"Unmoralisches Verhalten" Gysi unterstellt Wagenknecht nach Austritt Feigheit
23.10.2023, 19:21 Uhr Artikel anhören
Der Parteiaustritt von Wagenknecht und ihren Anhängern schlägt hohe Wellen, vor allem unter Ex-Genossen. Es hagelt scharfe Kritik. Der ehemalige Fraktionschef Gysi spricht von "Feigheit" und "unmoralischem Verhalten". Vor allem an einem Punkt stören sich viele Linken-Politiker.
Der Linken-Politiker Gregor Gysi hat den Parteiaustritt Sahra Wagenknechts und ihre Ankündigung einer Parteineugründung entschieden kritisiert. "Es ist feige zu gehen, wenn eine Partei in der Existenzkrise ist. Wenn sie kurz vor der Übernahme der Regierung stünde, okay. Aber in dieser Situation?", sagte Gysi dem "Spiegel".
Zehn Abgeordnete einschließlich Wagenknecht haben ihren Austritt aus der Linken erklärt, wollen ihre Mandate aber behalten. Zu Wagenknechts Gefolgsleuten, die ebenfalls ihren Parteiaustritt erklärten, zählen die bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, der frühere Parteichef Klaus Ernst und die Außenexpertin Sevim Dagdelen. Sie sind über Landeslisten der Linken bei der Bundestagswahl ins Parlament gezogen. Im Januar will Wagenknecht eine neue Partei gründen, die bereits bei der Europawahl 2024 antreten soll. Die Partei- und Fraktionsspitze der Linken forderte die Ausgetretenen auf, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben.
"Die Abgeordneten, die jetzt gehen und ihr Mandat behalten wollen, handeln unmoralisch", findet Gysi. Die Dinge, die sie an der Linken kritisierten, "hatten sie alle schon an der Partei auszusetzen, als sie kandidierten, um das Mandat zu erhalten".
"Sie wollen ihre Diäten behalten"
"Wer so unmoralisch agiert gleich am Anfang, wird die Zweifel an der Moral nicht mehr wegbekommen", sagte Gysi dem "Spiegel". Man müsse ehrlich sein: "Der erste Grund, dass sie ihre Mandate behalten, ist, dass sie glauben, sie können leichter eine neue Partei aufbauen, wenn sie Mitglieder des Deutschen Bundestags sind. Der zweite Grund ist: Sie wollen ihre Diäten behalten." Von seiner eigenen Partei fordert er nun, sich neu aufzustellen. "Wir müssen als Linke neu starten und uns auf das Wesentliche konzentrieren, wieder näher an die Arbeitnehmerschaft, die Angestellten und Gewerkschaften."
Die Spitzen von Partei und Fraktion reagierten ebenfalls verärgert auf die Austritte und auf die Weigerung der Wagenknecht-Gruppe, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben. Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Verhalten "unverantwortlich und inakzeptabel" und kündigte an, "in großer Ruhe" über den Antrag der Wagenknecht-Gruppe auf Verbleib in der Fraktion zu entscheiden.
Die direkt gewählten Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch und Sören Pellmann warfen wie Gysi den Wagenknecht-Leuten einen "höchst unmoralischen 'Diebstahl'" vor, weil sie ihre mithilfe der Linken gewonnenen Bundestagsmandate behalten wollen.
Parteichef Martin Schirdewan bezeichnete es als "echte Sauerei", dass die Wagenknecht-Gruppe durch ihren Austritt den Bestand der Linksfraktion gefährde - und damit auch die Jobs von mehr als 100 Fraktionsmitarbeitern. Im "ntv Frühstart" bezeichnete er die Situation für die Linke als Chance, wieder als die "starke Partei der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität deutlicher erkennbar zu werden", nannte den Schritt jedoch auch "verantwortungslos".
Quelle: ntv.de, als/AFP