Steffen Seibert im "Frühstart" "Hamas spielt ein grauenvolles und perfides Spiel"
30.10.2023, 11:08 Uhr Artikel anhören
Israel weitet seine Bodeneinsätze im Gazastreifen weiter aus. Dazu hätten sie jedes Recht, sagt der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, bei ntv. Wichtig sei trotzdem, mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bekommen, um dem Bedarf der Zivilbevölkerung nachzukommen.
Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, verteidigt die beginnenden Bodeneinsätze der israelischen Armee im Gazastreifen: "Israel ist in einer Situation, in der es gezwungen ist, seine Bevölkerung zu verteidigen", sagte Seibert im "ntv Frühstart". Das Selbstverteidigungsrecht Israels würde dabei auch bedeuten, "dass Israel alles tun muss, um zu verhindern, dass so ein unvorstellbar grauenvoller Überfall je wieder passieren kann". Das Interview mit ntv wurde geführt, bevor der Tod der entführten Shani Louk bekannt wurde.
Der Botschafter weist dabei auch darauf hin, dass das nicht nur mit Luftangriffen von außen zu machen sei, "daher war damit zu rechnen, dass israelische Truppen in den Nordteil des Gazastreifens eindringen. Das beginnen sie jetzt zu tun und jede Nacht bringt da eine gewisse Weiterung."
Hunderttausende Zivilisten seien bereits der Aufforderung Israels gefolgt und hätten den Norden im Gazastreifen gen Süden verlassen, so Seibert und betont aber auch, Hunderttausende seien noch dort geblieben. "Es gibt keinen Zweifel, es sterben Menschen im Gazastreifen, die keine Hamas-Kämpfer sind", so der Botschafter über die aktuelle Lage und sagt weiter: "Israel sagt uns, dass es viel unternimmt, um dieses Leid zu minimieren und sagt uns auch ganz ausdrücklich, der Krieg ist gegen die Hamas gerichtet, gegen die Verursacher des unglaublichen Terrorblutbads am 7. Oktober und nicht gegen die Zivilbevölkerung."
Steigende Gefahr für Geiseln der Hamas
Die Bundesregierung schaue aktuell, was politisch und praktisch getan werden könne, um das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu mindern, so Seibert. "Wir müssen mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen bekommen. Israel lässt da jetzt einiges zu, aber das reicht noch überhaupt nicht aus, um den humanitären Bedarf zu stillen."
Durch die beginnenden Bodeneinsätze wird auch eine steigende Gefahr für die Geiseln der Hamas befürchtet. Seibert bestätigt, dass noch eine niedrige zweistellige Zahl deutscher Staatsbürger unter den Geiseln sei und zum aktuellen Stand der Verhandlungen über eine mögliche Freilassung sagt er, es sei wichtig, alle diplomatischen Mittel zu nutzen, um mit denen zu sprechen, die vielleicht Einfluss auf die Hamas haben. Welche Akteure in der Region das seien, sei klar, so Seibert, ohne näher darauf einzugehen. "Mit all denen wird gesprochen. Bisher hat es leider nur zur Freilassung von vier Geiseln geführt. Die Hamas spielt da ein grauenvolles und perfides Spiel. Die Forderung der Welt muss heißen 'lasst sie alle frei, ohne Bedingungen, jetzt."
Auf die Frage, warum die Bundesregierung nicht direkt mit der Hamas verhandele, sondern den Umweg über Dritte wählt, sagt Seibert: "Es ist nicht so, als ob die Hamas auf Anrufe wartet. Wer rational agiert, hätte diesen mörderischen Blutrausch am 7. Oktober nicht entfesselt und wäre nie auf die Idee gekommen, 85-Jährige alte Damen und neun Monate alte Kinder zu entführen." Die Hamas würde wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Existenz der Geiseln eine Art Versicherung sei, so der deutsche Botschafter und betont nochmal: "Wir versuchen über alle Wege Nachrichten an die Hamas zu bringen. Bisher ist der Erfolg nicht groß, aber es ist auch nicht hilfreich in der Öffentlichkeit viel zu reden."
Quelle: ntv.de, dhy