China setzt auf Strukturreformen G20 suchen nach Wachstumsrezepten
04.09.2016, 15:38 Uhr
Merkel auf dem G20-Gipfel mit UN-Generalsekretär Ban (l.), den Präsidenten Putin (2.v.l.) und Erdogan sowie dessen Frau.
(Foto: REUTERS)
Weltweit gerät das Wirtschaftswachstum ins Stocken. Die G20 wollen Gegenmaßnahmen beschließen. Kanzlerin Merkel ist zufrieden mit chinesischen Plänen für Strukturreformen. Doch auch die Globalisierungsverlierer sollen mehr beachtet werden.
Es ist eine fast perfekte Inszenierung: Auf dem G20-Gipfel in Hangzhou hat Gastgeber China angesichts der schleppenden Weltwirtschaft Maßnahmen für mehr Wachstum in den Vordergrund gestellt. Heikle Themen wie die Flüchtlingskrise oder der Syrien-Konflikt blieben Gesprächen am Rande des Gipfels vorbehalten.

China - hier Präsident Xi Jinping und seine Frau Peng Liyuan - richtet erstmals ein Gipfeltreffen dieser Größe aus.
(Foto: AP)
Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte, die Schattenseiten der Globalisierung nicht zu vernachlässigen und gegen soziale Ungleichheit anzukämpfen. Beraten wurde nach ihren Angaben darüber, "dass die Globalisierung nicht nur eine positive Konnotation hat", sondern auch Ursache für soziale Ungleichheit weltweit ist.
Der Kampf dagegen sei daher "ein wichtiges Thema, um ein nachhaltiges Wachstum auch mit sozialer Sicherheit zu verbinden", fügte die Kanzlerin hinzu. Wichtig seien dabei auch "Innovation und Bildung". Die G20 reagierten mit der Themensetzung auf die wachsende Globalisierungskritik weltweit, die populistischen Parteien Zulauf beschert und die Verabschiedung von Freihandelsabkommen wie TTIP erschwert.
Kein "leeres Gerede"
- Der Brexit bewegt nicht nur Europa, sondern auch die Welt. Der angekündigte EU-Ausstieg der Briten wird von vielen Staaten als wirtschaftliches Hemmnis bei der Globalisierung gesehen.
- Chinas Wirtschaftsschwäche wird ebenfalls angesprochen werden - allein deshalb schon, weil das asiatische Land inzwischen die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft hinter den USA sind.
- Auch der Inselstreit im Südchinesischen Meer wird Thema sein - hierbei haben die USA und China unterschiedliche Auffassungen.
- Aus europäischer Perspekte geht es auch um den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei. Dazu soll es ein Treffen Angela Merkels mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geben.
- Über den Krieg in Syrien wird es Beratungen geben, um die Türkei auf die Seite der US-geführten Allianz zu halten.
- Deutschland und Frankreich wollen über eine Friedensinitiatve im Ukraine-Konflikt sprechen.
Es ist das erste Mal, dass China den Gipfel der 20 großen Industrie- und Schwellenländer ausrichtet - und die größte derartige Veranstaltung in dem Riesenreich überhaupt. Präsident Xi Jinping warnte in der ersten Arbeitssitzung seine Kollegen vor "leerem Gerede" bei dem Bemühen um mehr Wirtschaftswachstum. China hat dieses Thema auch angesichts der Probleme zu Hause zur Priorität des Gipfels gemacht.
Merkel zeigte sich nach den früheren G20-Debatten über eine Ausweitung staatlicher Investitionen sehr zufrieden damit, dass die chinesische Präsidentschaft vor allem auf Strukturreformen setze, um die lahmende Weltwirtschaft anzukurbeln. Dazu seien Aktionspläne entwickelt worden, die in der anstehenden deutschen G20-Präsidentschaft überprüft werden sollen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte erst vor wenigen Tagen vor einer Phase dauerhaft schwachen Wachstums gewarnt. Die G20-Länder stehen zusammen für fast 90 Prozent der Wirtschaftsleistung weltweit.
Als eines der Risiken für die Weltwirtschaft gilt der Brexit. Premierministerin Theresa May nahm erstmals an einem G20-Gipfel teil und musste wegen ihrer Freihandelspläne Kritik der EU einstecken. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte London vor einer verfrühten Aufnahme von Extra-Verhandlungen über solche Abkommen. Solange Großbritannien EU-Mitglied sei, seien solche Verhandlungen ausschließlich Sache der EU. May hatte vor dem G20-Gipfel angekündigt, dass ihr Land nach dem Brexit ein "globaler Führer des Freihandels" werden wolle.
Beamter brüskiert US-Delegation
China hatte im Vorfeld alles für einen möglichst reibungslosen Ablauf des Treffens getan: Fabriken mussten schließen, um einen blauen Himmel nicht zu gefährden. Einwohner sollten die historische Stadt Hangzhou möglichst verlassen, um Staus zu vermeiden.
Trotz der peniblen Vorbereitung kam es bei der Ankunft von US-Präsident Barack Obama aber zu einer Kabbelei auf dem Flughafen vor laufenden Kameras. Mit dem wütenden Ausruf eines chinesischen Sicherheitsbeamten "Dies ist unser Land - dies ist unser Flughafen" wurde Journalisten und sogar US-Regierungsvertretern der Weg versperrt. Obama reagierte gelassen, verwies aber auf die Bedeutung ungehinderter Pressearbeit.
Am Rande des Gipfels traf sich Merkel auch mit dem türkischen Staatschef Recep Tyyip Erdogan, was als vorsichtige Annäherung im derzeit kriselnden Verhältnis zwischen Berlin und Ankara gedeutet wurde. Nach dem Treffen sagte Merkel, sie gehe davon aus, dass das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik in Kürze aufgehoben werde.
Auch der Syrien-Konflikt spielte zunächst nur in Gesprächen am Rande des Gipfels eine Rolle. Ursprüngliche Hoffnungen auf einen US-russischen Durchbruch erfüllten sich nicht. EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte die G20 auf, mehr Verantwortung in der Flüchtlingskrise zu übernehmen.
Ende des Jahres übernimmt Deutschland den Vorsitz der G20. Im Juli 2017 ist ein Gipfeltreffen in Hamburg geplant. Als Schwerpunkt nannte Merkel die Digitalisierung der Wirtschaft. Zudem soll nach ihren Worten eine "G20-task force" für Innovation eingerichtet werden, die die in Hangzhou eingegangenen Verpflichtungen überprüfen soll.
Quelle: ntv.de, mli/AFP