Autoritäre Regime im Nahen Osten Ex-US-Offiziere helfen bei Aufrüstung am Golf
19.10.2022, 20:16 Uhr
Saudi-arabische Soldaten und Panzer beim Einsatz im Jemen im Jahr 2015.
(Foto: Reuters)
Wenn Militärs bei den US-Streitkräften aufhören, haben sie Anrecht auf eine Pension. Das Wissen hochrangiger Offiziere ist aber auch im Ausland äußerst wertvoll. Dies lassen sie sich hervorragend bezahlen. Von wem, das interessiert die US-Behörden nur bedingt.
Die US-Regierung ließ sich vor Gericht zerren, weil sie die Daten nicht preisgeben wollte. Doch die Justiz entschied: Die Behörden müssen der Öffentlichkeit die Daten darüber zur Verfügung stellen, in welche Jobs das US-Außenministerium ehemalige Angehörige des US-Militärs nach ihrem Dienst in den Vereinigten Staaten hat wechseln lassen. Eine Auswertung der "Washington Post" zeigt: Die USA exportieren mit ihren Veteranen militärisches Knowhow im großen Stil. Das Außenministerium genehmigt solche Tätigkeiten offenbar ohne viel Federlesen.
Den juristisch freigekämpften Dokumenten zufolge sind seit 2015 mehr als 500 ehemalige Militärangehörige der USA, darunter eine große Anzahl Generäle und Admirale, vor allem in den Dienst autoritärer Regime im Nahen Osten gewechselt. Dort arbeiten sie als Berater oder Angestellte für die Regierungen und werden für ihr Insiderwissen und ihre politischen Kontakte fürstlich entlohnt. Die meisten sind als zivile Angestellte für Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und andere Golfmonarchien tätig, um deren militärische Schlafkraft zu erhöhen.
Die Bezahlung liegt im sechs- bis siebenstelligen Dollarbereich, es flossen also viele Millionen. Viel mehr, als ein Offizier zuvor bei den US-Streitkräften verdienen kann. Sie kassieren das Geld zusätzlich zu ihrer Militärpension aus Washington. Das US-Außenministerium muss die Tätigkeiten genehmigen, ebenso das US-Militär. Allerdings gibt es für einen Verstoß gegen die Genehmigungspflicht keine Strafen, außer die Pension zu kürzen. Dies soll aber nur bei fünf ehemaligen Soldaten der Fall sein. Zudem hatte die Zeitung mit mehreren Ex-Militärs Kontakt, die zwar für arabische Staaten tätig waren, wovon aber die Behörden nie etwas erfuhren.
Die juristische Auseinandersetzung um die Details der Anstellungen ist ein Indiz dafür, dass auch die Behörden die neuen Jobs für problematisch halten könnten, selbst wenn sie nicht entsprechend entschieden. Laut "Washington Post" wurden die Anfragen größtenteils einfach durchgewinkt, nur fünf Prozent nicht genehmigt.
Mord an Kashoggi kein Hindernis
Allein 15 frühere US-Generäle und Admirale waren seit 2015 für das saudische Verteidigungsministerium und damit letztlich für den faktischen Herrscher, Kronprinzen Mohammad bin Salman, tätig. Der hatte laut US-Geheimdiensten im Jahr 2018 die Ermordung des königshauskritischen Journalisten Jamal Kashoggi angeordnet, der in den USA lebte. Trotz Kashoggis Verschwinden sind mehrere hochrangige US-Militärs für die Saudis tätig gewesen: Ein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater des Weißen Hauses, ein früherer Chef des Geheimdienstes National Security Agency NSA, sowie ein früherer Oberkommandeur der US-Truppen in Afghanistan.
Ex-General Keith Alexander etwa erhielt die Freigabe des Außenministeriums nur zwei Monate nach dem Mord an Kashoggi, der zerstückelt worden sein soll, um seine Überreste zu verstecken. Alexander half bis 2020 beim Aufbau des neuen "Mohammed bin Salman College of Cyber Security". Der frühere NATO-Kommandeur und General James L. Jones vergrößerte das Engagement seiner Beraterfirma bei Bin Salman signifikant. Acht Ex-US-Generäle sowie 32 weitere Ex-Militärs sind über sein Unternehmen für Saudi-Arabien tätig.
Jones sagte der "Washington Post", die US-Regierung habe ihn nach Kashoggis Tod dazu ermutigt, weiterhin mit den Saudis zu arbeiten. Er sei in Sorge gewesen, dass sich die Saudis andere Verbündete wie China oder Russland suchen könnten, falls sich die USA abgewandt hätten.
VAE ist größter Arbeitgeber
Mit Abstand die meisten ehemaligen Mitglieder des US-Militärs waren in den vergangenen sieben Jahren aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig: 280 arbeiteten dort als Auftragnehmer. Die VAE gelten bei vielen Experten inzwischen als stärkste militärische Macht am Golf - und das Wissen und Können der US-Militärs hat ihnen dabei geholfen. Die Emirate stehen international unter großer Kritik, weil ihr Militär an den Bürgerkriegen im Jemen und in Libyen beteiligt ist. Auch die VAE bezahlen gut. Ein Ex-Elitesoldat der Navy Seals erhielt der Recherche zufolge als Schießlehrer 348.000 Dollar Gehalt plus 54.400 Zuschläge jährlich. Ein Ex-Oberst bekam 324.000 Dollar für ein Jahr als Armeeberater.
Auch ein alter Bekannter beriet die Emirate: Ex-Marinegeneral Jim Mattis, der danach Verteidigungsminister unter Präsident Donald Trump wurde. Auch nach dem Ende seines Ministeramtes wurde Mattis wieder engagiert. Er will keine Gegenleistungen für seine Tätigkeiten erhalten haben. Auch wenn das stimmt - bei vielen anderen sieht das anders aus. Und welche Geheiminformationen sie bei ihren Engagements an autoritäre Staaten preisgeben und welche Kontakte sie herstellen, das weiß bei den US-Behörden niemand.
Quelle: ntv.de, rpe