Politik

"Rütteln an Grundfesten" Habeck hält Söders Festhalten an Aiwanger für keine gute Idee

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In Berlin verfolgte man die Vorgänge in München mit großer Aufmerksamkeit.

In Berlin verfolgte man die Vorgänge in München mit großer Aufmerksamkeit.

(Foto: picture alliance/dpa)

In München bleibt die große Erschütterung aus und Landeswirtschaftsminister Aiwanger im Amt. In Berlin finden SPD und Grüne deutliche Worte dafür, dass sie die Entscheidung für falsch halten.

Im politischen Berlin ist die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, weiter mit seinem Vize Hubert Aiwanger zusammenzuarbeiten, auf Kritik gestoßen. Vizekanzler Robert Habeck sagte der dpa: "Sich als Jugendlicher möglicherweise zu verlaufen, ist das eine, sich als verantwortlicher Politiker zum Opfer zu machen und der Inszenierung wegen an den demokratischen Grundfesten zu rütteln, ist das andere." Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung Söders "leider keine gute", erklärte der Grünen-Politiker. "Es geht hier nicht um Jugendsünden seines Koalitionspartners, sondern am Ende um den Grundkonsens dieser Republik, den jede Regierung in Bund und Ländern voll und ganz schützen muss."

Bei allen Unterschieden in der Sache habe sich die CSU immer als eine staatstragende Partei der Mitte verstanden, die den Grundkonsens dieser Republik wahre, so Habeck. "Zu ihm gehört, dass die Erinnerung an den Holocaust zentral ist und wir sie nicht relativieren dürfen. Genau das aber hat Herr Aiwanger getan und sich als Opfer inszeniert." Bundesfamilienministerin und Grünen-Parteikollegin Lisa Paus sagte im Gespräch mit ntv, dass es ein fatales Zeichen Söders sei, dass er angesichts des Umgangs Aiwangers mit den Vorwürfen einfach denkt, "er kann zur Tagesordnung übergehen".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Herr Söder hat nicht aus Haltung und Verantwortung entschieden, sondern aus schlichtem Machtkalkül." Der Umgang mit Antisemitismus dürfe aber keine taktische Frage sein. Aiwanger habe sich "weder überzeugend entschuldigt noch die Vorwürfe überzeugend ausräumen können", so Faeser. "Stattdessen erklärt er sich auf unsägliche Weise selbst zum Opfer - und denkt dabei keine Sekunde an diejenigen, die noch heute massiv unter Judenfeindlichkeit leiden." Die SPD-Politikerin fügte hinzu: "So verschieben sich Grenzen, die nicht verschoben werden dürfen." Dass Söder dies zulasse, "schadet dem Ansehen unseres Landes".

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte dem "Spiegel": "Es geht nicht um den 17-jährigen Hubert, sondern um den 52-jährigen Aiwanger und seinen Umgang mit der eigenen Vergangenheit." Dieser Umgang werde nun von Söder belohnt, "weil ihm Taktik wichtiger als Haltung ist". Nouripour fügte hinzu, das sei "unanständig und schlecht für Bayern" sowie "schlecht für Deutschland".

Schlechtes Krisenmanagement

Söder hatte am Vormittag in einer Stellungnahme zu der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt erklärt, eine Entlassung wäre in der "Gesamtabwägung" nicht verhältnismäßig. Aiwanger habe ihm am Vorabend in einem langen Gespräch versichert, das Flugblatt nicht verfasst zu haben. Er habe sich zudem entschuldigt und Reue gezeigt. Allerdings kritisierte er Aiwangers Krisenmanagement.

Dem schloss sich auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner an. "Die Entscheidung des Ministerpräsidenten ist richtig - eine Entlassung wäre unverhältnismäßig gewesen. Ich hätte mir eine deutlich bessere Krisenkommunikation von Hubert Aiwanger gewünscht", ließ die CSU-Politikerin nach Söders Entscheidung mitteilen. "Zeitnahe, klare, ehrliche Aussagen - auch zu einer noch so dünnen Verdachtsberichterstattung - und eine schnellere Distanzierung von diesem ekelhaften Pamphlet hätten nicht zu dieser unsäglichen Hängepartie geführt, die Bayern insgesamt geschadet hat."

Weiter sagte Aigner: "Seine Aussagen zur Demokratie im Vorfeld der Flugblatt-Affäre waren auch nicht gerade hilfreich für eine Einordnung der Geschehnisse von vor 36 Jahren." Aiwanger hatte im Juni auf einer Kundgebung in Erding gesagt, dass die schweigende Mehrheit sich die "Demokratie zurückholen" müsse.

Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. CSU und Freie Wähler hatten bisher stets erklärt, ihre Koalition nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Söder betonte in seiner Erklärung, dass er daran weiterhin festhalte. "Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen können", so Söder in München.

Quelle: ntv.de, sba/AFP/dpa

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