"Graichen-Rückzug etwas zu spät" FDP sieht Habeck weiterhin im Feuer
17.05.2023, 16:56 Uhr Artikel anhören
Habecks Exit-Strategie kommt für FDP-Vize Kubicki etwas zu spät.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit dem Rauswurf seines Staatssekretärs versucht Wirtschaftsminister Habeck einen Befreiungsschlag. Die Union sieht weiteren Aufklärungsbedarf, doch auch beim Koalitionspartner FDP bleiben Zweifel. Gegen den Vertrauensverlust helfe nur ein Umbau des strittigen Heizungsgesetzes.
Die FDP sieht mit dem Rückzug von Staatssekretär Patrick Graichen die Probleme von Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht gelöst. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Carina Konrad, bescheinigte dem Grünen-Politiker ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Menschen seien "von den personellen Verfehlungen sehr irritiert", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Allerdings seien die Bürger von Habecks Heizungsgesetz "noch stärker verunsichert" als von der Causa Graichen. Das Gesetz müsse grundsätzlich überarbeitet werden. "Es wäre gut, wenn Habeck das nun einsehen und diese Arbeit selbst übernehmen würde", forderte Konrad.
Auch der Vizevorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, vermutet einen "massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung"; darauf deuteten die Umfragewerte der Grünen hin. Kubicki sagte der Zeitung, er "befürchte", Graichens Rückzug komme für Robert Habeck "etwas zu spät". Die Liberalen drängten zugleich darauf, dass die Grünen über die Personalfragen die Sacharbeit nicht zurückstellen. Es sei "gut und wichtig", dass das Wirtschaftsministerium die Vorgänge prüfe und Habeck die aus seiner Sicht notwendigen Konsequenzen ziehe, sagte der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke. Aber jetzt sei es "dringend notwendig", wieder über die Sache und nicht über einzelne Personen zu reden.
Grüne und SPD zollen Respekt
Andere Politiker der Ampel-Fraktionen zollten Habeck zunächst Respekt für seine Entscheidung. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte, Transparenz und Compliance-Regeln sowie ihre Einhaltung seien etwas, das den Grünen sehr wichtig sei. "Bei Patrick Graichen möchten wir uns für seinen großen Einsatz für die Energiesicherheit und die Energiewende bedanken."
Ähnlich äußerte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im "Tagesspiegel". "Mit dem Schlussstrich des Ministers unter eine wochenlange Debatte über sein Haus verbinden wir die Erwartung, dass nun wieder Sachpolitik in den Mittelpunkt rückt." Matthias Miersch, Vize-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, es sei richtig, dass Habeck diese Entscheidung getroffen habe. "Die Gesetzesvorlagen der Regierung werden wir weiter intensiv beraten. Dabei werden wir diese weiter verbessern und Kompromisse im Energie- und Wärmebereich anstreben, die Klimaschutz, sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Perspektiven berücksichtigen."
Graichen musste seinen Posten als Ergebnis weiterer interner Prüfungen im Wirtschaftsministerium räumen. Hintergrund war laut Habeck die geplante Förderung eines Projekts des BUND-Landesverbands Berlin, in dessen Vorstand die Schwester Graichens ist. Der Staatssekretär soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Graichen war zuvor wegen Beteiligung an der Auswahl seines Trauzeugen für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) in die Kritik geraten.
Union: "Mehr als überfällig"
Weiteren Klärungsbedarf in der Angelegenheit sieht die Union. "Der Rauswurf Graichens ist mehr als überfällig", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Der Filz-Skandal im Umfeld von Robert Habeck ist damit allerdings noch lange nicht aufgearbeitet", ergänzte er mit Blick auf den Grünen-Minister. "Die immer neuen Erkenntnisse über Familienbande und Kumpanei unter Minister Habeck machen die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses immer wahrscheinlicher."
Zuvor hatte bereits CDU-Generalsekretär Mario Czaja Graichens Ausscheiden als richtig und überfällig bezeichnet. Endlich ziehe Habeck Konsequenzen. "Denn die Vorwürfe gegen seinen engsten Vertrauten wiegen schwer. Sie werfen weitere Fragen nach den Abläufen im Wirtschaftsministerium auf", sagte Czaja. Es brauche nun vollständige Transparenz. Seilschaften und Vetternwirtschaft müssten restlos aufgeklärt werden.
Quelle: ntv.de, mau/dpa