Politik

Kein Vermittler in Ukraine Warum von China nichts kommt

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"Grenzenlose Freundschaft" verbinde Russland und China, hieß es noch im Februar.

(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)

Auch zwei Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sieht es nicht nach einem baldigen Ende des Krieges aus. Vermittlungsversuche von Macron, Erdogan und Guterres verhallen im Kreml. China hat dagegen großen Einfluss auf Putin. Aber es hat gute Gründe, warum es sich zurückhält.

Es ist schwer, an den russischen Präsidenten heranzukommen. Das liegt nicht nur an Wladimir Putins Vorliebe für den berühmt gewordenen sechs Meter langen Tisch, sondern auch daran, dass er entrückt im Kreml seiner historischen Mission eines Großrusslands nachhängt. Oder, so die andere Interpretation, daheim jeden Freiheitsfunken auslöschen will, bevor es in Moskau Massenproteste wie in Minsk oder auf dem Maidan in Kiew gibt. Es ist schwer, mit ihm zu reden, weil die Bomben, Explosionen und Schüsse auf Zivilisten alles andere übertönen. Seine Botschaft ist dennoch unüberhörbar: Russland kämpft weiter in der Ukraine, Verhandlungen kann man erst mal vergessen.

Zumindest haben westliche Vertreter wenig zu melden. UN-Generalsekretär Antonio Guterres erreichte bei seinem Besuch in Moskau nichts Zählbares. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ruft ab und zu mal an, aber seine Worte verhallen. Auch Mahnungen, Sorgen und Forderungen aus Berlin, London und Washington scheinen gar nicht mehr durch die Kreml-Mauern zu dringen. Das wäre vielleicht anders, wenn diese auf Chinesisch stattfinden würden. Denn so kalt Putin gegenüber Scholz, Johnson und Macron ist, so blüht er auf, wenn sich Chinas Präsident Xi Jinping meldet.

Je mehr die Beziehungen zu Deutschland, der EU und den USA in den vergangenen Jahren abkühlten, umso mehr entdeckte Putin sein Herz für China. Der Höhepunkt war drei Wochen vor dem Überfall auf die Ukraine zu beobachten: Putin besuchte in Peking Präsident Xi und wohnte der Eröffnung der Olympischen Spiele bei, während westliche Regierungschefs die Feier wegen Menschenrechtsverletzungen im Land boykottierten. Seidig-sanft umgarnten sich die beiden Diktatoren: "Grenzenlose Freundschaft" versprachen sie sich. Putin schwärmte: Die gemeinsamen Beziehungen seien "beispiellos" und hätten einen "nie da gewesenen Charakter". Xi beglückte ihn mit einer gemeinsamen Erklärung, in der es hieß, die NATO müsse die Souveränität und Sicherheit anderer Länder respektieren.

Was kann China tun?

Was Russland vom Westen forderte, hat es dann selbst im Falle der Ukraine nicht eingehalten. Zwei Monate und einen blamablen Kriegsauftakt später hat ein Stellungskrieg im Donbass begonnen. Die USA, Europäer und mit wachsender Entschlossenheit auch Deutschland liefern immer mehr Waffen in das Land. Putin soll mit seinem Krieg scheitern, alles andere wäre eine Katastrophe für die Sicherheit Europas. Aber ein Ende der Kämpfe ist nicht absehbar. Dauert es noch Wochen? Monate? Jahre? Und was ist, wenn alles eskaliert? Kommt dann der Dritte Weltkrieg? Bei solchen Aussichten stellt sich die Frage, ob China nicht seinen Einfluss in die Waagschale werfen und Putin zu ernsthaften Verhandlungen bewegen könnte.

