Ukrainekrieg als "Zäsur" Heusgen verlangt Kurswechsel in Außenpolitik
30.04.2022, 10:11 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) mit US-Präsident Joe Biden am 24. März in Brüssel.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz spricht sich für einen "Neustart" in der Außenpolitik aus. Deutschland müsse sich nun endlich neu ausrichten und Führung übernehmen, so Heusgen. Es reiche nicht mehr, "immer nur als Letztes das Nötigste zu tun". Heusgen hat auch ein paar klare Empfehlungen.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine neue außenpolitische Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland. Der Ukrainekrieg sei eine Zäsur, der einen "Neustart" nach sich ziehen müsse, erklärt er im "Spiegel". Nicht nur die Beziehungen zu Russland müssten neu ausgerichtet werden, der Blick müsse sich auch nach China, in die USA, nach Afrika und nach Lateinamerika richten.
Deutschland müsse seine außenpolitische Zurückhaltung aufgeben und Führung übernehmen. Es reiche nicht mehr, "immer nur als Letztes das Nötigste zu tun", so Heusgen. Nicht nur die aggressive Politik Russlands erfordere eine aktive deutsche Außenpolitik. China begreife sich als Konkurrent des Westens. Und die USA würden der Ukraine zwar gerade "vorbildlich" beistehen – es sei aber abzusehen, dass sie sich stärker auf den pazifischen Raum konzentrieren würden. Wenn Deutschland sich nicht mit dem Schicksal einer von "äußeren Entwicklungen abhängigen Regionalmacht" begnügen wolle, sei es notwendig, diese Entwicklungen aktiv zu gestalten.
Konkret schlägt Heusgen vor, das Entwicklungshilfeministerium dem Außenministerium anzugliedern und das Personal der deutschen Auslandsvertretungen massiv aufzustocken. Außerdem solle es einen "Nationalen Sicherheitsrat" einrichten. Die Bundesrepublik müsse dringend eine Konferenz zur Zukunft des Balkans organisieren und deutlicheren Druck auf China ausüben.
Erst am Freitag rechnete der frühere Spitzendiplomat nach dem Angriff auf Kiew während des Besuchs von UN-Generalsekretär Antonio Guterres scharf mit Russlands Präsident Wladimir Putin ab. Dieser zeige, dass Putin keinerlei Respekt vor dem internationalen Recht habe. "Man denkt immer, man kann nicht tiefer sinken", so Heusgen im RBB. "Aber Putin schafft das trotzdem immer noch." Christoph Heusgen war der außen- und sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und von 2017 bis 2021 der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York.
Quelle: ntv.de, ghö