Politik

CDU-Vorstandsmitglied Winter "Habeck und Lindner müssen den Klima-Bierdeckel präsentieren"

Wiebke Winter (26) ist Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Landesvorsitzende der Jungen Union Bremen.

Wiebke Winter (26) ist Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Landesvorsitzende der Jungen Union Bremen.

(Foto: picture alliance/dpa)

CDU-Vorstandsmitglied Wiebke Winter fordert von der Ampel, sie müsse sagen, was die Transformation in Richtung Klimaneutralität kostet "und wie kleinere Einkommen dieser Kostenfalle entfliehen können". Über Friedrich Merz sagt sie, dieser sei "jetzt der richtige Vorsitzende".

ntv.de: Nach dem herben Wahlverlust der Union steht Friedrich Merz fünf Monate später an der Spitze von Partei und Fraktion. Stehen Sie als Vertreterin der jungen CDU-Generation hinter seiner Führung?

Wiebke Winter: Beim ersten Parteitag [als Merz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer unterlag] durfte ich nicht wählen, auch in der zweiten Runde [als Armin Laschet zum CDU-Chef gewählt wurde] war ich noch kein Merz-Fan. Ich hatte das Gefühl, wir bräuchten etwas anderes. Es ist schwer auszudrücken, aber ich habe den Eindruck, dass Merz sich in den letzten drei Jahren gewandelt hat. Er ist jetzt der richtige Vorsitzende. Wir haben gesehen, mit dem alten Kurs, also mit Kramp-Karrenbauer oder Laschet, hat es nicht geklappt. Jetzt brauchen wir die klare Kante und die Selbstfindung, um zu einem neuen Grundsatzprogramm zu kommen. Das braucht die Partei nach den Merkel-Jahren. Wir haben uns immer auf das Regieren verlassen, aber wir hatten verlernt, eigene Akzente zu setzen.

Muss Merz alte Zöpfe abschneiden? Muss er mit der Merkel-Ära brechen, um den Neustart zu schaffen?

Die CDU macht aus, dass wir die letzte verbleibende Volkspartei sind. Wir brauchen die verschiedenen Charaktere. Aber wir brauchen jetzt jemanden, der die Partei führt, der auch einen Diskurs aushält, der provoziert mit seinen Aussagen und die CDU somit stärker macht.

Woher kommt das Selbstbewusstsein, die CDU sei die letzte verbleibende Volkspartei? Die SPD hat die Wahl knapp gewonnen und in den Umfragen liegt die Union seit Monaten unterhalb der 30 Prozent.

Wenn man Wissenschaftlern glaubt, dann hat die Union immer noch ein Wählerpotential von über 50 Prozent. Wenn sich die Hälfte der Bevölkerung vorstellen kann, eine Partei zu wählen, ist das eine Volkspartei. Die SPD ist derweil bereits wieder auf dem absteigenden Ast, wie gegenwärtige Umfragen zeigen.

Sie sind Mitglied in der Klima-Union, stritten mit Luisa Neubauer um die richtigen Antworten in der Klimapolitik. Es ist stiller um Sie geworden, am Führungstisch Ihrer Partei sitzen Sie nicht. Passen Ihre Positionen nicht zur Partei?

Ich bin gerade erst wieder in den Bundesvorstand gewählt worden, bin in meiner Heimat Bremen sehr aktiv und vertrete das Thema Klima. Die CDU muss sich Meinungsvielfalt leisten. Friedrich Merz und ich sind auch nicht in allen Punkten einer Meinung. Er sieht in der Kernfusion zum Beispiel mehr Potenzial als ich. In der Zukunft mag die Kernfusion eine wichtige Rolle spielen. Wir können allerdings jetzt nicht mehr warten, bis die Technik vielleicht 2040 einsetzbar ist. Wir brauchen jetzt einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, um klimaneutral zu werden. Das müssen wir erst einmal ohne die Kernfusion schaffen - und ich bin überzeugt, dass wir das auch hinbekommen.

Der unter Angela Merkel beschlossene Atomausstieg wird inzwischen kontrovers diskutiert. Lügt Deutschland sich in die Tasche, wenn wir Kernenergie aus Frankreich kaufen und die Politik den Leuten Windparks vor die Haustür setzen will? Kommt der Ausstieg zu früh und zu unvorbereitet?

