Wegen drohendem Parteiausschluss Hunderte Grüne stellen sich hinter Palmer
10.01.2022, 15:50 Uhr
Auch seine Unterstützer halten manche Äußerungen von Palmer für "unpassend, geschmacklos, beleidigend oder verstörend".
(Foto: picture alliance / Pressebildagentur ULMER)
Kalkulierte, populistische Äußerungen bringen Tübingens Oberbürgermeister Palmer in die Bredouille - gegen ihn wird ein Parteiausschlussverfahren eröffnet. Nun kommt zum ersten Mal Schützenhilfe aus den eigenen Reihen. 500 Grünen-Mitglieder fordern seinen Verbleib.
Im Streit um den drohenden Parteiausschluss bekommt Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer nun erstmals breitere Rückendeckung aus den eigenen Reihen. Eine Gruppe von Unterstützern um die frühere Entwicklungs-Staatssekretärin Uschi Eid hat seit Mitte Dezember in der Partei Unterschriften für einen Verbleib des wohl bekanntesten deutschen Rathauschefs bei den Grünen gesammelt.
Etwa 500 Mitglieder, vor allem aus dem Landesverband Baden-Württemberg, haben den am Montag veröffentlichten Aufruf unterzeichnet. Unter den Unterzeichnern sind auch ehemalige prominente Grünen-Politikerinnen und -Politiker wie die frühere Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer. Aus dem Südwesten haben zum Beispiel Klaus-Peter Murawski, der langjährige Staatskanzleichef von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, oder Ex-Umweltminister Franz Untersteller unterschrieben. In dem Aufruf wird unter anderem beklagt, "dass es intellektuelle Exzentriker in unserer Partei schwer haben und Charakterköpfe nicht als interessante Bereicherung angesehen werden".
"Entgleisungen reichen nicht für Ausschluss"
Gleichwohl hielten auch die Unterstützer "manche Äußerungen von Boris für unpassend, geschmacklos, beleidigend oder verstörend". Ein OB müsse mehr Zurückhaltung üben. Doch als Gründe für einen Parteiausschluss reichen diese verbalen Entgleisungen nicht aus. Ein Parteitag der Grünen in Baden-Württemberg hatte Anfang Mai beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen den wegen seiner Provokationen umstrittenen Palmer anzustrengen, nachdem sich der Politiker in einem satirisch gemeinten Facebook-Post zum Fußballer Dennis Aogo rassistisch geäußert hatte.
Der Grund für den Parteiausschluss seien jedoch keine Einzelfälle, erklärten die Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Es gebe eine lange Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen. Die Vorsitzenden nannten vor allem Palmers Äußerungen zur Einwanderungs-, Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik. So hatte Palmer sich während der Flüchtlingskrise 2015 für Abschiebungen in Kriegsgebiete in Syrien und Afghanistan ausgesprochen und sich für notfalls bewaffnete Schließungen der EU-Grenzen starkgemacht. Auch habe er sich mehrfach ablehnend zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare geäußert. Mitte November war das Parteiausschlussverfahren schließlich gestartet.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP