Nach Forderung der Ukraine Flugverbotszone würde NATO in Krieg ziehen
02.03.2022, 18:53 Uhr
Während der ukrainische Präsident eine Flugverbotszone über seinem Land anregt, warnen Experten vor einer Eskalation des Konflikts mit Russland. Auch seitens der NATO heißt es: Dieser Schritt würde den Eintritt des westlichen Bündnisses in den Krieg bedeuten.
In einer Videoansprache am Montagabend sagte Wolodymyr Selenskyj, Russland habe sein Land "bombardiert und beschossen". Der ukrainische Präsident richtete sich an den Westen, er bat um weitere Unterstützung und regte eine Flugverbotszone über der Ukraine an, eine "No-Fly-Zone" (NFZ), um weitere Angriffe russischer Helikopter, Flugzeuge und Raketen zu verhindern. Doch was würde das bedeuten?
Die Einrichtung einer Flugverbotszone hieße, dass der Luftraum über der Ukraine gesperrt wäre. Eingesetzt wurde sie in der Vergangenheit unter anderem 2011 in Libyen und 1999 im Kosovo. Doch eine "No-Fly-Zone" muss durchgesetzt werden. Im Falle des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine müsste das ukrainische Territorium überwacht und bei Verstößen eingeschritten werden. Notfalls per Abschuss.
Da Russland das Verbot aller Voraussicht nach nicht akzeptieren dürfte, wäre es am Westen, also an der NATO in diesem Fall, bei Verstößen militärisch zu reagieren. Dann käme die Eingreiftruppe NATO Response Force (NRF) zum Einsatz - sie umfasst Bodentruppen, Militärflugzeuge und Marineeinheiten.
Deshalb warnt Militärexperte Thomas Wiegold. "Wenn NATO-Länder eine Flugverbotszone einrichten und auch durchsetzen, dann ist die NATO Kriegspartei", so Wiegold bei ntv. "Dann haben wir den Krieg NATO gegen Russland oder Russland gegen NATO". Aufseiten der NATO versuchten dies derzeit alle Partner zu vermeiden. So sieht es auch der Politikwissenschaftler Sven Bernhard Gareis. Eine Flugverbotszone wäre "gleichbedeutend mit einem Eintritt westlicher Staaten in den Krieg". Dies sei "aus gutem Grund kategorisch ausgeschlossen" worden, sagt Gareis ntv.de.
NATO-Partner lehnen Flugverbotszone ab
Ausgeschlossen wurde ein militärisches Eingreifen des Westens zuletzt nicht nur von Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Antrittsbesuch in Israel. Auch die USA lehnen eine Intervention ab. So sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Dienstag, die Vereinigten Staaten hätten nicht die Absicht, Truppen in einen Krieg mit Russland zu schicken. Eine "No-Fly-Zone" würde demnach den Einsatz von US-Militär erfordern, was einen direkten Konflikt mit Moskau bedeuten würde - daran wolle man sich nicht beteiligen.
Mit der Forderung nach einer Flugverbotszone über der Ukraine sah sich am Dienstag auch Boris Johnson konfrontiert. Während einer Pressekonferenz warf eine ukrainische Aktivistin dem britischen Premierminister und der NATO vor, aus Angst vor einer weiteren Eskalation mit Russland keine "No-Fly-Zone" einrichten zu wollen. "Die NATO will nicht einschreiten, denn die NATO hat Angst vor dem Dritten Weltkrieg, aber der hat schon begonnen, und es sind ukrainische Kinder, die getroffen werden", sagte Kaleniuk.
Johnson war augenscheinlich bewegt von dem emotionalen Auftritt der Chefin einer Anti-Korruptions-Organisation. Doch auch der britische Premier machte deutlich: Eine NFZ hieße, dass die NATO im Fall der Fälle russische Flugzeuge abschießen müsste, es wäre ein direkter Kampf mit Russland. "Das können wir nicht tun", sagte Johnson. "Die Konsequenzen daraus wären sehr, sehr schwierig zu kontrollieren."
Quelle: ntv.de, mbe