Versorgungsmangel in Gaza UNICEF berichtet von Kaiserschnitten ohne Betäubung
19.01.2024, 18:41 Uhr Artikel anhören
Ein zerstörter Krankenwagen in Deir al-Balah nach einem Raketenangriff der israelischen Armee am 11. Januar.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der Hamas führen zu einer katastrophalen Unterversorgung in Gaza. Mehrere Krankenhäuser müssen ihre Tätigkeit zeitweise einstellen, weil keine Medizin in die Stadt kommt. Das betrifft auch Geburtenkliniken und hat verheerende Folgen für Mütter und Kinder.
Im Gazastreifen müssen Kaiserschnittoperationen nach Angaben einer Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef manchmal ohne Betäubung durchgeführt werden. Es mangele Krankenhäusern nicht nur an Anästhesie-Medikamenten, sagte Tess Ingram am Freitag. Wegen der Überfüllung müssten Mütter bereits drei Stunden nach einem Kaiserschnitt das Krankenhaus wieder verlassen. Eine Krankenschwester habe berichtet, sie habe innerhalb von acht Wochen bei sechs toten Müttern Kaiserschnitte vornehmen musste, um deren ungeborene Kinder zu retten.
Nach eigenen Angaben habe Ingram selbst den Gazastreifen besucht. Anschließend sprach sie über Videoverbindung aus Jordanien mit Reportern in Genf. Sie berichtete unter anderem von einer jungen Mutter, deren Haus bei einem Raketen- oder Bombenangriff getroffen wurde und ihr Baby infolgedessen aufgehört habe, sich zu bewegen. Die Mutter sei sicher, dass das Baby tot sei. Ingram habe sie einen Monat nach dem Angriff getroffen, als die Frau immer noch auf medizinische Versorgung wartete.
Eine andere Frau war im sechsten Monat schwanger, als sie unter den Trümmern ihres Hauses eingeklemmt wurde. Ihr Baby sei trotzdem gesund zur Welt gekommen. Die Mutter wiederum sei verletzt und krank, aber es bleibe ihr nichts übrig, als mit ihrem neugeborenen Mädchen in einen selbst gebauten Unterstand auf den Straßen von Rafah zurückzukehren, berichtete Ingram.
Medikamentenmangel und Unterversorgung
Im Schockzustand über die Lebensumstände könnten viele Mütter außerdem ihre Babys nicht stillen. Und da Babynahrung ebenfalls kaum zur Verfügung stehe, befürchtet die UNICEF auch Langzeitfolgen bei den Neugeborenen. Das Leid der Kleinsten müsse den Menschen weltweit den Schlaf rauben, sagte Ingram.
Das gelte auch für das Schicksal der beiden sehr kleinen Kinder, die Terroristen am 7. Oktober aus Israel in den Gazastreifen verschleppt hätten und die dort immer noch festgehalten würden. Nach Angaben von Ingram sind während des Konflikts in Gaza 20.000 Babys zur Welt gekommen. "Mütter stehen vor unvorstellbaren Herausforderungen in Bezug auf angemessene medizinische Versorgung, Ernährung und Schutz vor, während und nach der Geburt", sagte sie.
Quelle: ntv.de, gri/dpa