Neues Abkommen mit Rebellen Evakuierung Ost-Aleppos geht weiter
17.12.2016, 20:54 Uhr
Nach Verzögerungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen einigen sich syrisches Regime und Rebellen auf ein neues Abkommen zur Evakuierung von Ost-Aleppo. Es schließt auch Ortschaften ein, die von Rebellen belagert werden.
Die am Freitag abgebrochene Evakuierung der Rebellenhochburg Ost-Aleppo soll nun doch weitergehen. Rebellen und Regierung einigten sich auf ein neues Abkommen, das den Abzug der restlichen Kämpfer und Zivilisten aus dem umkämpften Stadtteil ermöglichen soll. Neben Ost-Aleppo sollten auch die beiden von den Aufständischen eingekesselten Schiiten-Dörfer al-Fua und Kefraja evakuiert werden, kündigte Rebellensprecher al-Faruk Abu Bakr aus Aleppo gegenüber dem Nachrichtensender al-Arabija al-Hadath an. Zudem sollten Verletzte zwei Orte nahe der libanesischen Grenze verlassen dürfen, die von Kämpfern des Regierungslagers belagert werden. In syrischen Regierungskreisen wurde dies bestätigt.
Nach Hisbollah-Angaben fuhren in Aleppo bereits Busse los, um die Menschen in al-Fua und Kefraja abzuholen. In den beiden Dörfern sind nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 20.000 Menschen gefangen, unter ihnen etwa 4500 Kämpfer aufseiten der Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Die Evakuierung Ost-Aleppos solle zeitgleich mit dem Abtransport Verletzter aus den beiden Dörfern ablaufen, sagte ein Unterhändler der syrischen Regierung. Auch aus den Orten Sabadani und Madaja sollten Menschen abziehen dürfen.
Die Schiiten-Dörfer al-Fua und Kefraja liegen in der Provinz Idlib und sind von den Rebellen eingekesselt. Die Orte Madaja und Sabadani sind von Kämpfern des Regierungslagers umstellt. Die Evakuierung Ost-Aleppos war am Freitag inmitten gegenseitiger Schuldzuweisungen der Konfliktparteien abgebrochen worden. Dabei ging es unter anderem um die Forderung, dass auch Menschen in anderen belagerten Orten eine Chance zur Flucht erhalten sollten.
Lage "verzweifelt und zum Verzweifeln"

Viele Menschen wollen nur noch raus aus der Stadt - so es denn diese Möglichkeit gibt.
(Foto: REUTERS)
Zuvor hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer schnellen Fortsetzung der Evakuierungen im nordsyrischen Aleppo aufgerufen. "Blockaden der Evakuierung müssen umgehend beendet werden", erklärte er in Berlin. Vertreter der Vereinten Nationen sowie des Internationalen Roten Kreuzes müssten "ohne weitere Behinderungen ihre wichtige Arbeit tun können". Steinmeier nannte die Lage in Aleppo "verzweifelt und zum Verzweifeln": "Viele warten frierend und ohne ausreichende humanitäre und medizinische Versorgung auf die Wiederaufnahme der rettenden Evakuierungen." Hinzu kämen erschreckende "Berichte über Exekutionen bei den jüngsten Evakuierungen".
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, angesichts der katastrophalen Lage in Aleppo habe Steinmeier diese Woche entschieden, nach der kürzlich erfolgten Freigabe von zusätzlichen Hilfsgeldern in Höhe von 50 Millionen Euro weitere fünf Millionen Euro an Soforthilfe bereitzustellen.
Mehrere Tausend Menschen protestierten derweil in verschiedenen deutschen Städten gegen den Krieg in Syrien. In Stuttgart waren rund 2200 Menschen dabei, in Berlin beteiligten sich an zwei Demonstrationen nach Polizeiangaben insgesamt rund 2100 Menschen, in Mannheim rund 1500, in Hamburg 800. Auf Plakaten waren Forderungen nach Schutz für Zivilisten in Aleppo zu lesen. Die Demonstranten riefen unter anderem "Aleppo will Frieden". Der Protest richtete sich auch gegen die Syrien-Politik Russlands und gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Neben syrischen Fahnen waren auch türkische zu sehen.
Trump will Sicherheitszonen einrichten
Die Vereinten Nationen schätzen, dass noch rund 30.000 Menschen im Osten Aleppos ausharren. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Syrien will sich auf keine Schätzung mehr festlegen. Nach seinen Angaben könnte die Evakuierung des überfüllten Stadtteils jedoch mehrere Tage dauern. Ein Teil der Menschen aus Ost-Aleppo soll in die Provinz Idlib gebracht werden, die großteils von radikalen Islamisten beherrscht wird.
Der Rest soll in Stadtteile Aleppos ausweichen, die unter der Kontrolle der Regierung sind. Idlib ist bereits Ziel russischer und syrischer Luftangriffe. Ob die Regierung dort nun auch eine Bodenoffensive vorantreiben wird oder die Rebellen zunächst verschont, ist unklar.
Der designierte US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag angekündigt, seine Regierung werde "Sicherheitszonen" einrichten, um den Zivilisten im syrischen Bürgerkrieg zu helfen. Der scheidende US-Präsident Barack Obama warnte indes, dass sich solch ein Vorhaben kaum umsetzen lasse. "Die Verantwortung für diese Brutalität tragen das Assad-Regime und seine Verbündeten Russland und Iran", erklärte Obama. "Sie haben Blut an ihren Händen und sind schuld an diesen Gräueln."
Der russische Außenminister Sergei Lawrow beriet derweil nach Angaben seines Ministeriums mit seinen Kollegen aus der Türkei und dem Iran über die Syrien-Krise. In ihrem Telefonat hätten die Minister betont, die internationale Gemeinschaft müsse in einer gemeinsamen Anstrengung Hilfe für die Menschen in Syrien leisten und eine politische Lösung ermöglichen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP