Datum und Ort sind kein Zufall China hält mit Belarus Manöver an Grenze zu Polen ab
11.07.2024, 17:46 Uhr Artikel anhören
Seit Montag halten Belarus und China eine gemeinsame Militärübung ab.
(Foto: via REUTERS)
Schon früher hat China sogenannte Anti-Terror-Übungen mit Belarus abgehalten. Nun nimmt es sie wieder auf - nahe der Grenze zu Polen. Experten halten das nicht für einen Zufall. Vielmehr sei es ein deutliches Zeichen Richtung NATO. Die wird von Peking deutlich kritisiert.
Es ist ein klares Signal an den Westen: Während die NATO in Washington tagt, halten China und Belarus ein Manöver an der Grenze zu Polen ab. Die Militärübungen in direkter Nähe zum NATO-Gebiet fallen in eine Zeit wachsender Spannungen zwischen Peking und der westlichen Allianz. Bei ihrem Gipfeltreffen bezeichneten die Bündnispartner China als "entscheidenden Beihelfer" im russischen Angriffskrieg in der Ukraine, was in Peking scharf kritisiert wurde.
Die gemeinsamen Übungen fänden in der belarussischen Grenzstadt Brest statt, teilte das chinesische Verteidigungsministerium mit. Das Manöver mit dem Namen "Falkenangriff 2024" startete demnach am Montag und soll bis Mitte Juli dauern. Angaben aus Minsk zufolge handelt es sich um ein "Anti-Terror-Manöver". Wie viele Soldaten daran teilnehmen, ist bisher nicht bekannt. Zwischen 2011 und 2018 hatte es solche Übungen bereits gegeben. Das derzeitige Manöver ist das erste seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Belarus unterstützt den Angriff.
"Die Kommandeure beider Seiten äußerten die Hoffnung, die Kampftechniken zu verbessern und die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den beiden Armeen zu vertiefen", hieß es in der Erklärung aus Peking. Das Manöver richte sich nicht gegen ein bestimmtes Land.
Das NATO-Land Polen beobachtet die Übungen in seiner Nachbarschaft genau. "Die Situation wird ständig überwacht und analysiert", erklärte das Verteidigungsministerium in Warschau. "Das Verteidigungsministerium sieht durchaus die Gefahr, dass diese Operationen zu Desinformations- und Propagandazwecken anlässlich des NATO-Gipfels genutzt werden könnten."
Vertiefte Beziehungen zu Russland
Der Krieg gegen die Ukraine und die westliche Unterstützung für Kiew sind das zentrale Thema des Treffens in Washington, das heute zu Ende geht. In ihrer am Mittwoch veröffentlichten Gipfelerklärung äußerten die Staats- und Regierungschefs "tiefe Sorge" über Chinas enge Beziehungen zu Russland. Peking hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher nicht verurteilt und liefert weiter zivil wie militärisch nutzbare Güter an Moskau. Die Volksrepublik bezeichnet sich als neutral in dem Konflikt - seit Kriegsbeginn vertieften Peking und Moskau jedoch ihre Beziehungen.
Mit dem Manöver setzt China nun sein Militär an der Grenze der Atlantischen Allianz ein, auf dem Territorium des engsten Verbündeten Russlands und Nachbarn der Ukraine. Das Datum und der Ort seien nicht zufällig gewählt worden, sagte Kelly Grieco, Forscherin am Stimson Center, einer Denkfabrik in Washington. "Multilaterale Übungen werden oft genutzt, um eine politische Botschaft zu senden, die wichtiger ist als die Übungen selbst", sagte die Expertin für Militärbündnisse.
Grieco erinnerte daran, dass China in den 2010er Jahren bereits vier Anti-Terror-Übungen in Belarus abgehalten habe, seitdem aber nicht mehr. Die Tatsache, dass sie "in Brest, so nahe an der polnischen Grenze, stattfinden, ist Teil des Signals".
Termin für Manöver ist "sehr durchdacht"
"Der Zeitplan für gemeinsame Militärübungen ist sehr durchdacht und richtet sich nach der internationalen Agenda", sagte auch Alice Ekman vom Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (EUISS). Sie nennt ein weiteres Beispiel: "Im April 2023 führten die Chinesen gemeinsam mit Russland Übungen im Ostchinesischen Meer in der Nähe japanischer Inseln durch - einen Tag vor einem Gipfel der USA, Japans und Südkoreas, um ihren Widerstand gegen ein solches Treffen auszudrücken."
Auf die jüngsten Vorwürfe der Allianz reagierte Peking erbost: Die NATO solle aufhören, die "sogenannte Bedrohung durch China" hochzuspielen und "Konfrontation und Rivalität zu provozieren", erklärte ein Sprecher der chinesischen Mission bei der EU. Das Verteidigungsbündnis solle mehr zu Frieden und Stabilität auf der Welt beitragen.
Die NATO wird von der Volksrepublik "aus historischen Gründen als eindeutig feindselig wahrgenommen, aber zunehmend auch aus strategischen Gründen", sagte Wissenschaftlerin Ekman. China hat dem Bündnis nie die Bombardierung seiner Botschaft in Belgrad 1999 durch ein Flugzeug unter NATO-Mandat verziehen. Des Weiteren hat Peking nicht vergessen, dass die Allianz in den Jahren danach im Irak, in Libyen und in Afghanistan aktiv war - weit außerhalb ihres Territoriums.
Quelle: ntv.de, Fabien Zamora, AFP