Denn auch China hat ein Interesse an Frieden. Auf den weltweiten Aufruhr, wirtschaftlich und politisch, hätte China verzichten können. "Die Frage ist aber immer: Frieden zu welchen Konditionen?", wie der China-Experte Tim Rühlig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber ntv.de sagt. Das Gerede von der "grenzenlosen Freundschaft" verweist er ins Reich der Poesie. China komme es gelegen, wenn Russland geschwächt würde. Denn dann wäre es noch stärker auf die Unterstützung Chinas angewiesen. "So würde die gemeinsame Allianz gegenüber den USA vertieft und man hätte einen Partner, den man gut kontrollieren könnte."

Denn die Feindschaft gegenüber den Amerikanern ist genau das, was die Freundschaftsbekundungen zwischen Peking und Moskau so leidenschaftlich macht. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Vormacht und Geopolitik, sondern auch um die Frage, ob Demokratien oder Diktaturen erfolgreicher sind. Auch von dieser Warte blickt China Rühlig zufolge auf den Krieg im fernen Westen. Die Ukraine tritt für die Demokratie ein. "Die Botschaft 'Eine demokratische Bewegung setzt sich am Ende auch gegen massive Militärgewalt durch', liegt nicht im chinesischen Interesse." Eine Schwächung der Ukraine in diesem Sinne dagegen schon.

Einerseits, andererseits

So ist China in einem ständigen Einerseits-andererseits gefangen. Die China-Expertin Nadine Godehardt von der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht im ntv.de-Interview von einem "Schaukelkurs", der zu einer prorussischen Neutralität führe. Der Krieg liege einerseits überhaupt nicht im chinesischen Interesse. Die Corona-Ausbrüche im Land beschäftigten das Land schon genug. Außerdem steht in diesem Jahr der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei an, auf dem sich Xi Jinping eine weitere Amtszeit bestätigen lassen will. "Es ist für die Legitimität der Partei und Xis nach innen unglaublich wichtig, dass dieses Ereignis nicht gestört wird", sagte sie. Aber da es indirekt gegen die USA geht, steht man, andererseits, eher an der Seite Russlands. Dafür muss sich nun auch China mit den internationalen Auswirkungen des Krieges auf die Weltwirtschaft und das Finanzsystem herumschlagen.

Solche Turbulenzen sind nicht willkommen. Hinzu kommt: Die EU und auch die USA sind die wichtigsten Handelspartner Chinas und blicken nun mit noch größerer Sorge auf die enge Verflechtung mit China. Wächst da nicht eine gefährliche Abhängigkeit heran? Das führt zu Unsicherheit und gefährdet den Wohlstand. Dass der sich mehrt, ist aber eine wichtige Säule, auf der die Herrschaft Xis und der Seinen beruht. Erst unter der Woche soll der Präsident Beamte angewiesen haben, für ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu sorgen. Dabei soll aber wiederum Russland helfen, etwa durch die Lieferung von günstigem Gas. Das wollen die Chinesen verstärkt importieren, um sich von Flüssiggaslieferungen, etwa aus Australien, unabhängig zu machen. "Aber mindestens genauso entscheidend ist, dass China Zugang zu Technologien aus dem Westen braucht und durchaus fürchtet, dass die Sanktionen auf chinesische Unternehmen ausgeweitet werden", sagt Rühlig. Einerseits, andererseits.

Wären das nicht gute Voraussetzungen für eine Vermittlerrolle? Rühlig sieht das nicht so. "China ist kein unabhängiger Makler und kann in dem Sinne auch keine Vermittlerrolle übernehmen." Offenkundig suche das Land diese Rolle auch gar nicht. "China ist eine selbstbewusste Großmacht geworden, die eigene Interessen mit allen Methoden verteidigt." Es sei aber sinnvoll, so der Experte, eine Vermittlung mit China abzusprechen, da Russland "mehr und mehr am Tropf Chinas" hänge. "Zugleich wird man aber sicherstellen, dass Russland da relativ gesichtswahrend herauskommt." Das führe dazu, dass sich China im Moment eher passiv verhalte. Und Putin gewähren lasse.

Quelle: ntv.de

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