen Siedlungsstopp von Israel gefordert. Siedlungen wurden als Verstoß gegen internationales Recht und als großes Hindernis für einen Frieden in Nahost bezeichnet.
Quelle: ntv.de, aeh/AFP/dpa