42 Länder verhandeln in Dschidda Friedensgipfel bringt nur leise Hoffnung
06.08.2023, 12:06 Uhr Artikel anhören
Selenskyj im Mai in Dschidda beim Gipfel der Arabischen Liga - der aktuelle Treffen findet auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater statt.
(Foto: picture alliance/dpa/SPA)
Aus den Verhandlungen in Saudi-Arabien über eine Friedenslösung für die Ukraine dringt nur wenig in die Öffentlichkeit. Zwar herrscht Diplomaten zufolge Einigkeit in zentralen Punkten, doch Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende ist bisher nicht zu spüren. Immerhin scheint China sich einzubringen.
Im saudi-arabischen Dschiddah haben am Wochenende Vertreter aus mehr als 40 Staaten über Wege zur Beendigung des Ukraine-Kriegs beraten. Das von Kiew organisierte Treffen ohne Beteiligung Russlands ging am Samstagabend nach mehrstündigen Beratungen und Gesprächen hinter verschlossenen Türen zu Ende. Medienberichten zufolge sollten die Gespräche im Lauf des Tages fortgesetzt werden. Aus europäischen Diplomatenkreisen verlautete, es herrsche Einigkeit über zentrale Punkte einer Friedenslösung. Die "territoriale Integrität und Souveränität" der Ukraine solle nach dem Willen der Teilnehmer "im Zentrum jeglicher Friedensvereinbarung" stehen.
Zu den mehr als 40 Teilnehmerstaaten gehören westliche Staaten wie die USA und Deutschland, aber auch Schwellenländer wie China, Indien und Südafrika sowie Entwicklungsländer. Aus europäischen Diplomatenkreisen hieß es, China habe sich "aktiv" beteiligt und sich "positiv" zu einem möglichen weiteren derartigen Treffen geäußert.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich nach den Beratungen verhalten optimistisch. "Jeder Millimeter Fortschritt in Richtung eines gerechten und fairen Friedens bringt ein Stück Hoffnung für die Menschen in der Ukraine", sagte Baerbock der "Bild am Sonntag". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe "mit seiner Friedensformel dafür einen ganz entscheidenden Pfad aufgezeigt". Diese fordert einen kompletten Abzug russischer Truppen aus der Ukraine.
Franzosen sprechen von langfristigem Prozess
Selenskyj hatte in seiner abendlichen Videobotschaft erklärt, dass 42 Länder in Dschiddah vertreten waren und dass die ukrainische Delegation seine "Zehn-Punkte-Friedensformel" vorantreibe, die den vollständigen Abzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium fordere. Russland hatte in der Vergangenheit erklärt, dass bei Verhandlungen die "neuen territorialen Gegebenheiten" berücksichtigt werden müssten.
Aus französischen Diplomatenkreisen hieß es nach dem Treffen, es gebe "übereinstimmende Bemühungen, um die Bedingungen für eine berechtigte Verhandlung zu schaffen". Diese Bedingungen seien aber durch das Treffen "eindeutig nicht" geschaffen worden. Dies sei "ein langfristiger Prozess".
Brasilien will Russland an den Tisch holen
Der brasilianische Delegationsleiter Celso Amorim forderte in einer Stellungnahme, dass "echte Verhandlungen alle Parteien einschließen" müssten, also auch Russland. "Auch wenn die Ukraine das größte Opfer ist, müssen wir, wenn wir wirklich Frieden wollen, Moskau auf irgendeine Weise in diesen Prozess einbeziehen", hieß es in Amorims Redetext.
Die Ukraine hatte vorab die Erwartung geäußert, dass die Gespräche "nicht einfach" würden. Aber "die Wahrheit ist auf unserer Seite", sagte Andrij Jermak, Stabschef des ukrainischen Präsidialamtes, in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Jermak führte die ukrainische Delegation in der saudi-arabischen Küstenstadt am Roten Meer an. "Wir haben viele Meinungsverschiedenheiten, und wir haben viele Positionen gehört, aber es ist wichtig, dass wir unsere Prinzipien teilen", erklärte er. "Unsere Aufgabe ist es, die ganze Welt um die Ukraine zu vereinen."
Das Treffen fand auf der Ebene der nationalen Sicherheitsberater statt. Für die Bundesregierung nahmen der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, sowie die Politische Direktorin im Auswärtigen Amt, Tjorven Bellmann, teil. Die US-Delegation wurde vom Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan geleitet.
China verspricht Kooperation
China, das im Ukraine-Konflikt nach eigenen Angaben eine neutrale Partei bleiben möchte, schickte seinen Sonderbeauftragten für eurasische Angelegenheiten, Li Hui, nach Dschiddah. "China ist bereit, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um weiterhin eine konstruktive Rolle bei der Förderung einer politischen Lösung der Ukraine-Krise zu spielen", erklärte Außenministeriumssprecher Wang Wenbin vorab.
Saudi-Arabien, weltweit größter Rohölexporteur, der in der Ölpolitik eng mit Russland zusammenarbeitet, hat seine Verbindungen zu beiden Seiten bekräftigt und sich als möglicher Vermittler im Ukraine-Krieg positioniert. Der regierungsnahe Experte Ali Schihabi sagte, das Treffen zeige den Erfolg von Saudi-Arabiens "multipolarer Strategie". Das Treffen in Dschiddah folgte auf Gespräche in Kopenhagen im Juni, die informell angelegt waren und ebenfalls zu keiner offiziellen Erklärung führten.
Quelle: ntv.de, chl/AFP