Netanjahu bekräftigt Kriegskurs 100 Tage Tod und Zerstörung in Gaza - 100 Tage Qual und Angst der Geiseln
13.01.2024, 22:25 Uhr Artikel anhören
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sind bald 100 Tage vergangen. Benjamin Netanjahu gibt sich siegesgewiss und bekräftigt seinen Kurs. Doch der Druck auf den israelischen Regierungschef steigt - international und im eigenen Land.
Vor dem 100. Tag im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas haben Angehörige der immer noch im Gazastreifen verschleppten Geiseln sowie der Leiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) das Leid der Opfer des Terrorangriffs auf Israel und der seitdem andauernden Kämpfe aufmerksam gemacht. Israel Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Armee-Chef Herzi Halevi bekräftigten, den eingeschlagenen militärischen Kurs fortzusetzen.
"Niemand wird uns aufhalten", sagte Netanjahu bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv, es sei "möglich und notwendig bis zum Sieg weiterzumachen und das werden wir tun". Der Militäroffensive im Gazastreifen habe bereits "die meisten Hamas-Bataillone eliminiert". Israels Armee-Chef Herzi Halevi versicherte, seine Landsleute würden den Angriff des "blutrünstigen Feindes" auf Israel nie vergessen. "Wir kämpfen für unser Recht hier in Sicherheit zu leben", sagte Halevi in einer Fernsehansprache. Es handele sich um einen "gerechten Krieg", der noch "lange andauern wird".
UNRWA-Chef Philippe Lazzarini sprach dagegen davon, die 100 Tage Krieg hätten "Tod, Zerstörung, Vertreibung, Hunger, Verlust und Trauer" gebracht und "beflecken unsere gemeinsame Menschlichkeit". Lazzarini verurteilte die "schrecklichen Angriffe" der Hamas. Für die israelischen Geiseln und ihre Familien seien die letzten 100 Tage voller "Qual und Angst" gewesen.
"Menschengemachte Katastrophe"
Die humanitäre Krise, unter der mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen litten, sei eine "menschengemachte Katastrophe", hielt Lazzarini in einer Erklärung fest. Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung würden durch zahllose bürokratische Verfahren sowie durch die anhaltenden Kampfhandlungen erschwert und behindert, beklagte Lazzarini. "Trotz wiederholter Appelle ist noch immer kein humanitärer Waffenstillstand in Kraft, um das Töten von Menschen in Gaza zu beenden und eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Wasser und Zelten zu ermöglichen."
Auslöser des Gaza-Kriegs war die verheerende Terrorattacke der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober mit 1200 Toten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 23.000 Menschen getötet. Bei der Zahl wird jedoch nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden. Israels Regierung steht angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet international, aber auch im eigenen Land immer mehr unter Druck.
Kritik am Vorgehen von Netanjahus Regierung kommt unter anderem von den Angehörigen der mehr als 100 noch immer in Geiselhaft befindlichen Israelis. Vor dem Kunstmuseum in Tel Aviv enthüllten sie den Nachbau eines Tunnels, der denen Hamas-Tunneln unter Gaza nachempfunden ist, in denen vermutlich viele der Geiseln festgehalten werden. Die Familien der verbliebenen Geiseln hatten zuletzt den Druck auf erhöht und gefordert, dass die Regierung ihre Bemühungen um die Freilassung der Geiseln verstärkt.
"Kleiner Ausschnitt der Qualen"
Der Künstler Roni Levavi sagte, er habe mit der Installation in Tel Aviv "die getreueste Rekonstruktion" eines Hamas-Tunnels im Gazastreifen erschaffen wollen. Das Innere des Tunnels ist spärlich beleuchtet, der Boden ist dreckig und ständig ist das Geräusch von Schusswechseln und Artilleriebeschuss zu hören. Den Vorplatz des Kunstmuseums in Tel Aviv, auf dem der Tunnel steht, haben die Angehörigen in "Platz der Geiseln" umbenannt. Sie erinnern dort an Ständen und mit Kunstinstallationen an das Schicksal der Verschleppten.
Der Tunnel sei nur ein "kleiner Ausschnitt" der Qualen, die die Geiseln aushalten müssten, sagte Eyal Moar, dessen Onkel von der Hamas entführt wurde. "Wir wissen, dass die Bedingungen wirklich schrecklich sind - keine frische Luft, sehr wenig Nahrung, keine Medikamente, kein Sonnenlicht."
Am Abend forderten unterdessen wieder Tausende Menschen bei einer Demonstration in der israelischen Metropole Tel Aviv den Rücktritt Netanjahus. Redner der Kundgebung warfen seiner Regierung vor, nicht genügend zu tun, um die Geiseln wieder nach Hause zu bringen.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP