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"Land ist nicht vorbereitet" Grüne gegen schnelle Rückkehr syrischer Flüchtlinge

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Lamya Kaddor bei einem Pressestatement zur Messerattacke in Solingen.

Lamya Kaddor bei einem Pressestatement zur Messerattacke in Solingen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach einer Reise durch Syrien warnt die grüne Innenpolitikerin Kaddor vor einer überstürzten Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat. Die Machthaber in Damaskus hätten ihr klargemacht, dass das Land dem noch nicht gewachsen sei. Entsprechende Forderungen der Union findet sie "erschreckend".

Die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor hat deutsche Forderungen nach einer raschen Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland kritisiert. Nach einer Reise durch Syrien sagte sie der "Rheinischen Post", "vonseiten des syrischen Außenministeriums wurde mir mehrmals gesagt: Das Land ist nicht vorbereitet auf so viele Menschen. Es liegt am Boden und muss zuerst wieder aufgebaut werden." Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag betonte: "Es ist erschreckend, dass diese Forderung in Deutschland schon keine drei Stunden nach dem Fall des Assad-Regimes erhoben wurde - nach mehr als 50 Jahren Diktatur und Schreckensherrschaft."

Mit Blick auf den Wiederaufbau Syriens fügte Kaddor hinzu: "Wichtig ist zumindest die schrittweise Aussetzung der Sanktionen, etwa im Energiebereich; Finanztransfers müssen ebenfalls möglich werden. Auch der Flugverkehr zwischen Deutschland und Syrien sollte so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden." Sie sagte: "Die Sanktionen wurden einst gegen Assad verhängt. Dieser konnte sich aber etwa mit Drogenhandel im großen Stil über Wasser halten und seinen Apparat finanzieren, während die Bevölkerung litt. Es ist das richtige Signal, dass die EU Sanktionslockerungen beschlossen hat und demnächst umsetzen will."

Zugleich betonte sie: "Deutschland kann humanitäre Hilfe leisten und auch bei der juristischen Aufarbeitung helfen. Hierzulande gab es schon Verfahren nach dem Weltrechtsprinzip wegen Staatsfolter in Syrien: Vor dem Oberlandesgericht Koblenz wurde etwa ein früherer syrischer Geheimdienstmitarbeiter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Viele Menschen in Syrien wünschen sich zudem, dass aus dem Foltergefängnis Sednaya eine Gedenkstätte wird. Auch dabei könnten wir helfen."

Welthungerhilfe will Büro in Damaskus eröffnen

Auch die deutsche Welthungerhilfe forderte die Aufhebung der Syrien-Sanktionen. Der Generalsekretär der Organisation, Mathias Mogge, sagte der Zeitung: "Es ist im Moment sehr schwer, Geld ins Land zu bekommen. Menschen, die aus Syrien nach Europa oder in die Türkei geflüchtet sind, können ihren Verwandten kein Geld überweisen. Auch der Handel kommt nicht wieder in Gang, solange die Sanktionen bestehen. Natürlich sollte die Aufhebung der Sanktionen aber auch an Bedingungen geknüpft sein, wie zum Beispiel die Einhaltung der Menschenrechte oder die Einbeziehung verschiedener religiöser und ethnischer Gruppen."

Die Welthungerhilfe wolle nun die Aktivitäten im Land ausweiten. "Bislang waren wir vor allem in der Grenzregion zur Türkei aktiv. Wir wollen jetzt ein Büro in Damaskus eröffnen und von dort aus unsere Aktivitäten auf weitere Standorte ausdehnen, dorthin, wo es besonders großen Bedarf gibt." Von der Wiederaufbaukonferenz in Paris erhoffe er sich, dass international an einem Strang gezogen wird. "Dabei sollten alle Länder zusammenarbeiten, damit es nicht zu einer Zersplitterung des internationalen Engagements kommt - wenn zum Beispiel die Golfstaaten dies, die Türkei das und die Europäische Union etwas ganz anderes machen. Auch innerhalb der Europäischen Union sollten sich die Länder koordinieren."

Quelle: ntv.de, mau

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