Politik

100 Jahre nach Prohibitionsstart Flüsterkneipen erobern US-Großstädte erneut

Barkeeper in der Bar "Attaboy" in New York: Es gibt Dutzende, wenn nicht Hunderte dieser "geheimen" Bars in der Stadt und ihr Revival verspricht den Besuchern eine besonders intime Atmosphäre.

Barkeeper in der Bar "Attaboy" in New York: Es gibt Dutzende, wenn nicht Hunderte dieser "geheimen" Bars in der Stadt und ihr Revival verspricht den Besuchern eine besonders intime Atmosphäre.

(Foto: Attaboy/dpa )

Vor 100 Jahren tritt in den USA ein generelles Alkoholverbot in Kraft: die Prohibition. Getrunken wird trotzdem - in versteckten Flüsterkneipen, den "Speakeasys". Den Reiz dieser geheimen Kneipen entdecken Stadtbewohner überall in der USA nun wieder.

Nur wenige Blocks vom Weißen Haus in Washington entfernt eilen Juristen, Diplomaten und Lobbyisten am Feierabend nach Hause. Dass sie dabei an einer verborgenen Bar vorbeikommen, wissen sie offenbar nicht. Ins "The Mirror" gelangen nur Eingeweihte, wenn sie eine als Spiegel getarnte Tür öffnen. Die Kneipe erinnert an die Zeiten der Prohibition, des totalen Alkoholverbots, das vor 100 Jahren in den USA in Kraft trat und das trotz seiner Aufhebung nur gut ein Jahrzehnt später bis heute an vielen Orten der Vereinigten Staaten nachwirkt.

Eingang zur die Speakeasy-Bar "Back Room" in New York.

Eingang zur die Speakeasy-Bar "Back Room" in New York.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Vorraum von "The Mirror" wirkt mit seinen kahlen Wänden und dem "Zu vermieten"-Schild wie ein leerstehender Laden, es riecht irgendwie nach Urin. Doch hinter der als Spiegel getarnten Tür verbirgt sich eine stilvolle Cocktailbar mit schummriger Beleuchtung.

Das Lokal erinnert an die sogenannten Speakeasys - Flüsterkneipen, die zu Zeiten der Prohibition illegal Alkohol ausschenkten. Sie schossen in den USA vielerorts aus dem Boden, nachdem am 17. Januar 1920 der 18. Zusatzartikel der Verfassung in Kraft getreten war, der Herstellung, Verkauf und Transport von Alkohol rundweg untersagte.

Vom verbotenen Lokal zur Hollywoodkulisse

Unter Präsident Franklin D. Roosevelt wurde er 1933 als bislang einziger Verfassungsartikel in der US-Geschichte wieder gestrichen. "The Noble Experiment" (Das ehrenhafte Experiment) nahm damit mitten in der Großen Depression sein Ende.

Um die "Speakeasys" in den "Roaring Twenties" ranken sich viele Mythen. In Hollywood-Filmen wie "Road to Perdition" von Sam Mendes bilden sie die Kulisse. Auch Jeff Coles und sein Kompagnon wollen als Betreiber von "The Mirror" "diesen großartigen Bars der Vergangenheit Tribut zollen", wie Coles sagt.

Nostalgie für 1920er-Jahre

Nachdem es Anfang der 2000er-Jahre in New York schon Bars gab, in die Gäste nur mit Passwörtern oder anderen Codes hereinkamen, haben sich die modernen Flüsterkneipen in den vergangenen Jahren zu einem wahrhaften Trend in einigen US-Städten entwickelt.

"Es gibt eine Nostalgie für die 1920er-Jahre", sagt der Historiker Michael Walsh, Autor eines Buches über die Prohibition, in der "Owl Bar" in Baltimore. Die Bar des luxuriösen "Belvedere Hotel" ist für ihre Alkohol-Partys während der Prohibition legendär. Ihren Eingang schmückten damals zwei Eulenfiguren. Wenn diese blinzelten, war dies das Signal für Eingeweihte, dass eine neue Lieferung Alkohol eingetroffen und keine Polizei in der Nähe war.

Laut Walsh liegt die Bedeutung der Prohibition vor 100 Jahren nicht nur in der Bekämpfung des bis dahin grassierenden Alkoholmissbrauchs und dessen sozialen Folgen. Das totale Alkoholverbot habe auch viele andere Facetten der US-Kultur berührt wie etwa Religion und Politik, sagt der Historiker.

Prohibition Party tritt noch immer an

Die kurze Phase der Prohibition wirkt weiter an vielen Orten nach. Noch heute gibt es hunderte "trockene Bezirke" und "trockene Städte", in denen der Alkoholkonsum verboten oder eingeschränkt ist. Die meisten liegen im konservativ-religiösen "Bible Belt" im Südosten der USA. Das ist auch im Bezirk Moore im Bundesstaat Tennessee der Fall, wo dennoch die Whisky-Destillerie Jack Daniels ihren Sitz hat.

Außerdem gibt es bis heute in den USA die schon 1869 gegründete Prohibition Party. Bei der US-Präsidentschaftswahl im November will sie mit einem eigenen Kandidaten namens Phil Collins antreten. Der Namensvetter des berühmten britischen Sängers warnt vor der "schädlichen Wirkung" von Alkohol als Verursacher von Krankheiten oder tödlichen Verkehrsunfällen und will damit über die 5000 Stimmen seines Vorgänger bei der Wahl 2016 hinauskommen.

Dem Amtsinhaber Donald Trump kann Collins sicherlich nicht gefährlich werden. Doch auch der US-Präsident rührt wegen des alkoholbedingten Todes seines älteren Bruders Fred keinen Tropfen Alkohol an. Eine Wiedereinführung der Prohibition steht dennoch nicht auf Trumps Agenda - zumindest bis jetzt.

Quelle: ntv.de, Sébastien Duval, AFP

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