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Heiz-Zoff bei Anne Will Habeck: "Ich bin nicht zufrieden mit der Bundesregierung"

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Gibt den Kritikern recht: Mit den Änderungen am Heizungsgesetz werde es unwahrscheinlicher, die Klimaziele zu erreichen, als mit dem ursprünglichen Plan, sagt Bundeswirtschaftsminister Habeck.

Gibt den Kritikern recht: Mit den Änderungen am Heizungsgesetz werde es unwahrscheinlicher, die Klimaziele zu erreichen, als mit dem ursprünglichen Plan, sagt Bundeswirtschaftsminister Habeck.

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Robert Habeck stellt sich im Einzelinterview den kritischen Fragen von Anne Will. Der Wirtschaftsminister rügt die eigene Bundesregierung im Streit um das Heizungsgesetz und gibt eine "brutale Antwort" auf die Frage nach Deutschlands Klimazielen. Außerdem ist da auch noch eine spezielle Selbstkritik.

Ohne Zoff kann sie nicht. In letzter Sekunde löst die Ampel-Koalition in der vergangenen Woche zwar (vorerst) den Heizungsstreit, aber mal wieder rumort es an allen Fronten. Ein Bild der Zerrissenheit: Die Wärmewende zeigt exemplarisch, wie Streitereien die einst als "Fortschrittskoalition" angetretene Regierung untergraben und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verletzen. Auch deshalb steigen die Umfragewerte der AfD so stetig an, wie die der Grünen fallen. Bei Anne Will stellt sich Robert Habeck im Einzelinterview dem Hickhack um das Heizungsgesetz.

Fast ein wenig ängstlich sitzt der Wirtschaftsminister in sich zusammengesackt schräg vor der Talkmasterin. Die Lage ist ernst. Weit vorn auf seinem Sessel hockt er, die Beine verschränkt, die Miene angespannt. Anne Will feuert Salven kritischer Fragen ab, die derzeit die Ansichten vieler Bürgerinnen und Bürger widerspiegeln. Habeck weiß natürlich, dass laut des ARD-Deutschlandtrends von Anfang Juni nur noch jeder Fünfte die Arbeit der Bundesregierung gutheißt. Und da waren die letzten Wochen des Heizungszoffs noch gar nicht eingerechnet.

"Ich bin auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung", räumt Habeck ein. Man habe das Land zwar sicher durch den Winter geführt, die Inflation und die Preise in den Supermärkten und bei Öl und Gas würden wieder sinken, aber: "Natürlich haben wir in der Kür, im Erscheinungsbild der Regierung, nicht geglänzt", so der Vizekanzler.

Ampel habe sich aus Loch gebuddelt

Wie sehr es hinter den Kulissen gekracht haben muss und wie sehr der Minister um die Regierungsfähigkeit der Koalition bangte, machen seine nächsten Äußerungen deutlich. Die Einigung auf das Heizungsgesetz sei die "letzte Ausfahrt" gewesen. Wäre es nicht einmal gelungen, das Gesetz parlamentarisch zu beraten, wären viele andere Projekte "auch ins Straucheln geraten oder blockiert worden". Dennoch sei die Ampel nun auf einem guten Weg und habe sich "in den vergangenen drei bis vier Wochen aus dem Loch heraus gebuddelt".

Was der jüngste Streit der Ampel rund um das Heizungsgesetz alles offengelegt, ja gar angerichtet habe, möchte Will anschließend wissen. "Es ist etwas passiert in Deutschland", gibt Habeck zu, "das habe ich nicht rechtzeitig gemerkt." Er meint den starken Widerstand gegen das Heizungsgesetz. "Den Moment innezuhalten, habe ich mir nicht genommen", sagt er. Davon hätten sich Rund um das Gesetz und die Kommunikation weitere Fehler abgeleitet. Habeck habe dann erst vor vier Wochen "Raum gefunden", um den Gesetzesentwurf noch mal anders anzugehen, und habe ihn in dieser Zeit zusammen mit der Regierung "auf einen guten Pfad" gebracht. Jetzt hoffe er auf ein gutes Ende im Bundestag.

"Heizgesetz war Tropfen zu viel an Gesetzgebung"

Auch jetzt findet der Vizekanzler kaum Luft zu atmen, denn Talkmasterin Will trifft ihn mit einer Frage ins Mark. Sie möchte wissen, warum Habeck seinen früheren Ansatz verloren habe, Menschen ins Boot holen und aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Der Grünen-Politiker sackt auf seinem Sessel gefühlt noch stärker in sich zusammen. "Das ist eine Frage, die mich umtreibt", gibt er nachdenklich von sich. Er sei natürlich "nicht zufrieden" gewesen, wie die Debatte samt Kritik in der Bevölkerung gelaufen ist. Nach vielen Veränderungen und Verboten wegen des Krieges in der Ukraine "war das Heizgesetz dann der Tropfen zu viel an Gesetzgebung".

