Razzia in Baden-Württemberg Hunderte Waffen bei mutmaßlichem "Reichsbürger" gefunden
25.03.2024, 18:15 Uhr Artikel anhören
Ermittler stellten mehrere Hundert Schusswaffen, Waffenteile und Munition sicher. (Archivfoto)
(Foto: picture alliance/dpa)
Eine Waffenbehörde bekommt den Tipp, dass ausgerechnet ein Waffenhändler ein sogenannter "Reichsbürger" sein soll. Die Polizei durchsucht daraufhin eine Lagerhalle und ein Wohnhaus des Baden-Württembergers und stellt viele Waffen sicher. Ein Teil verstoße wohl gegen das Waffengesetz.
Bei einer Razzia in der Lagerhalle und dem Wohnhaus eines mutmaßlichen "Reichsbürgers" in Baden-Württemberg haben Ermittler mehrere Hundert Schusswaffen, Waffenteile und Munition sichergestellt. Laut einer Mitteilung hatte die Waffenbehörde Spaichingen die Polizei um Amtshilfe für eine Durchsuchung gebeten, weil es sich bei dem Mann in Aldingen (Kreis Tuttlingen) um einen mutmaßlichen "Reichsbürger" handeln könnte. Der 56-Jährige ist laut Polizei gewerblicher Waffenhändler. Die Razzia fand bereits am 14. März statt.
Bei einem Teil der Waffen und Gegenstände liegen laut Polizei mutmaßliche Verstöße gegen das Waffengesetz, Kriegswaffenkontrollgesetz und Sprengstoffgesetz vor. Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat ein Strafverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen der Kriminalpolizeidirektion Rottweil hierzu dauern an. Die Waffenbehörde in Spaichingen hatte über den Verwaltungsgerichtshof Mannheim einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Mann erwirkt, um waffenrechtliche Erlaubnisse, Waffen und Waffenteile sicherzustellen.
"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene im Jahr 2022 bundesweit rund 23.000 Anhänger zu (2021: 21.000). Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) rechnete dem Milieu der sogenannten "Reichsbürger und Selbstverwalter" in Baden-Württemberg rund 3800 Personen (2018: 3200) zu. Die Szene weist laut dem Innenministerium einen Altersdurchschnitt von etwa 53 Jahren auf. Über die Hälfte aller Anhänger sind älter als 50 Jahre.
Razzien und auch Verhaftungen gegen mutmaßliche "Reichsbürger" gibt es immer wieder. Das Oberlandesgericht Stuttgart will ab dem 29. April gegen neun Angeklagte aus der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß verhandeln. Ihnen wird zur Last gelegt, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein und ein sogenanntes hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben. Unter den Angeklagten ist auch ein Mann, der am 22. März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos geschossen und dadurch zwei Beamte verletzt haben soll.
Reichsbürger" und "Selbstverwalter" verneinen die Existenz der Bundesrepublik Deutschlands und ihres Rechtssystems, sprechen Politikern und anderen Staatsbediensteten die Legitimation ab. Nach Ansicht der meisten "Reichsbürger" besteht das Deutsche Reich fort und das Grundgesetz ist lediglich "Besatzungsrecht". "Selbstverwalter" betrachten sich selbst als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie vertreten häufig übergeordnete philosophische oder religiöse Ansätze, mit denen sie das vermeintliche Recht zur Ausrufung eigener Fantasiestaaten oder Rechtssysteme begründen.
Beide Strömungen lehnen den deutschen Staat und seine Repräsentanten grundsätzlich ab. Hieraus ergibt sich auch die erhöhte Bereitschaft, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu begehen. Betroffen sind insbesondere Polizei, Justiz und Finanzämter; grundsätzlich können jedoch alle öffentlichen Stellen in den Fokus geraten. Gefährlich ist hierbei auch die hohe Waffenaffinität des Milieus. (Quelle: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg)
Quelle: ntv.de, hny/dpa