Nein, Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft ist richtig. Wir sollten uns diese Debatte ersparen. Es finden sich heute nicht mal mehr Investoren für das Geschäft mit der Atomkraft. Auch in der Wirtschaft hat ein Umdenken eingesetzt, die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energien. Natürlich können wir den Menschen nicht zumuten, dass unmittelbar in ihrer Nachbarschaft ein Windpark steht. Es muss einen fest definierten Abstandsradius geben, an dem darf nicht gerüttelt werden. Zudem sollten wir stärker über den Ausbau von Offshore-Windkraft in der Nord- und Ostsee sprechen. Die Begegnung mit der Wirklichkeit macht dieser Tage auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Schwierigkeit ist nicht der Ausbau in Deutschland, sondern die Menschen dafür zu gewinnen. In der Opposition war es für die Grünen einfach, die Union unbeweglich oder alt aussehen zu lassen. Aber ob Habeck Deutschland zum Klimamärchen führt, das bleibt mehr denn je abzuwarten.

Den menschengemachten Klimawandel aufhalten wollen alle Parteien im Bundestag, abgesehen von der AfD. Aber es fehlt oft die konkrete Übersetzung, was das die Bürger konkret kostet oder wo sich der Alltag verändert. Ihr Parteichef wollte die Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Haben Sie ein ähnliches Format für die Klima-Kosten-Rechnung?

Die Ampel, allen voran die Grünen, muss sich hier ehrlich machen. Die Grünen wollen das Leben der Bürgerinnen und Bürger verändern, vom Essen über die Nutzung von Transportmitteln bis zum privaten Wohnen - alles soll sich im Namen des Klimaschutzes verändern. Und genau hier sehe ich den entscheidenden Unterschied zur CDU. Ich kämpfe aus Überzeugung für den Klimaschutz und ich bin aus tiefstem Herzen Christdemokratin. Übersetzt bedeutet das für mich, dass ich Klimaschutz nicht zur Gesinnungspolitik erhebe, sondern pragmatisch anpacken will. Vielen Menschen wird bereits heute schwindlig, wenn ihre Energiekostenabrechnung ins Haus kommt. In so einer Zeit müssen wir auch darüber sprechen, wie wir Klimaschutz sozial ausgestalten können, die Regierung muss sagen, was die Transformation kostet und wie kleinere Einkommen dieser Kostenfalle entfliehen können. So könnten wir zum Beispiel sofort die energetische Eigenversorgung erleichtern. Aber erst wenn die Politik alles tut, um den Menschen klimafreundliche Alternativen anzubieten, vom Ausbau der Nah- und Fernverkehrsstrecken und der E-Ladeinfrastruktur bis zu bezahlbaren Lebensmitteln aus biologischem Anbau, können wir eine Veränderung der Gewohnheiten erwarten. Den Klima-Bierdeckel erwarte ich von der Ampel, Robert Habeck und Christian Lindner müssen den präsentieren.

Sie sind in die Merkel-CDU eingetreten, jetzt beginnt eine neue Zeit. Nehmen Sie Veränderungen wahr?

Angela Merkel ist für mich genau wie für viele Frauen meiner Generation ein Vorbild. Ich bin in den CDU-Bundesvorstand gekommen, da war sie nicht mehr Parteivorsitzende. Aber am Rande von Sitzungen hat sie durchaus sehr deutlich gemacht, wie wichtig ihr persönlich das Klimathema ist. Sie ist die Frau der subtilen Botschaften, nicht der lauten Sprüche, die Botschaften kamen an. Sie wusste immer, für was ich stehe, dass ich diejenige bin, die sich für dieses Thema einsetzt. Einige Male hat sie mich gezielt angesprochen und es wurde deutlich, dass sie genau weiß, dass die CDU nur mit einem eigenen und klaren Angebot zur Klimapolitik in Zukunft nochmal eine Wahl gewinnen kann. Auch zu Friedrich Merz habe ich einen guten Kontakt, diese persönliche Ansprache und der Rat aus der Führungsspitze an die junge Generation der Partei ist wichtig und macht für mich die CDU aus.

Wie geht es für Sie persönlich in der CDU weiter? Derzeit ist Ihre Arbeit ein Ehrenamt.

Für Macht allein würde ich morgens nicht aufstehen. Ich will inhaltlich etwas verändern, meine Leidenschaft ist das Gestalten und mein Kernthema Klimaschutz. Aber alles zu seiner Zeit, ich konzentriere mich darauf, meine juristische Ausbildung abzuschließen, das zweite Staatsexamen steht noch aus. Die CDU hat starke Frauen, wir müssen an einem Strang ziehen und in die Führungsgremien auf Landes- und Bundesebene drängen. Nur so können wir etwas bewirken.

Mit Wiebke Winter sprach Franca Lehfeldt

Quelle: ntv.de

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