"Handwerklich" findet der Wirtschaftsminister aber keinen Fehler an den vorgelegten Leitplanken, obwohl der Zeitdruck, den die Politik sich selbst auferlegt habe, "enorm" war. Will kontert, dass vieles im Gesetzesentwurf, der seit Donnerstag im Bundestag bearbeitet wird und bis zur Sommerpause am ersten Juli verabschiedet werden soll, ungenau und unklar sei. "Reden Sie sich das schön?", fragt sie Habeck. Ein "längerer zeitlicher Vorlauf" für den Bundestag wäre natürlich gut gewesen, erkennt der Klimaschutzminister an. Aber auch wenn beispielsweise genaue Fristen zu Heizungen noch nicht im Gesetz stünden, "beantworten die Leitplanken alle Fragen im Umriss".

Abgeänderter Entwurf führe wohl zu weniger klimaneutralem Heizen

Auf die Kritik, der vorgelegte Entwurf sei aufgeweicht, entgegnet Habeck, dass es tatsächlich "wahrscheinlich zu etwas weniger klimaneutralem Heizen führt", als der ursprüngliche Plan es getan hätte. Dafür sei es positiv, dass man sich nun an die kommunale Wärmeplanung ankoppele. Er geht bei allem auch vom Common Sense der Bürgerinnen und Bürger aus: "Gasheizungen und Ölheizungen weiter einbauen, ist ein Nachteil", sagt der Wirtschaftsminister, "denn die Preise für Öl und Gas werden langfristig weiter steigen".

Will wendet ein, dass selbst Parteikollege Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Habecks Vorgehen mit Verboten als "Ritt auf der Rasierklinge" bezeichnet hatte. Hat der Klimaschutzminister die soziale Frage beim Gesetzentwurf zu wenig gedacht? "Das ist nicht der Vorwurf, den ich mir mache", antwortet Habeck. Schließlich sei klar, dass die Heizanlagenwechsel "üppig ausfinanziert werden". Man denke in der Regierung "immer sozial mit" und "das Geld steht bereit dafür im Fonds". Welche Gelder letztendlich bei wem wirklich ankommen, sagt er aber nicht.

Ob das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung die Ampel unheilbar angeknackst hat, diskutiert anschließend noch eine kleine Runde mit Wirtschaftsweisen Veronika Grimm und Wolfgang Merkel. Während Grimm fordert, man müsse zukünftig für viele wichtige Themen die "Menschen einsammeln", glaubt der Politikwissenschaftler, es werde "lange dauern", bis das Vertrauen wieder aufgebaut werden kann. "Wenn wir wissen, dass die Klimapolitik mit vielen Lasten einhergeht, dann muss man mehr auf die Bürger zugehen", kritisiert Merkel die Ampel. Er erinnert aber auch an den normalen Prozess, dass in der Mitte der Legislatur eine Regierung stets deutlich geringeren Zuspruch erhält. Die Ampel müsse jedoch unbedingt weniger streiten und polarisieren, also weniger mit Blick auf die "Wahlarena" auf die Bürgerinnen und Bürger schauen. "Das schadet rationaler Politik", so Merkel.

Klimaziele unerreichbar? Habeck schießt gegen Wissing

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Schließlich kommt Habeck noch auf die Klimaziele zu sprechen. Grimm rügt, dass keine Schärfungen des Emissionshandels ins Heizgesetz gelangt sind und Anne Will zeigt Einspieler von Kritikern, die behaupten, mit den Leitplanken würde Deutschland seine Klimaziele verfehlen. Und auf einmal sitzt der Vizekanzler aufrecht in seinem Sessel. "Deutschland erreicht stand jetzt seine Klimaziele sowieso nicht, weil der Verkehrssektor eine zu große Lücke hinterlassen hat", entgegnet er spürbar angesäuert mit einer Spitze auf FDP-Verkehrsminister Volker Wissing: "Das ist die ehrliche, brutale Antwort".

Die Kritiker hätten recht, gesteht Robert Habeck ein, der nun wieder in seiner ursprünglichen Sitzposition angekommen ist. Mit dem neuen Heizungsgesetz werde es "unwahrscheinlicher, dass wir die Klimaziele erreichen", als mit den ursprünglichen Plänen. Aber, fügt er noch an, kurz bevor er aus seinem Sessel aufstehen darf: "Gar kein Gesetz wäre noch schlechter gewesen."

Quelle: ntv.de

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